Babylonisches Sprachgewirr um Euro

publiziert: Montag, 16. Jan 2006 / 21:11 Uhr

Riga - 300 Millionen Menschen in der EU zahlen heute mit derselben Währung, dem Euro. Doch was in der Eurozone einheitlich heisst, soll noch lange nicht überall diesen Namen tragen.

Wie soll denn nun der Euro heissen?
Wie soll denn nun der Euro heissen?
Das meinen zumindest fünf aufmüpfige EU-Neumitglieder, die darauf bestehen, dem europäischen Geld einen ihrer Sprache angemessenen Namen zu geben. Eiro, Ewro, Euras lauten einige der Vorschläge. Der Gemeinschaftswährung, die eines Tages im gesamten Unionsgebiet gelten soll, droht ein babylonisches Sprachgewirr.

Zu den Rebellen in der Namensgebung gehören die baltischen Staaten Lettland und Litauen, die der Europäischen Union im Mai 2004 beitraten. Die Regierung in Riga will die europäische Währung 2008 einführen - unter dem Namen Eiro.

«Der Doppellaut eu ist der lettischen Sprache völlig fremd. Wir kennen einen solchen Laut nicht, und deswegen werden wir Eiro sagen», sagte Erziehungsministerin Ina Druviete, eine ausgebildete Linguistin, Anfang Januar vor dem lettischen Parlament. Das Nachbarland Litauen verkündete flugs, der Euro werde hier Euras heissen.

Ewro in Malta

In Malta befasste sich der nationale Rat für die maltesische Sprache mit dem Thema. Und kam zu dem Schluss, dass der Euro auf der Mittelmeerinsel Ewro geschrieben werden müsste.

In der Landessprache stünden die Vokale e und u niemals nebeneinander, hiess es in einem eigens angefertigten Bericht. Den Slowenen wiederum fällt es leichter, Evro zu sagen oder zu schreiben; die Ungarn sind mit ihrem Wunsch nach einem Akzent auf dem o (Euró) vergleichsweise bescheiden.

Übersetzungsfehler

Selbstverständlich haben alle fünf neuen EU-Mitglieder einen Beitrittsvertrag unterzeichnet, in dem klar steht, dass die Gemeinschaftswährung Euro heisst. Doch schon bald nach der feierlichen Aufnahme in die Union kam der erste Streit auf.

Bei der Gelegenheit fanden EU-Beamte heraus, dass es just in der entsprechenden EU-Richtlinie 974/78 über den Euro «Übersetzungsfehler» gegeben hatte; darin tauchten nämlich bereits die regionalen Namensabwandlungen des Euro auf. Gemäss der Richtlinie sind länderspezifische Ausnahmen nur beim Euro-Cent erlaubt. So heisst das Kleingeld etwa in Frankreich «centime» und in Spanien «céntimo».

Kompromiss gesucht

Die Niederländer, die im zweiten Halbjahr 2004 den EU-Ratsvorsitz innehatten, bemühten sich um einen Kompromiss. Alle Mitgliedstaaten sollten als einheitlichen Wortstamm Eur- benutzen und diesen je nach Sprachgefühl mit einem der Landeszunge genehmen Vokal ergänzen, lautete der Vorschlag aus Den Haag. Er scheiterte am Widerstand Maltas und Litauens, in denen zusammen weniger als drei Millionen EU-Bürger leben.

Unter Verweis auf ihre sprachlichen Eigenheiten stellen sich die Regierungen der fünf Staaten taub für alle Mahnungen der Europäischen Zentralbank (EZB) und anderer EU-Einrichtungen. Die lettische Ministerin Druviete kündigte an, notfalls vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu ziehen, um die Entscheidung Rigas über den Eiro zu verteidigen.

Die lettischen Behörden gingen sogar so weit, das Beharren der EU-Behörden auf einem einheitlichen Währungsnamen mit der «Russifizierung» des Baltenstaats während der sowjetischen Besatzung zu vergleichen. Ein Einlenken der «Währungsrebellen» scheint weit entfernt. Doch bis zur tatsächlichen Einführung des Euro ist ja auch noch ein wenig Zeit.

(Jean-Luc Testault/AFP/sda)

 
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