Klassischer Pianist mit Ausflug auf den Club-Dancefloor
Angehört: Francesco Tristano - «Body Language»
publiziert: Montag, 4. Mai 2015 / 23:24 Uhr

Francesco Tristano ist einer der gefragtesten klassischen Pianisten unserer Zeit mit einem der brillantesten Repertoires seiner Generation. Doch er ist vor allem auch ein Grenzgänger zwischen Gestern und Heute, der Techno auf dem Flügel spielt, Bachs Goldeberg-Variationen beherrscht und auch in Techno-Clubs auflegt. Auf Body Language Vol. 16 lebt er seine elektronische Seite aus und zielt direkt auf den Dancefloor.

2 Meldungen im Zusammenhang

Sein ambitionierter und komplexer Mix featured viele exklusive Tracks und artikuliert sich hauptsächlich über eigene Kompositionen und Kooperationen. Er legt Synthesizer Flächen und Piano Passagen über sämtliche Stücke und kreiert so einen Remix in Echtzeit. Eine Art Jam Session, mit der Kontinuität eines DJ Sets.

Seit langem schon hat sich Francesco Tristano - im Bereich der Musik, man sollte diesen Satz also nicht falsch verstehen - wie ein wildes Kind benommen, das sich gegen die Aufsicht der Eltern auflehnte und immer wieder von zu Hause ausriss, um verbotene Orte zu besuchen. Man muss nur in seinem Terminkalender die Konzerte des letzten Jahres Revue passieren lassen: in Mitten feierlicher Auftritte, in wichtigen Auditorien auf dem gesamten Planeten, wo er Klavierkonzerte barocker und zeitgenössischer Musik mit Schwerpunkt auf Komponisten wie Johann Sebastian Bach, Maurice Ravel, George Gershwin oder Dietrich Buxtehude spielte, erscheinen auch verschiedene Engagements unter dem Namen 'Francesco Tristano live'.

Diese Ausbrüche haben nur wenig mit klassischer Musik zu tun; ganz im Gegenteil, sie zeigen dass Francesco's Engagement für elektronische Töne noch genauso lebendig ist, wie in der Zeit als er seine ersten «Dance» Platten auf Infiné herausbrachte, und das obwohl er in den letzten Jahren seine Position eines der gefragtesten Pianisten, mit einem der brillantesten Repertoires seiner Generation gefestigt hat.

Besessen vom Detroit Techno

Wenn Francesco Tristano in einen Club ausreisst, dann ist der Geist von dem er besessen ist, der des Techno - und ganz besonders der, des originalen Detroit Sounds. Dort, in der Hitze des Clubs, tauscht er das Piano gegen den Synthesizer ein, die Pedale gegen Software, und das was aus den Lautsprechern herausfliest, ist eine Musik die sich nur in diesen hedonistischen Kontext und in das Zelebrieren des Körpers einfügen lässt: expansiv, rhythmisch, emotional, gesprenkelt mit Piano Passagen und unaufhaltsamen Grooves. Das Material, das er dafür verwendet ist normalerweise von ihm selbst und unveröffentlicht, im Geheimen und in der Abgeschiedenheit produziert, um sich einen musikalischen Diskurs zu nähren, der nur dann sinnvoll ist, wenn er in einer Art von Jam Session, mit der Kontinuität eines DJ Sets ? ohne ein klassisches DJ Set zu sein - ausgeführt wird. Es gibt hier Übergänge aber keine Mixe; es kommen Stücke anderer Musiker vor, die in diesem Live-Set als Elemente verwendet werden um einen Remix in Echtzeit zu kreieren. Und aus dieser angehäuften Erfahrung ist die Idee für den Inhalt der Volume 16 von «Body Language» geboren.

Ein Teil des Techno Materials an dem Francesco Tristano in den letzten Monaten gearbeitet hat, ist schon im Dezember auf der EP «Piano, Hats & Stabs» erschienen, seiner ersten Veröffentlichung auf Get Physical. Mehrere dieser Tracks erscheinen nun auch auf «Body Language», diesmal in der Form, in der sie ursprünglich geplant und für die sie eigentlich entworfen waren: als Teile eines viel ambitionierteren und komplexeren Konstrukts. Mit Ausnahme von «The Harvest» - ein als Ur-Techno identifizierbares Jazz-Stück, welches Joe Zawinul´s Album «Dialects» (1986) eröffnete, und dem eine ähnliche Bedeutung wie Herbie Hancocks «Rockit» zugewiesen wird - artikuliert sich Francesco´s gesamte Reise über eigene Kompositionen («Ongaku», «Jinguru»), die in Zusammenarbeit mit anderen Musikern entstanden sind. Hier hören wir zum ersten mal «Amnesie», halb und halb mit Luciano, oder das neue Projekt KhalifeSchumacherTristano, welches aus der Asche von «Aufgang» entstand und von Reboot ge-remixed wurde - oder Material das ihm von Label-Partnern, Freunden und weiteren Künstlern aus seinem Umfeld zur Verfügung gestellt wurde, so wie zum Beispiel von P41, auch bekannt als der Sound Techniker Edoardo Pietrogrande; oder Danton Eeprom, ExPartner bei Infiné; Cardopusher, Nachbar in Barcelona; und auch M.A.N.D.Y., Repräsentanten seines neuen Labels Get Physical.

Key-mixing

Auf einem traditionellen DJ Album liegt der Mehrwert, abgesehen von der Auswahl der Musik, im Wagemut beim Mixen. Im Falle von «Body Language» ist das Wichtige nicht so sehr das beat-matching, sondern das key-mixing: Um die Übergänge der verschiedenen Stücke so komplett wie möglich zu gestalten hat Francesco Tristano seine gesamte musikalische Weisheit aufgebracht, und hat Synthesizer Flächen und Piano Passagen über sämtliche Stücke gelegt, um die rhythmische Reise mit einem dichten, harmonischen Reichtum zu vervollständigen.

Seine eigenen Stücke werden aus Piano Grooves geboren - wie man leicht erahnen kann teilweise sogar aus Akkorden, die aus einer «Suite en La menor» von Jean-Philippe Rameau stammen könnten, also von einem der wichtigsten Komponisten des Französischen Barocks - und sie expandieren immer in die Tiefen des äusseren Raums. Das Resultat mag einem beim ersten Anhören bekannt vorkommen, es vertieft sich aber in den Details, in den Akkord-Wechseln, in der Architektur der Komposition, und resultiert in einer überraschenden Mischung: Deep House und Detroit 2.0 mit einer in der aktuellen Club-Musik unbekannten Klangdichte. Der Ausdruck der am besten die musikalische Philosophie von Francesco Tristano beschreibt, ist «Bach to the future». Auf «Body Language» gibt es zwar keinen Bach, aber die Zukunft konstruiert sich Minute für Minute.

(fest/news.ch mit Agenturen)

Lesen Sie hier mehr zum Thema
Angehört Tristano ist ein Pianospieler der ... mehr lesen
Schallplatten, Klamotten, Posters, Gadgets & Trash
.
Digitaler Strukturwandel  Nach über 16 Jahren hat sich news.ch entschlossen, den Titel in seiner jetzigen Form einzustellen. Damit endet eine Ära medialer Pionierarbeit. mehr lesen 22
Niconé.
Niconé.
Niconés neues Album «Luxation» ist das erste Artist-Album auf dem Label Katermukke. Eine Premiere, die für beide Seiten total Sinn macht, weil das Label in all seiner Vielschichtigkeit genauso wie Niconé dafür steht, das zu machen, was gefällt. mehr lesen 
«Under the Sun» ist ein Album, das so nur Mark Pritchard aufnehmen konnte - aus einem simplen Grund: Weil kein anderer Musiker über eine vergleichbare Diskografie und so einen ähnlichen Erfahrungsschatz verfügt. mehr lesen  
Deep Space Sound  Weit hinaus in die Tiefen des Raums, in andere Galaxien katapultieren Andrea Benini und Mop Mop die Zuhörer mit ihrem neuesten Trip: Was ... mehr lesen  
Der Hamburger Musiker Stimming hat sein viertes Studioalbum «Alpe Lusia» veröffentlicht. Benannt wurde es nach einer kleinen Hütte in Norditalien, in der der 32-jährige einen Monat lang mutterseelenallein an seinem aktuellen Langspieler arbeitete. mehr lesen  
Titel Forum Teaser
  • Pacino aus Brittnau 731
    Und noch ein Pionier . . . . . . ach hätten wir doch bloss für jeden hundertsten Juristen einen ... Fr, 24.06.16 09:54
  • jorian aus Dulliken 1754
    SRG: Eishockey & und der ESC Wer am Leutschenbach nicht gehorcht, muss den ESC oder die Eishockey WM ... Fr, 13.05.16 05:44
  • zombie1969 aus Frauenfeld 3945
    Die... Entscheidung von A. Merkel ist völlig richtig: -Sie ist juristisch ... So, 17.04.16 14:13
  • zombie1969 aus Frauenfeld 3945
    Komiker... Böhmermann wird vermurlich, damit die Türkei-Deal-Marionetten in Berlin ... Di, 12.04.16 13:37
  • Bogoljubow aus Zug 350
    Sind Sie sicher dass es nicht Erdowann oder gar Erdowahn heisst? So, 03.04.16 10:47
  • HeinrichFrei aus Zürich 431
    Zürich: von «Dada» zu «Gaga» Die «Dada» Veranstaltungen in Zürich zeigen, dass «Dada» heute eher zu ... Mo, 15.02.16 22:51
  • Midas aus Dubai 3810
    Finde den Unterschied Ah ja, wieder der böse Kapitalismus. Wie gesagt, haben Sie ein besseres ... Mo, 01.02.16 02:48
  • Kassandra aus Frauenfeld 1781
    Schöner kann man's nicht erklären «Es handelt sich hier um ausserordentlich sensible Figuren. Da ist zum ... So, 31.01.16 16:48
art-tv.ch Gotthard. Ab durch den Berg Das Forum Schweizer Geschichte in Schwyz zeigt die Tunnelbauten ...
Niconé.
Felix Steinbild
news.ch hört sich jede Woche für Sie die interessantesten neuen CDs an und stellt sie Ihnen hier ausführlich vor.
 
Stellenmarkt.ch
Kreditrechner
Wunschkredit in CHF
wetter.ch
Heute Fr Sa
Zürich 0°C 12°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt wolkig, aber kaum Regen
Basel 5°C 14°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen wolkig, aber kaum Regen
St. Gallen 1°C 9°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich wechselnd bewölkt
Bern 0°C 11°C starker Schneeregenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich wolkig, aber kaum Regen
Luzern 1°C 12°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt wolkig, aber kaum Regen
Genf 5°C 13°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt wolkig, aber kaum Regen
Lugano 6°C 10°C wechselnd bewölkt, Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig anhaltender Regen anhaltender Regen
mehr Wetter von über 8 Millionen Orten