An den Pfahl des Augenblicks gebunden

publiziert: Mittwoch, 12. Dez 2012 / 09:55 Uhr / aktualisiert: Mittwoch, 12. Dez 2012 / 10:35 Uhr
Chirlaine McCray und Ehemann Bill de Blasio: Auf einen 33jährigen Artikel fest genagelt.
Chirlaine McCray und Ehemann Bill de Blasio: Auf einen 33jährigen Artikel fest genagelt.

Bill de Blasio kandidiert in New York für den Bürgermeisterposten. Dies würde uns, da es sich erst um die eine interne demokratische Ausmarchung handelt, wenig interessieren, zumal Bill de Blasio rein äusserlich dem klassischen weissen Mittelstandspolitiker entspricht. Selbst sein Beruf ist typisch für eine politische Karriere: Anwalt.

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Der Cartoon der New York Post
Der ziemlich geschmacklose Cartoon der NY Post
nypost.com

Und doch passt Bill de Blasio perfekt in diese bigotten Vorweihnachtszeit. Denn einmal mehr zeigt sich, dass ausgerechnet diejenigen, welche so gerne Heiligkeit vor und an Weihnachten inszenieren, echt fies sind. Sie sind dermassen unchristlich-unmenschlich, moralisch versaut und scheinheilig wie dies einem Atheisten nie einfallen würde!

Was ist passiert?

Der «New York Observer» hat einen33jährigen Artikel über Bill de Blasios Ehefrau, Chirlaine ausgegraben. Nun muss man wissen, dass Chirlaine schwarz ist, die de Blasios zwei Kinder haben und für ein progressives New York stehen, dass Sie wahrscheinlich aus tollen Städtetrips kennen und in welchem ich Jahre gelebt und mich wohlgefühlt habe.

Was stand im Artikel, den Chirlaine de Blasio geschrieben hat? «I am a lesbian». Eine andere Zeitung, die «New York Post», hat sich darauf fast überschlagen und einen Cartoon publiziert, der klassische «Stürmer»-Qualitäten hat.

33 Jahre! Damit ist der Höhepunkt des Menschen, der ewig an den Pfahl des Augenblicks gebunden ist, wie es Nietzsche für unsere Zeit vorhersah, erreicht. 33 Jahre! Dürfen sich Menschen nicht ändern? Darf man nie mehr etwas tun, was der Mehrheit nicht passt? 1979 war es alles andere als einfach, eine schwarze junge Frau zu sein, die es zudem wagt, über ihre Sexualität zu schreiben. Dies ausgerechnet in einer Community, die ausschliesslich Heterosexualität und Machismo pflegt!

Die Post bringt neben dem Cartoon zudem rassistische, bigotte und menschenverachtende Ausführungen und macht aus der «Lesbe Chirlaine» ein grässliches Traktat über angeborene Homosexualität. Chirlaine de Blasio wird die Geschichte vor 33 Jahren nie loswerden, Google schlägt schon jetzt «Chirlaine de Blasio lesbian» vor.

All diese Entwicklungen sind nicht nur bedenklich, sondern gefährlich. Wenn wir Menschen in eine Google-Archiv-Form gepresst werden, die uns auch als 35jährige Autorin vorwirft, dass wir einmal in der dritten Klasse im Diktat nur ein 3 geschrieben haben und daraus eine Story macht, dann ist der Neofeudalismus nicht nur ökonomisch (so wie jetzt), sondern auch physisch etabliert.

Freiheit, Verantwortung und Veränderung wird so aus der Geschichte geschrieben. Wir werden unser aller Menschlichkeit beraubt. Wir werden durch die Kombination von kommerzieller Mediendemokratie und neuen Medien in die Ungnade der Geburt gepresst, die weder persönliches noch berufliches Weiterkommen ermöglicht.

Kürzlich brachte ein Sprachblog eine kritische Beurteilung von Wikipedia. Die Gratis-Enzyklopädie, die erst kürzlich mit der hohen Qualität der Encyclopedia Britannica verglichen wurde, übt sich in klassischen geschlechtsspezifischen Mechanismen. Frauen werden via Verwandschaftsgrade (Tochter von ist unendlich beliebt), Zivilstand und Kinderanzahl definiert, sie werden im Text gerne mit Vornamen bezeichnet und die Werke der Frauen werden höchstens aufgelistet, aber nie besprochen. Zudem werden zu Frauen immer weniger Links und nur die Mainstream-Links aufgeführt. Ja klar doch, Wiki wird offenbar von Menschen geschrieben, die Feminismus auch nur vom Hörensagen kennen!

So werden via Portalen und Suchmaschinen à la Yahoo, Youtube, Google und Wikipedia Menschen in ein Raster gepresst, das ihnen keine Entwicklungsmöglichkeit, keine eigene Individualität, sondern nur noch das Einfügen in das herrschende System ermöglicht - dies gilt vor allem für Frauen.

Chirlaine de Blasio erinnert uns daran, wie gefährlich Monopole sind. All dies wäre nur halb so schlimm, wenn Google eine Konkurrenz von 15 anderen Suchmaschinen, die der Vielfalt von Chirlaine de Blasio gerecht würden, hätte. Alles wäre nur halb so schlimm, wenn der Algorithmus zu Chirlaine de Blasio von ihr geändert werden könnte. All dies wäre nur halb so schlimm, wenn wir vielleicht auch unter Atheisten wieder mal diskutieren würden, welche Konsequenzen denn ein: «Du sollst nicht falsch Zeugnis ablegen wider Deinen Nächsten» in Zeiten moderner sozialer Medien haben. Denn das Wichtigste am Leben eines Menschen ist Veränderung. Nur Tote entwickeln sich nicht weiter. Und wir sollten uns auch via Medien nicht zu Lebzeiten für tot erklären lassen.

(Regula Stämpfli/news.ch)

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An den Pfahl der Zukunft gebunden
Das(s) - Rechtschreibung Stämpfli - müsste ebenso an der Berner Stadregierung angeknüpft werden, das(s) eigentlich näher liegen sollte, als ein New Yorker Stadtpräsidentenkandidat. Aber das(s) ist nicht nachprüfbar, weit weg auf der anderen Seite des Ocenans. Und das(s) würde einen Parteigenossen treffen. "Profiziat" Berner Stadtregierung !
’Jammerchreze’
Die Autorin beklagt sich einmal mehr darüber, wie fies die andern sind. Hat sie sich schon einmal gefragt, ob sie auf dieser Plattform schon je etwas Erfreuliches geschrieben hat? Mir jedenfalls ist nur in Erinnerung, dass über jeden (vor allem jeden Mann) hergezogen wird. Permanent jammert sie über die ach so ungerecht verteilte Geschlechterrolle. Dass aber gerade hier die Frauen selbst etwas bewegen könnten, zeigt sie selbst am Beispiel von Wikipedia. Es steht jedermann (auch jeder Frau) frei, Artikel zu erstellen oder zu redigieren. Aber offenbar hat das ’schwache Geschlecht’ keine Lust oder keine Zeit, sich in diese Niederungen zu begeben.

Um anzuprangen, dass man bei Google bis in alle Ewigkeit zu finden ist, hätte es keiner so aufgebauschten Story gebraucht. Dies ist eine ’Sauerei’ und in diesem Punkt ist offenbar auch unser Datenschützer machtlos.

In diesem Sinne: Frohe Festtage!
.
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