Wandel in der Gesellschaft?

Arizona gegen Lesben und Schwule

publiziert: Dienstag, 4. Mrz 2014 / 15:45 Uhr
Jan Brewer: «Religionsfreiheit ist ein Grundwert in Amerika und Arizona.»
Jan Brewer: «Religionsfreiheit ist ein Grundwert in Amerika und Arizona.»

Denkt man an den US-Bundesstaat Arizona, hat man eigentlich Bilder von Cowboys, Viehherden und Kakteen im Kopf. Letzte Woche war der Bundesstaat jedoch Schauplatz der im ganzen Land umstrittenen Frage, ob man Geschäftsleute dazu zwingen kann, für schwule und lesbische Kunden zu arbeiten.

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«Religionsfreiheit ist ein Grundwert in Amerika und Arizona, und dasselbe gilt für die Ablehnung jeder Art von Diskriminierung», sagte Jan Brewer, die Gouverneurin des Staates.

Der Staubsturm in Arizona hat eigentlich an anderen Orten Auftrieb bekommen. Während in weiten Teilen Amerikas gleichgeschlechtliche Paare auf wachsende Akzeptanz stossen, ihnen immer mehr Rechte eingeräumt werden und sie in einigen Staaten sogar heiraten dürfen, wollen andere Bürger mit alldem nichts zu tun haben.

In New Mexiko, das an Arizona grenzt, weigerte sich jüngst eine Fotografin, die Eheschliessung eines lesbischen Paares abzulichten. Sie sagte, sie sei bereit, traditionelle Porträtfotos des Paares zu schiessen, doch sie werde nicht die Trauung fotografieren, da diese ihrer religiösen Überzeugung widersprechen. Der Fall landete vor Gericht, wo entschieden wurde, dass die Fotografin gegen die Antidiskriminierungsgesetze des Bundesstaates verstossen habe.

In Colorado, einem anderen Nachbarstaat, weigerte sich ein Konditor, einem schwulen Pärchen eine Hochzeitstorte zu liefern. Auch dieser Fall landete vor Gericht, wo der Zuckerbäcker verlor.

Und im Bundesstaat Washington im Westen der USA wurde ein Gerichtsverfahren gegen eine Floristin eingeleitet, nachdem sich die Frau geweigert hatte, Blumen für die Trauzeremonie eines homosexuellen Paares zu liefern.

Gesetz erlaubt, Kunden aus religiösen Gründen abzulehnen

Als erste Politiker im Land verabschiedeten die Abgeordneten in Arizona vor Kurzem ein Gesetz, das Geschäftsleuten erlaubt, Kunden aus religiösen Gründen abzulehnen.

Angeblich fand der Gesetzesentwurf nur knapp die nötige Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments von Arizona - und das auch nur durch die Fraktionsdisziplin der Republikaner.

Das Gesetz ist so formuliert, dass für eine Abfuhr nur religiöse Gründe benannt werden können; bei der Wahl möglicher Kunden, die man zurückweisen kann, war das Gesetz aber nicht so präzise.

Muslime, Juden, Geschiedene, unverheirateten Müttern, Lesben, Schwule...

Wirtschaftsvertreter und Experten fürchteten, dass es Geschäftsleuten das Recht gäbe, eine schier unbegrenzte Vielzahl von Menschen abzuweisen - von Muslimen und Juden bis hin zu Geschiedenen und unverheirateten Müttern. Fast umgehend nach dem Gesetzesentwurf beschlichen einige Politiker Arizonas erste Zweifel. Mindestens drei republikanische Abgeordnete, die für das Gesetz gestimmt hatten, änderten ihre Meinung, was bedeutet hätte, dass das Gesetz nicht nochmals beide Kammern hätte passieren können, wäre es erneut diskutiert worden. Die langfristigen Konsequenzen für die Wirtschaft des Staates sehen desaströs aus.

Apple droht in einen andern Bundesstaat zu gehen

Apple plant in Arizona den Bau einer neuen Fabrik, die etwa 2000 Arbeitsplätze schaffen soll, drohte nun aber damit, in einen anderen Bundesstaat zu gehen. Zudem will die National Football League 2015 dort den Super Bowl abhalten, was enorme Summen in die Kassen des Staates spülen würde. Auch sie überlegt, das Megaevent an einem anderen Ort abzuhalten. Das sind nur zwei Beispiele einer wachsenden Anzahl von Firmen, die öffentlich ihren Unwillen gegen das Gesetzesvorhaben zum Ausdruck brachten.

Selbst einige Gläubige wiesen vehement die Argumentation der «religiösen Gründe» von sich. «Dieses Gesetzesvorhaben widerspricht unserer Religion», meinte Troy Menendez, der in Phoenix, der grössten Stadt Arizonas, ein Geistlicher der Trinity Episcopal Church ist.

«Wir glauben daran, dass man seinen Nächsten wie sich selbst lieben soll. Dieses Gesetz versucht, den Leuten unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit das Recht zu geben, andere zu diskriminieren. Nächstenliebe ist das nicht.»

Politgrössen der republikanischen Partei drängten Gouverneurin Brewer, ein Veto gegen das Gesetz einzulegen. So sprachen sich auch die beiden ehemaligen Präsidentschaftskandidaten der Republikaner, Mitt Romney und John McCain, der zugleich im US-Senat Arizona vertritt, öffentlich gegen das Vorhaben aus.

Brewer hatte eigentlich fünf Tage Zeit für ihre Entscheidung, doch sie verkündete ihr Veto lange vor Fristablauf. «Die Gesetzesvorlage ist breit gefasst und könnte unbeabsichtigte negative Konsequenzen mit sich bringen», sagte sie. «Ich verstehe zwar, dass althergebrachte Werte wie Ehe und Familie gefährdet sind und die Gesellschaft momentan dramatische Veränderungen erlebt. Dennoch glaube ich, dass das Gesetz das Potenzial birgt, mehr Probleme zu schaffen, als es vorgibt zu lösen.»

Nicht nur Arizona

Arizona ist nicht der einzige Staat, in dem man diese Massnahmen in Betracht zog. Schritt für Schritt bewegen sich Schwule, Lesben und Transsexuelle immer mehr in die Mitte der amerikanischen Gesellschaft und ganz Amerika muss sich mit seinen Gesetzen und seinem Glauben auseinandersetzen. Bislang ging jedoch noch kein Staat so drastisch vor wie Arizona, um diesem Wandel Einhalt zu gebieten; gleichzeitig hat sich aber auch kein Staat so schnell der moralischen und ökonomischen Wucht gebeugt.

In einer generell sehr konservativen Ecke im Südwesten der USA verkündete die Gouverneurin diese Woche, dass auch manche Privatperson, die es sich bestimmt anders wünschen würde, den Wandel in der Gesellschaft und im Land akzeptieren muss.

Über Jonathan Mann:
Jonathan Mann ist Moderator und Korrespondent bei CNN International. Er berichtet regelmässig aus der Zentrale des Nachrichtensenders in Atlanta und verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung im Print-, Radio- und TV-Journalismus. Seine Kolumne steht in der Schweiz exklusiv für news.ch zur Verfügung.

(Kolumne von Jonathan Mann/CNN-News)

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