Biotreibstoffe - besser als ihr Ruf

publiziert: Mittwoch, 11. Apr 2012 / 12:47 Uhr
Dr. Michael Studer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Verfahrenstechnik der ETH Zürich
Dr. Michael Studer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Verfahrenstechnik der ETH Zürich

Biotreibstoffe werden in der Schweizer Medienlandschaft kontrovers und oft mit Betonung auf den möglichen negativen Aspekten diskutiert. Doch es gibt auch «gute» Biotreibstoffe.

2 Meldungen im Zusammenhang
Weiterführende Links zur Meldung:

Lesetipp: ETH Globe
Mehr zur Forschung und Arbeit von Dr. Michael Studer und Dr. Simone Brethauer im ETH Globe, dem Magazin der ETH Zürich (Nr.2/2011, ab Seite 25)
ethz.ch

Das heutige Transportwesen ist praktisch komplett abhängig von Erdöl und trägt global 23% zu den klimaschädlichen fossilen CO₂-Emissionen bei1. Ausserdem ist Öl eine endliche Ressource. Aus diesen Gründen brauchen wir möglichst bald alternative und umweltfreundliche Energieträger.

Während ein beträchtlicher Teil des Kurzstrecken-Individualverkehrs in Zukunft elektrifiziert werden kann, wird auf absehbare Zeit für den Schwer- und Luftverkehr ein flüssiger Treibstoff notwendig bleiben. Biotreibstoffe - Treibstoffe auf der Basis von Pflanzenmaterial - werden mittelfristig die einzige Alternative zu fossilem Öl in Bezug auf Kosten und Verfügbarkeit sein2. Welches sind aber die «guten» Biotreibstoffe? Schliesslich gibt es eine Vielzahl von Treibstoffen aus erneuerbaren Rohstoffen - nicht nur DEN Biotreibstoff.

Biotreibstoff ist nicht gleich Biotreibstoff

Für eine Bewertung der verschiedenen Biotreibstoffe ist wichtig, dass der jeweils gesamte Herstellungszyklus analysiert wird, was im anfänglichen Enthusiasmus für Biotreibstoffe zu wenig beachtet wurde. Biodiesel aus Palmöl, welches von Plantagen auf extra dafür abgeholzten Regenwaldflächen stammt, ist beispielsweise sicher nicht umweltverträglich. Hingegen weist Bioethanol auf Basis von Holzabfällen eine hervorragende Ökobilanz auf3. Mittlerweile hat die Politik erkannt, dass verschiedene Biotreibstoffe verschiedene Vor- oder Nachteile haben und explizite Nachhaltigkeitskriterien festgelegt, damit Biotreibstoffe steuerbefreit sind (Schweiz) beziehungsweise den verbindlichen Beimischungsquoten angerechnet werden (EU und USA). Die Energie- und Treibhausgasbilanz eines Biotreibstoffes wird massgeblich von der verwendeten Biomasse bestimmt. Generell schneiden Abfallbiomassen (z.B. Waldrestholz, Stroh) gut ab, gefolgt von mehrjährigen Energiepflanzen, welche mit wenig Input einen hohen Biomasseertrag auf marginalen oder ungenutzten Flächen erbringen. Zudem konkurrenzieren diese Rohstoffe nicht die Lebens- und Futtermittelproduktion.

Biotreibstoffe können auch in der Schweiz produziert werden

In der Schweiz ist Waldrestholz eine vielversprechende Rohstoffquelle für Biotreibstoffe, denn rund 50% der nachhaltig nutzbaren Holzmenge bleiben zur Zeit im Wald zurück - das sind jährlich rund 2 Millionen Kubikmeter Holz4. Daraus liessen sich zum Beispiel 0.5 Millionen Tonnen Ethanol herstellen. Das entspräche immerhin der Energie von 11% des jährlich in der Schweiz verbrauchten Benzins oder einem Beitrag von 37% zu den laut Kyoto-Protokoll zu senkenden CO₂-Emissionen - und dies wäre erst noch ein Beitrag im Inland! Zudem stellt eine einheimische Biotreibstoffproduktion eine Chance für die Diversifizierung der Schweizer Forst- und Landwirtschaft dar.

Senkung der Herstellungskosten ist notwendig

Die Vorteile der Biotreibstoffe der 2. Generation (Rohstoff: Lignozellulose) kommen allerdings nur dann zum Tragen, wenn die Biotreibstoffe wirtschaftlich produziert werden können und für den Endverbraucher eine billigere Alternative zu fossilen Treibstoffen oder zu Biotreibstoffen der 1. Generation (Rohstoff: Stärke, Zucker) darstellen. Dementsprechend formuliert die Schweizerische Energieforschungskommission CORE in ihrem Energieforschungskonzept unter anderem das Ziel, die «Mobilität der Zukunft» zu entkarbonisieren, indem die Herstellungskosten für Ethanol aus Lignozellulose gesenkt werden5. Auch wir arbeiten in unserem Labor daran, und entwickeln ein biotechnologisches Verfahren, in dem ein Konsortium von industrieerprobten Mikroorganismen die direkte Umsetzung der Lignozellulose zu Ethanol in einem einzigen Reaktor ermöglicht.

1http://www.iea.org/co2highlights/co2highlights.pdf

2Ragauskas AJ, et al. (2006) The path forward for biofuels and biomaterials. Science 311 (5760):484-489.

3Zah R, et al. (2010) Future perspectives of 2nd generation biofuels (vdf Hochschulverlag, Zürich).

4Pauli B, et al. (2009) Holz als Rohstoff und Energieträger ? Dynamisches Holzmarktmodell und Zukunftsszenarien. (Schweizerische Eidgenossenschaft)

5Konzept der Energieforschung des Bundes 2013-2016 (Entwurf), Eidgenössische Energieforschungskommission CORE, UVEK (Schweizerische Eidgenossenschaft)

Zu den Autoren

Diesen Blogbeitrag hat Dr. Michael Studer gemeinsam geschrieben mit Dr. Simone Brethauer. Beide sind wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für Verfahrenstechnik der ETH Zürich und forschen im Rahmen von «SNF ambizione» im Gebiet der fermentativen Produktion von Chemikalien aus Stroh und Holz.

(Dr. Michael Studer/ETH-Zukunftsblog)

Lesen Sie hier mehr zum Thema
Vor allem beim Anbau der Pflanzen fallen andere Umweltbelastungen an.
Zürich/Bern - Nur wenige Biotreibstoffe sind in der Gesamtbilanz umweltfreundlicher als Benzin. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Empa, des PSI und der Agroscope, die eine im ... mehr lesen
.
Digitaler Strukturwandel  Nach über 16 Jahren hat sich news.ch entschlossen, den Titel in seiner jetzigen Form einzustellen. Damit endet eine Ära medialer Pionierarbeit. mehr lesen 22
Mit Biogas betriebene Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen (WKK) können fluktuierenden Solarstrom kompensieren und Gebäude beheizen.
Mit Biogas betriebene ...
Eine zentrale Herausforderung der Energiewende ist es, die schwankende Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen auszugleichen. Eine Machbarkeitsstudie zeigt nun für drei Schweizer Kantone auf, wie ein Verbund von Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen kurzfristige Engpässe überbrücken und Gebäude mit Strom und Wärme versorgen kann. mehr lesen 
Vor rund hundert Jahren begann die Industrialisierung der Landwirtschaft - heute erleben wir den Beginn ihrer Digitalisierung. Damit die Big-Data-Welle den Bauer nicht vom Acker schwemmt, sondern ihn optimal unterstützt, gilt es, das Feld früh zu bestellen und Marken zu setzen, damit die digitale Landwirtschaft die richtigen Fragen adressiert. mehr lesen  
Die Schweizer Wasserkraft darbt. Die Ursache dafür sind letztlich Verzerrungen im europäischen Strommarkt. Nun diskutiert die Politik Subventionen für die Grosswasserkraft. Allfällige Rettungsaktionen sollten ... mehr lesen
Wie werden Wasserkraftwerke wieder rentabel?
Climate change has been communicated as a global concern affecting all of mankind; but this message doesn't seem to be getting through.
Climate change has been communicated as a global concern affecting all of mankind; but this message doesn't seem to be getting through. If indeed the human brain responds better to experience ... mehr lesen  

Fakten und Meinungen zu Nachhaltigkeit

Der Zukunftsblog der ETH Zürich nimmt aktuelle Themen der Nachhaltigkeit auf. Er bietet eine Informations- und Meinungsplattform, auf der sich Expertinnen und Experten der ETH zu den Themenschwerpunkten Klimawandel, Energie, Zukunftsstädte, Welternährung und Natürliche Ressourcen äussern. Prominente Gäste aus Forschung, Politik und Gesellschaft tragen mit eigenen Beiträgen zur Diskussion bei.

Lesen Sie weitere Beiträge und diskutieren Sie mit auf: www.ethz.ch/zukunftsblog

Viele Start-ups in der Schweiz haben sich dem Umweltschutz verschrieben.
Green Investment Start-ups für die Nachhaltigkeit aus der Schweiz Kaum ein anderes Land in Europa ist beim ...
 
Stellenmarkt.ch
Kreditrechner
Wunschkredit in CHF
wetter.ch
Heute Fr Sa
Zürich 0°C 12°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt wolkig, aber kaum Regen
Basel 5°C 14°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen wolkig, aber kaum Regen
St. Gallen 1°C 9°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich wechselnd bewölkt
Bern 0°C 11°C starker Schneeregenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich wolkig, aber kaum Regen
Luzern 1°C 12°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt wolkig, aber kaum Regen
Genf 5°C 13°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt wolkig, aber kaum Regen
Lugano 6°C 10°C wechselnd bewölkt, Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig anhaltender Regen anhaltender Regen
mehr Wetter von über 8 Millionen Orten