Beibehaltung der Pauschalsteuer als Bekenntnis zum Föderalismus
Bern - Das Nein zur Abschaffung der Pauschalbesteuerung wird von den Kommentatoren in den Medien als Bekenntnis zum Föderalismus und zur Steuerautonomie der Kantone interpretiert. Ab und an ertönt auch der Ruf zu einer konsequenteren Anwendung des Steuerprivilegs.
Das Volk hat der Versuchung widerstanden, im Namen einer plakativen «Gerechtigkeit» das steuerpolitische Handlungsfeld der Kantone zu beschneiden. Nicht der Fortbestand der Pauschalbesteuerung ist das Erfreulichste an dem Votum - sondern es ist die Tatsache, dass eine Bevormundung der Kantone abgewendet wurde. Dies gilt besonders deshalb, weil gerade solche Kantone überstimmt worden wären, die sich sowieso häufig mit einer Minderheitsposition abfinden müssen.
«Tages-Anzeiger»:
Die kleine AL hat mit dem kleinsten Budget aller drei Volksinitiativen das beste Resultat erzielt. Dieses Resultat war nur möglich, weil die AL einen Nerv getroffen hat; die Schweizerinnen und Schweizer sind in den vergangenen Jahren stark auf Ungerechtigkeiten sensibilisiert worden - durch jede Meldung über Boni, die in keinem Verhältnis zur erbrachten Leistung stehen, durch jede Nachricht von Tiefststeuern, die in keinem Verhältnis zum hohen Einkommen und Vermögen sind.
«Der Bund»:
Die Stimmberechtigten haben sich mit dem Nein für die Beibehaltung der föderalistischen Lösung ausgesprochen: Kantone, die von der Pauschalbesteuerung einen Nutzen haben, können sie behalten. Die steuerliche Vorzugsbehandlung von reichen Ausländern gegenüber «normalsterblichen» Schweizern ist in der Mehrheit der Fälle nicht so krass, wie es die Befürworter der Initiative dargestellt haben. Allerdings bleibt gerade bei Superreichen der Verdacht, dass sich der Fiskus manchmal mit Brosamen abspeisen lässt. Die Steuerbehörden sollten ihre Kontrollen deshalb verstärken. Sonst bleibt der Eindruck, dass mit ungleichen Ellen gemessen wird.
«Berner Zeitung»:
Aus einer föderalistischen Sicht ist es erfreulich, dass weiterhin die einzelnen Kantone selber entscheiden können, ob sie mit der Pauschalsteuer um reiche Ausländer werben wollen oder nicht. Linke Politiker haben mehrfach behauptet, in der Region Saanen-Gstaad und anderen «Hotspots» litten viele Einheimische unter der Pauschalsteuer. Nun, am Sonntag stimmten im Obersimmental-Saanenland 88 Prozent gegen die Abschaffung der Pauschalsteuer. Damit ist alles gesagt.
«Neue Luzerner Zeitung»:
Ein Grund für das Scheitern der Initiative waren die unsicheren Auswirkungen auf die Steuereinnahmen. Insbesondere Berggebiete, die abgesehen von der Pauschalbesteuerung wenig Trümpfe bei der Steuerattraktivität vorweisen können, hätten wohl Einnahmeausfälle verkraften müssen. Entsprechend deutlich war in diesen Gebieten die Ablehnung. Erstaunlicher ist, dass auch die Kantone, in denen die Pauschalbesteuerung abgeschafft wurde, die Initiative mehrheitlich ablehnten obwohl keine negativen Auswirkungen zu befürchten waren. Das zeigt, dass das Nein nicht in erster Linie ein Bekenntnis zur Pauschalbesteuerung ist. Vielmehr haben die Stimmbürger eine Lanze für den Föderalismus gebrochen.
«Blick»:
Drei Mal Nein und eine Siegerin: die Schweiz. Wir wissen nun drei Dinge. Erstens: die Schweizer wollen die Einwanderung selber steuern können, wie sie das Anfang Jahr an der Urne kundgetan haben. Aber sie wollen keinen Infarkt der Wirtschaft, der Wohlstand und Sozialstaat ernsthaft gefährden würden. Das Volk will zweitens einen starken Franken und keine Spekulanten an der Gurgel der Nationalbank. Und der Souverän will drittens, dass die Steuerhoheit dort bleibt, wo sie historisch hingehört: bei den Kantonen und Gemeinden.
«Nordwestschweiz» / «Südostschweiz»:
Linke können erfolgreich Referenden lancieren, doch mit ihren Initiativen erleiden sie an der Urne fast immer Schiffbruch: Diese Regel hat sich gestern einmal mehr bestätigt. ... Vielleicht haben sich die Befürworter auch davon blenden lassen, dass zwar fünf Kantone - darunter Zürich - die Pauschalbesteuerung abgeschafft haben, im gleichen Zeitraum aber in sieben weiteren Kantonen, das Instrument an der Urne bestätigt wurde. Ein Faktum, das in den öffentlichen Diskussionen übersehen wurde. Trotz Gerechtigkeitsbedenken: Die Pauschalbesteuerung geniesst Rückhalt. Dazu beigetragen hat sicherlich auch, dass einige Kantone und nun auch der Bund auf Druck der Initiative die Spielregeln für die Besteuerung nach Aufwand verschärft haben. Pauschalbesteuerte werden stärker zur Kasse gebeten. Dies ist, trotz der Niederlage an der Urne, der Erfolg der Initianten. Sie haben eine heilsame Diskussion ausgelöst.
«Basler Zeitung»:
Die Stimmbevölkerung hat sich einmal mehr nicht von der Neidrhetorik der Initianten verführen lassen. Die Pauschalsteuer-Initiative erleidet deutlicher Schiffbruch, als es von den Auguren erwartet worden war. ... Das Votum ist ein Ja zur kantonalen Steuerhoheit und zum Steuerwettbewerb. ... Die Pauschalsteuer wäre nicht nötig, wenn wir einen Staat hätten, der sich auf das Wesentliche beschränkt. Dann wären tiefere Steuern für alle möglich... Die Koalition der bürgerlichen Gegner der Initiative aus SVP, FDP, CVP und BDP müsste die Chance am Schopf packen und zumindest auf Bundesebene den Staat vom Ballast befreien, den er Jahr für Jahr mitschleppt, zum Beispiel die 36 Milliarden Franken Subventionen pro Jahr, oder die überdimensionierte Bundesverwaltung.
«Landbote»:
Die politische Debatte über die steuerliche Sonderbehandlung von Ausländern ist mit dem gestrigen Urnengang beendet. In ihrer Anwendung hat die Pauschalbesteuerung aber punktuell noch gewissen Verbesserungsbedarf. So muss insbesondere sichergestellt werden, dass die Steuerbehörden die Voraussetzungen für die Erhebung von Pauschalen konsequent einhalten. Beispiele, die in der Abstimmungsdiskussion genannt wurden, weckten Zweifel, ob dies überall der Fall ist.
«St. Galler Tagblatt»:
Offensichtlich hat bei der Abstimmung das föderale Herz gesprochen. Und vielleicht auch die Sorge um den nationalen Zusammenhalt: Nach der Erschütterung durch die Zweitwohnungs-Initiative und dem Krach um Frühfranzösisch mögen sich viele gesagt haben, die Forderung nach Steuergerechtigkeit rechtfertige eine erneute Provokation der lateinischen Schweiz und der Bergkantone nicht. ... Viele haben sich vielleicht auch gefragt, warum sie ohne Not einen Wirtschaftsfaktor aufgeben sollten, nachdem andere Länder ähnliche Modelle anbieten und die Schweiz bei der Pauschalsteuer (fast) keinem äusseren Druck ausgesetzt ist. ... In solchen Situationen kommt die Reinheit der Lehre nach dem pragmatischen Blick ins Portemonnaie.
«Watson»:
Ein Unbehagen über die steuerliche Privilegierung von reichen Ausländern bleibt, darauf deutet auch der relativ hohe Ja-Anteil von 40 Prozent hin. Deshalb wollen Bund und Kantone die Pauschalbesteuerung verschärfen. Ein Patentrezept ist dies nicht, das zeigen erste Erfahrungen im Kanton Thurgau. Richtig ist dieser Schritt trotzdem, und man sollte noch weiter gehen. So dürfen nach Aufwand besteuerte Personen in der Schweiz eigentlich nicht erwerbstätig sein. In der Praxis handelt es sich um einen Gummiparagrafen. Der russische Oligarch Viktor Vekselberg oder der österreichische Investor Peter Pühringer profitieren vom Steuerprivileg, obwohl sie hierzulande im grossen Stil unternehmerisch aktiv sind. Dies ist der blanke Hohn.
(jbo/sda)
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