Für die euphorischen Südkoreaner ist der Traum ausgeträumt. Das Glück ist aufgebraucht. Die Kraft reichte nicht nochmals für einen heroischen Kraftakt. Angetrieben von 64'000 Zuschauern im Stadion und unter den Augen des ganzen Volkes, das draussen millionenfach an Grossleinwänden und an den Bildschirmen mitfieberte, wurden die "roten Teufel" von den Deutschen entzaubert. Die Asiaten mussten sich einem deutschen Team beugen, das zur richtigen Zeit die bestmögliche Leistung abzurufen vermochte. Dabei schien es anfänglich noch so, als ob die Südkoreaner zum ganz grossen Coup ausholen konnten.
Air Kahn flog und flog...
Denn die Deutschen begannen eher zurückhaltend, beschränkten sich mit ihrem Ballgeschiebe auf Ballsicherung.
Ganz anders die Südkoreaner. Sie legten einmal mehr los wie die Feuerwehr und brachten die stämmige deutsche Abwehr ins Schwitzen. Die flinken Asiaten wirbelten Linke, Metzelder und Ramelo einige Male gehörig durcheinander. Und wäre da nicht Oliver Kahn im Kasten gestanden, Deutschland wäre um einen Verlusttreffer nicht herum gekommen.
Doch "Air Kahn" flog, als ginge es um sein Leben - und fischte den Ball einmal in Extremis aus der Luft.
Diese Grosstat schien die Deutschen zu wecken. Sie erhöhten die Kadenz und zeigten weshalb sie noch immer im Turnier sind. Mehrmals roch es nach Tor. Doch die Gastgeber wehrten sich zeitweise mit sämtlichen Spielern in der eigenen Abwehrzone.
Ein Tor wie aus dem Lehrbuch
In der zweiten Halbzeit vermochte Rudi Völlers Truppe noch eine Schippe draufzulegen . Mit ihrem körperbetonten Spiel kauften die Deutschen den fleissigen Koreanern den Schneid ab. Kurz vor dem Tor zeigte der souveräne Scheizer Schiedsrichter Urs Meier Ballack die gelbe Karte für überhartes Einsteigen am eigenen Strafraum
Die Diskussion, wer denn nun für Klose der richtige Sturmpartner sei, Jancker oder Neuville, beantwortete Oliver Neuville selbst. Der kleine Angreifer, der einst bei Locarno und Servette kickte, zeigte in der 75. Minute einen perfekten Flügellauf bis auf die Grundlinie. Neuville passte in den Rücken der mitgelaufenen koreanischen Verteidigung. Von hinten brauste Ballack heran. Den ersten Direktknaller vermochte der südkoreanische Keeper noch abzuwehren, doch gegen den reflexartig abgegebenen Nachschuss Ballacks gabs nichts mehr zu halten - 1:0 für Deutschland. Ein verdienter Lohn für eine kompakte Leistung.
Die Südkoreaner kämpften zwar bis zur letzten Sekunde. Allein das Glück, das sie gegen Italien und Spanien in Anspruch nehmen durften, schien aufgebraucht. Auch fehlte die Kraft, um sich gegen die athletischen Deutschen entscheidend durchsetzen zu können.
Südkorea - Deutschland 0:1 (0:0)
World Cup Stadium, Seoul (Skor). -- 62 000 Zuschauer. -- SR Urs
Meier (Sz). -- Tor: 75. Ballack 0:1.
Südkorea: Lee Woon-Jae; Choi Jin-Cheul (54. Lee Min-Sung), Hong
(81. Seol), Kim Tae-Young; Song, Yoo, Lee Chun-Soo, Park, Lee Young-
Pyo; Cha Doo-Ri, Hwang (55. Ahn).
Deutschland: Kahn; Frings, Linke, Ramelow, Metzelder; Schneider
(85. Jeremies), Hamann, Ballack, Bode; Klose (70. Bierhoff),
Neuville (88. Asamoah).
Bemerkungen: Beide Teams komplett. Verwarnungen: 71. Ballack
(Foul, im Final gesperrt). 85. Neuville
(Unsportlichkeit/»Schwalbe»). 93. Lee Min-Sung (Foul).
(bb/news.ch)