Berlusconi will Wahlrecht ändern

Oppositionsführer Romano Prodi spricht von einer «Schande für die Verfassung» und kündigte eine Boykottpolitik im Parlament an. Das Parlament in Rom beginnt morgen Dienstag Beratungen über einen Gesetzentwurf. Demnach soll zum Urnengang im Frühjahr das Mehrheitswahlrecht abgeschafft und die Verhältniswahl wieder eingeführt werden. Bereits am Montag lagen 540 Änderungsanträge vor.

Prodi wirft dem Mitte-Rechts-Lager vor, es wolle das Wahlrecht ändern, um so eine drohende Niederlage bei der nächsten Parlamentswahl abzuwenden, die für April geplant ist. Nach Umfragen liegen die Mitte-Links-Parteien in der Wählergunst deutlich vorn.

Mehrheit trotz Stimmenverlusten

Unabhängige Wahlexperten errechnen, die vorgeschlagene Wahlrechtsänderung könne dem Berlusconi-Lager selbst bei deutlichen Stimmenverlusten die Mehrheit der Parlamentssitze sichern. Kritiker sprechen daher offen von «Betrug». Am Sonntag protestierten in Rom Zehntausende Menschen gegen die Pläne der Regierung.

Kommentatoren in Rom meinen, nach den «Gepflogenheiten der Demokratie» müssten Änderungen des Wahlrechts im Einvernehmen zwischen Regierung und Opposition erfolgen.

Suspekt: Wahlrechtsänderung kurz vor der Wahl

Bei der Abschaffung des Verhältniswahlrechts Anfang der 90er Jahre habe es zudem eigens ein Referendum gegeben. Zudem meinen Kritiker, das Wahlrecht dürfe nicht so kurz vor einem Urnengang geändert werden.

Der Vorschlag der Regierung sieht die Rückkehr zu einem vollständigen Verhältniswahlrecht samt einer Sperrklausel für kleine Parteien vor. Ein «Bonus» für den Wahlsieger soll klare Mehrheiten im Parlament garantieren.

Derzeit werden drei Viertel der Abgeordneten durch Mehrheitswahlrecht, ein Viertel durch Verhältniswahl bestimmt. Mit Blick auf Kritiker in den eigenen Reihen drohte Berlusconi kürzlich mit dem Bruch der Koalition, falls die Wahlrechtsreform nicht rechtzeitig durchs Parlament komme.

(fest/sda)