Angehört: Neil Young - «Psychedelic Pill»
publiziert: Sonntag, 28. Okt 2012 / 19:00 Uhr / aktualisiert: Montag, 29. Okt 2012 / 00:00 Uhr

Neil Young musste vor kurzem auf Anraten seines Arztes mit seinem Drogenkonsum aufhören. Wie sollte er nun überhaupt wieder Songs schreiben, so vollkommen unbekifft?! Die Antwort gibt er auf seinem neuen Album «Psychedelic Pill»: Die Songs klingen bekiffter denn je - was wirklich kein Qualitätsmerkmal ist.

Neil Young stochert in seiner Vergangenheit, das einzige was er findet ist der Sound vergangener Tage und den will er gar nicht mehr loslassen: Der Fan muss sich schon einiges durch die Lungen jagen, um den 27minütigen Opener «Driftin' Back» mit dem Endlos-Gedudel durchzustehen. Ist das Dope gut, sieht er ein loderndes Feuer.

Young hat sich für das neue Werk erneut mit Crazy Horse (Poncho Sampedro, Gitarre; Billy Talbot, Bass und Schlagzeuger Ralph Molina) zusammengetan, jener Band, die ihn seit 1975 begleitet hat. Anscheinend wollen sich die alten Männer nochmal auf die gemeinsame, drogengeschwängerte Zeit besinnen.

Der Song «Psychedelic Pill» betritt Pfade, die Young in seinem bisherigen Oevre und in dieser Konstellation nur angedeutet hat; in seiner Musik tauchen neue Strukturen auf, seine Texte zeichnen neue Gedanken. Ergänzend zu dem stampfenden Titelsong ehrt Young auch den Spirit des Rock'n'Roll in seiner Ur-Form, hier in der Inkarnation eines Party Girls in einem schmucken Kleid, rastlos «auf der Suche  nach einer guten Zeit». «No dark night exists that they cannot bring light to», sagt Young über sein weibliches Original, geschrieben in einer kurzen, selbst verfassten Einleitung zu dem Song. Dass dieser Song komplett misslungen ist, liegt wohl am Flanger-Knopf, an dem Young wie ein kleiner Junge während des ganzen Songs beharrlich dreht - wohl als Zeichen der Psychedelic, die er drogenfrei ertragen muss. Leider wird der Song dadurch unhörbar.

Das 16minütige «Ramada Inn» widmet sich dagegen einem anderen Teil des Lebens: ein Paar auf einem Road-Trip, glücklich und verliebt wie zu ihren Anfangstagen, sogar nach «all those good times, ups and downs/ So many joys raisin' those kids.» Auch wenn es manchmal hart ist und man gemeinsam die Hürden aus seinem Leben wegräumen muss, so scheint trotz aller Mühen doch jeden Morgen wieder die Sonne: «Every mornin' comes the sun / and they both rise unto the day.» In seinen Liner-Notes sagt Young dazu: «Remembering the long grade, you take the time to count your friends.» Mit seinen langen, ausufernden Gitarrensoli schenkt Young seinem Text die passenden Konturen, haucht den Protagonisten und ihrer Geschichte mithilfe seiner Saiten Leben und Seele ein.

«Born In Ontario» bietet einen ähnlich ehrlichen und detaillierten Einblick in Youngs autobiographischen Faden des Albums wie «Helpless», ein ländliches Shuffle inklusive eines Kunstharmoniums, das diese Folk-Hymne lebendig und nahbar macht. In «Helpless» erinnert sich Young an seinen Vater, einen Schriftsteller, der seinen Weg stets begleitet hat, in jungen Jahren genauso wie heute: «I still like to sing a happy song / But once a while when things go wrong / I might pick up a pen and scribble on a page and try to make sense of my inner rage.» (Übrigens: 2009 wurde Neil Young zum Officer der Order of Canada)

«Twisted Road» ist eine schwungvolle Danksagung an einige seiner grössten Einflüsse, sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart, allen voran Bob Dylan («Like Hank Williams chewin» bubble gum / Askin' me «How does it feel?»).

«She's Always Dancing» ist ein erneuter Besuch bei der allgegenwärtigen Muse, während  Young in «For The Love Of Man» sein Grübeln in Neugier kanalisiert, indem er sich Gedanken macht über die menschliche Spezies und das Wunder des Lebens.

«Walk Like A Giant» schlägt schliesslich den Bogen zurück zu einem spirituellen Gebet, das Young vor allem an sich selbst richtet und sich ermahnt, seine Neugier und die Lust aufs Leben zu bewahren; dass er immer und überall daran festhält: «Hold on to my thinkin' / and remember how it feels.»

Produziert von Young in Kooperation mit John Hanlon und Mark Humphreys, und aufgenommen in den Audio Casa Blanca Studios inmitten von Youngs Broken Arrow Ranch (abgesehen vom eingangs erwähnten Akustik-Intro, das in Kamuela/Hawaii, entstand), vermittelt das Album eine helle, leuchtende Intimität, wie sie heutzutage nur noch wenige Werke zu offenbaren vermögen. Die Sessions wurden mithilfe einer Röhrenkonsole auf analoges 2-Inch-Band aufgenommen, anschliessend analog gemixt und später in das höchste High-End Digitalformat übersetzt. 

Neil Young hat noch nie Berührungsängste mit der jüngsten Vergangenheit gehabt. Beweis dafür ist nicht zuletzt seine neue Biografie «Waging Heavy Peace», deren Reminiszenz-Fäden Regisseur Jonathan Demmes durch die Trilogie seiner Konzertfilme wob - darunter den dritten Teil «Neil Young Journeys», der im Sommer veröffentlicht und mit Live-Versionen von Youngs Album Le Noise (2010) untermalt wurde - einem Werk, auf dem Young mit Unterstützung von Produzent Daniel Lanois einige obskure Episoden seines Lebens ergründete. Auch die Reunion mit Stephen Stills und Richie Furay im Rahmen der 2011er Buffalo Springfield-Tour wurden in «Neil Youngs Journeys» festgehalten. Darüber hinaus gibt es natürlich auch noch die keine Wünsche offen lassenden und reichhaltig bestückten Neil Young Archives Vol 1: 1963 - 1972.

Dieses Album werden wohl nur Neil Young-Fans begreifen, von alten Säcken für alte Säcke.

(fest/news.ch mit Agenturen)

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Felix Steinbild
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