Antichrist im Mitternachtsverkauf?

publiziert: Freitag, 30. Sep 2005 / 11:18 Uhr / aktualisiert: Montag, 3. Okt 2005 / 12:38 Uhr

4 Meldungen im Zusammenhang
Wenn ein neuer Harry Potter auf den Markt kommt, steht alles Kopf. Die Fans. Der Buchhandel, der Verlag, die Postboten, die mitternachts die Bücher ausliefern müssen.

Und auch die Kirchen. Aber nicht vor Begeisterung.

Es heisst, Harry Potter verhindere die christliche Erziehung von Kindern, animiere sie zu okkulten Handlungen, bringe sie vom wahren Glauben weg. Dies sind mal die offensichtlicheren Argumente. Doch es dürfte noch andere Gründe geben. Zum einen ist Harry Potter eine Heilsgestalt, die Prüfungen über sich ergehen, Gefahren bestehen und das Böse immer wieder überwinden muss – sozusagen ein hipper Jesus-Wiedergänger mit Reitbesen... es ist immer hart, wenn man eigene Ideen von anderen popularisiert sieht, und rechtlich nichts dagegen machen kann. Dazu dürften Kinder, die Harry Potter lesen, kaum gross in der Bibel schmökern. Nicht, dass sie das sonst machen würden... aber in den nächsten Tagen garantiert nicht.

Bleibt die Frage, ob die kirchlichen Argumente gegen J. K. Rowlings Buchserie wirklich bestand haben. Werden Kinder zur schwarzen Magie verführt, werden nun plötzlich 12jährige Dämonen beschwören und auf Besen zur Schule reiten? Oder dies zumindest probieren?

Wer sich mit Jugendlichen unterhält, wird schnell feststellen, dass die meisten im Harry-Potter-fähigen Alter durchaus zwischen Fiktion und Realität unterscheiden können. Harry Potter ist eine Roman-Serie. Eine sehr erfolgreiche, gut geschriebene, sicher. Aber es ist nur Fiktion – und im Gegensatz zur Kirche behauptet auch die Autorin nichts anderes, reagiert sogar amüsiert auf die Anschuldigungen, dass sie die Jugend verführen wolle. Und die Kinder sehen das genau so.

Auch deutet nichts darauf hin, dass in den Jahren seit dem ersten Harry Potter Buch der Okkultismus starken Zulauf gefunden hat. Trotzdem kämpfen Papst und Freie Kirchen gegen Potter, werden in den USA sogar Bücher verbrannt. Man hat das Gefühl, dass die Kirche am liebsten auch die Autorin verbrennen würde – ganz in einer Tradition, welche sie zu ihrem Bedauern vor einigen hundert Jahren aufgeben musste.

Man kommt nicht umhin, die Potter-Bücher auf wahrhaft verderbliche Dinge zu durchleuchten, doch es will einem nichts wirklich auffallen, das diese Bücher zu Quellen des Übels machten. Weder wird aus einer Laune heraus alles Leben auf dem Planeten ausgelöscht, noch werden grausame Tier- und Menschenopfer gefordert. Es wird kein Rassismus gepredigt und es werden keine Massenmorde an Andersgläubigen befohlen. Auch wird nicht die Rechtlosigkeit und Versklavung von Frauen darin gefordert. Oder zum Steinigen ungehöriger Söhne.

Wo die obigen Dinge zu finden sind, wird der Autor dieses Mal nicht erwähnen. Aber irgendwie ist es gut zu wissen, dass heute um Mitternacht nur «Harry Potter und der Halbblutprinz» ausgeliefert wird.

Nein, Harry Potter wird nicht den Niedergang der westlichen Welt einleiten. Diese Bücher bringen eine Generation zum Buch hin, die schon verloren schien. Sie lehren das Verstehen komplexer Handlungsstrukturen. Sie fördern die Fantasie und die Abstraktionsfähigkeit von Kinderhirnen. Viele lernen sogar richtig Englisch dank der Harry Potter Bücher.

Gegen all dies zu kämpfen, zeugt von Intoleranz, Arroganz und Verbohrtheit, doch etwas anderes ist von gewissen Kreisen ja nicht zu erwarten gewesen. Allen anderen: Viel Spass bei der Lektüre!

(von Patrik Etschmayer/news.ch)

Lesen Sie hier mehr zum Thema
Kino London - Tausende Fans aus aller ... mehr lesen
In der Deutschschweiz startet «Harry Potter and the Goblet of Fire» am 17. November.
Daniel Radcliff wird auch im fünften Film die Hauptrolle spielen.
London - Der inzwischen 16-jährige ... mehr lesen
Die englische Originalausgabe kam schon vor zweieinhalb Monaten heraus.
Zürich - Zauberlehrling Harry Potter ... mehr lesen
.
Digitaler Strukturwandel  Nach über 16 Jahren hat sich news.ch entschlossen, den Titel in seiner jetzigen Form einzustellen. Damit endet eine Ära medialer Pionierarbeit. mehr lesen 22
«Hier hätte ich noch eine Resistenz - gern geschehen!» Schematische Darstellung, wie ein Bakerium einen Plasmidring weiter gibt.
«Hier hätte ich noch eine ...
In den USA ist bei einer Frau mit Harnwegsinfektion zum ersten mal ein Bakterium aufgetaucht, das gegen das letzte Reserve-Antibiotikum resistent ist. Wer Angst vor ISIS hat, sollte sich überlegen, ob er seinen Paranoia-Focus nicht neu einstellen will. Denn das hier ist jenseits aller im Alltag sonst verklickerten Gefahren anzusiedeln. mehr lesen 4
Durch ungeschickte Avancen von SBB- und Post-Chefs, droht die Service-Public-Initiative tatsächlich angenommen zu werden. Von bürgerlicher Seite her solle laut einem Geheimplan daher ein volksnaher ... mehr lesen
Künftig mindestens 500'000.-- und die ganze Schweiz inklusive: SwissPass, der schon bald mal GACH heissen könnte.
Urversion von IBM's Supercomputer WATSON: Basis für 'ROSS'... und unsere zukünftigen Regierungen?
Eine renommierte US-Kanzlei stellt einen neuen Anwalt Namens Ross ein. Die Aufgabe: Teil des Insolvenz-Teams zu sein und sich durch Millionen Seiten Unternehmensrecht kämpfen. Und nein, ROSS ist kein armes Schwein, sondern ein ... mehr lesen  
In letzter Zeit wurden aus Terrorangst zwei Flüge in den USA aufgehalten. Dies, weil Passagiere sich vor Mitreisenden wegen deren 'verdächtigen' Verhaltens bedroht fühlten. ... mehr lesen  
Sicherheitskontrolle in US-Airport: 95% Versagen, 100% nervig.
Typisch Schweiz Der Bernina Express Natürlich gibt es schnellere Bahnverbindungen in den Süden, aber wohl ...
Edelsteine und Kristalle haben eine besondere Wirkung auf den Menschen.
Shopping Kristall und Edelstein Boutiquen: Einzigartige Geschenke und faszinierende Steinkraft Sie sind auf der Suche nach einem besonderen Geschenk für einen geliebten Menschen? In einer exklusiven Boutique für ...
Erstaunliche Pfingstrose.
Jürg Zentner gegen den Rest der Welt.
Jürg Zentner
Frauenrechtlerin Ada Wright in London, 1910: Alles könnte anders sein, aber nichts ändert sich.
Regula Stämpfli seziert jeden Mittwoch das politische und gesell- schaftliche Geschehen.
Regula Stämpfli
«Hier hätte ich noch eine Resistenz - gern geschehen!» Schematische Darstellung, wie ein Bakerium einen Plasmidring weiter gibt.
Patrik Etschmayers exklusive Kolumne mit bissiger Note.
Patrik Etschmayers
Obama in Hanoi mit der Präsidentin der Nationalversammlung, Nguyen Thi Kim Ngan auf einer Besichtigungstour: Willkommenes Gegengewicht zu China.
Peter Achten zu aktuellen Geschehnissen in China und Ostasien.
Peter Achten
Recep Tayyp Erdogan: Liefert Anstoss, Strafgesetzbücher zu entschlacken.
Skeptischer Blick auf organisierte und nicht organisierte Mythen.
Freidenker
 
Stellenmarkt.ch
Kreditrechner
Wunschkredit in CHF
wetter.ch
Heute Fr Sa
Zürich 2°C 11°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt freundlich
Basel 3°C 12°C wechselnd bewölktleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen wechselnd bewölkt
St. Gallen 1°C 8°C Schneeregenschauerleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich freundlich
Bern 2°C 11°C freundlichleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt wechselnd bewölkt
Luzern 2°C 11°C freundlichleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt freundlich
Genf 2°C 14°C freundlichleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen wechselnd bewölkt
Lugano 6°C 15°C recht sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig trüb und nass trüb und nass
mehr Wetter von über 8 Millionen Orten