Berner Kunstmuseum tritt Gurlitt-Erbe an

«Entartete Kunst» kommt nach Bern - Raubkunst bleibt in Deutschland

publiziert: Montag, 24. Nov 2014 / 11:26 Uhr / aktualisiert: Montag, 24. Nov 2014 / 17:45 Uhr
Das Kunstmuseum Bern hat sich entschieden.
Das Kunstmuseum Bern hat sich entschieden.

Bern - Mehr als ein halbes Jahr nach dem Tod von Cornelius Gurlitt gibt es eine Lösung für seine Kunstsammlung: Das Kunstmuseum Bern nimmt das Erbe an. Hunderte Werke bleiben aber einstweilen wegen Raubkunstverdacht in Deutschland. Ihre Herkunft wird weiter erforscht.

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Stiftungsratspräsident Christoph Schäublin unterzeichnete am Montag in Berlin eine entsprechende Vereinbarung mit dem deutschen Staat und dem Freistaat Bayern. Die Regelung wurde unter anderem von der Schweizer Landesregierung und von jüdischen Organisationen ausdrücklich begrüsst.

Insgesamt stehen rund 500 der mehr als 1500 Werke unter Raubkunstverdacht. Die Experten der Taskforce "Schwabinger Kunstfund" werden ihrer Herkunft weiter nachgehen. Bern wird sich mit einer eigenen Expertengruppe an der Provenienzforschung beteiligen.

Deutschland sagte zu, die Kosten für die Rückgabe und für mögliche Streitfälle zu übernehmen. "Wir wollen unserer besonderen deutschen Verantwortung gegenüber den Opfern der NS-Diktatur nicht nur rechtlich, sondern auch moralisch gerecht werden", sagte Kulturstaatsministerin Monika Grütters vor den Medien.

Unter keinen Umständen werde ein Raubkunstwerk nach Bern kommen, betonte Stiftungsratspräsident Schäublin. "Diese Bilder werden nie über die Schwelle des Kunstmuseums kommen, noch nicht einmal auf Schweizer Boden."

Anders sieht es mit den etwa 480 Werken aus, die von den Nazis als "entartet" verfemt und aus deutschen Museen entfernt wurden. Diese Werke sollen zusammen mit dem unproblematischen Rest der Sammlung nach Bern gehen.

Das Kunstmuseum hat sich in der Vereinbarung aber bereit erklärt, Leihanfragen von Museen aus Deutschland, Österreich und Polen prioritär zu behandeln. So könnte "entartete Kunst" dereinst in die ursprünglichen Museen zurückkehren.

Einstimmiger Entscheid

Kunstsammler Gurlitt war im Mai verstorben. Seinen gesamten Nachlass vermachte er dem Berner Museum. Die Annahme des Erbes fiel dem Stiftungsrat nicht leicht, wie Präsident Schäublin am Montag einräumte. Schliesslich sei der Entscheid aber einstimmig gefallen.

Was in Bern einst zu sehen sein wird, ist offen. Rund 20 Topwerke der klassischen Moderne gehören zur Sammlung, doch sie stehen fast alle unter Raubkunstverdacht. Das Konvolut "entarteter Kunst" besteht fast ausschliesslich aus Aquarellen, Holzschnitten und Ähnlichem, wie Museumsdirektor Matthias Frehner sagte.

Auch zwei "sehr schöne Arbeiten" von Paul Klee kommen nach Bern, ebenso Werke von Wassily Kandinsky, Otto Dix und Georges Grosz. Einige Werke sollen bald nach Bern gebracht und möglichst schon 2015 gezeigt werden.

Positive Reaktionen

Erste Reaktionen auf die Vereinbarung mit Deutschland und Bayern fielen positiv aus. In Bern begrüsste der Bundesrat, dass die Vereinbarung den internationalen Raubkunst-Richtlinien entspreche. Der Schweiz sei es sehr wichtig, dass Kunstwerke aus Raubkunst ihren rechtmässigen Eigentümern rasch zurückgegeben würden.

Drei Werke sind bisher von der Taskforce als Raubkunst identifiziert worden. Gurlitts Geschäftsbücher und damit eine Nachlass-Liste sollten noch am Montag in der Online-Datenbank "Lostart" veröffentlicht werden.

"Das Erbe wird uns fordern, aber wir erhalten eine historische Chance", sagte der bernische Kulturdirektor Bernhard Pulver, der an der Konferenz in Berlin ebenfalls zu Wort kam. Er lobte die "sorgfältige Abwägung und den Mut" des Kunstmuseums.

Auch Schweizer Juden begrüssten die Absicht, die Nachforschungen über Raubkunst "auf vorbildliche Weise" durchzuführen. Der Jewish Claims Conference, der viele jüdische Erben vertritt, forderte von der Taskforce eine schnellere Bearbeitung der Fälle.

Drohender Rechtsstreit

Unklar ist noch, ob es vor der weiteren Aufarbeitung der Sammlung zu einem juristischen Hin und Her kommt: Eine Cousine Gurlitts ficht das Testament an. Stiftungsratspräsident Schäublin sieht dem gelassen entgegen, wie er der Nachrichtenagentur sda sagte.

(fest/sda)

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