Cash enhüllt: Kopilot der Crossair- Unglücksmaschine versagte im Test

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Von Markus Gisler

Bei der Frage nach der Absturzursache der Crossair-Maschine auf dem Flug LX 498 vom 10. Januar tritt immer deutlicher zu Tage: Das Management hat das Wachstum der Airline nicht verkraftet und musste Klimmzüge anwenden, um den Betrieb überhaupt noch sicherstellen zu können. Kein Wunder, denn innert fünf Jahren nahm die Zahl der Flüge um über 100 Prozent zu (rote Grafik). Die beiden von Philippe Bruggisser angeordneten internen Audits über die Abläufe (Flugbetrieb, Wartung usw.) und über das Management-Informationssystem sind zwar noch nicht abgeschlossen, doch bereits sickern erste Ergebnisse durch. Es gab oder gibt Mängel in der Wartung. Die Mängellisten werden immer länger, und die Crossair hat Mühe, genügend Mechaniker zu finden.

Kopilot im Psychotest
Ein neuer Fall von Nonchalance wirft noch ein grelles Licht auf das Management. Trotz negativem Befund von Psychologen wurde der Kopilot der Unglücksmaschine, Rastislav Kolesar, angestellt. Das kam so: Am Dienstag, 24. August 1999, waren bei der Crossair in Zürich wieder einmal umfangreiche Persönlichkeitsanalysen mit Piloten-Kandidaten angesagt, so genannte Assessments. Sie sind kein Schleck für die Teilnehmer. An einem einzigen Tag müssen die Kandidaten gleich drei Tests absolvieren. In einer Achtergruppe ist auch Rastislav Kolesar aus der Slowakei. Die Assessments sollen die Charaktereigenschaften ergründen. Es wird abgeklärt, ob der Kandidat über die geforderte soziale und unternehmerische Kompetenz verfügt, wie er auftritt, ob er teamorientiert arbeiten kann, wie er Probleme anpackt und – nicht unwichtig – ob er in Stresssituationen die Übersicht behält. Und so sind die drei Tests angesetzt: Gruppenassessment: Zuerst wird den acht Kandidaten eine Aufgabe gestellt, die sie gemeinsam in der Gruppe lösen müssen. Dabei werden sie von vier Fachleuten (Assessoren) beobachtet. Sie wollen wissen, wer die Führung übernimmt, wie die Kandidaten im Team reagieren, wie sie kommunizieren, kurz: Das Sozialverhalten wird geprüft.

Einzelassessment: Nach der Gruppenübung wird jeder Kandidat von zwei der Assessoren in einem Einzelassessment beobachtet. Auch hier muss er eine Aufgabe lösen. Psychologisches Gutachten: Der dritte Test versucht der psychologischen Grundstruktur auf die Spur zu kommen. Die Durchführung dieses Psychotests hat die Crossair an Martin Schwitter beziehungsweise dessen Firma Management Linking Services vergeben. Schwitter, der gegenwärtig im Ausland weilt, zieht für die Tests jeweils noch eine diplomierte Psychologin bei. Bei diesem Psychotest hat der Unglückskopilot Kolesar nach Ansicht der Psychologen in entscheidenden Bereichen völlig ungenügend abgeschnitten. Quellen bestätigen, Kolesar habe vor allem in Stresssituationen die Tendenz gehabt, die Übersicht zu verlieren. Dies erachten die Psychologen bei Piloten als einen zentralen Mangel, den die Gutachter in ihrem Bericht festhielten.

André Dosé, Crossair-Flugbetriebsleiter, bestätigt auf Anfrage: «Ja, es hat ein paar negative Sachen im Gutachten.» Doch der oberste Pilotenchef hält gleichzeitig fest: «Es gibt auch sehr viel Positives darin zu lesen, Kolesar lieferte alles in allem ein durchschnittliches Resultat.» Klar ist: Die Interpretation des Tests ist subjektiv. Anscheinend waren für die Psychologen die Aussagen so deutlich, dass es für die Crossair-Verantwortlichen klar hätte sein sollen, Kolesar abzuweisen. Das Management hatte Kolesar trotzdem angestellt. Die Schwestergesellschaft Swissair dagegen verhält sich in ähnlichen Fällen offenbar konträr. Der Meinung von Psychologen werde ein hohes Gewicht beigemessen. Man wolle auf keinen Fall ein Risiko eingehen, hiess es bei der Swissair auf Anfrage. Der Bericht der Psychologen liegt wie alle andern Angaben über die Assessments beim Büro für Flugunfall, das den Crossair-Absturz untersucht. Seit längerem halten auch Spekulationen an, Crossair-Boss Moritz Suter beabsichtige, die operative Leitung der Crossair abzugeben. Als Nachfolger war der Marketingverantwortliche Richard Hardecker im Gespräch. Doch offenbar hat sich das Verhältnis zwischen Suter und Hardecker wieder abgekühlt. Wenn voraussichtlich im April die Ergebnisse der angeordneten internen Audits vorliegen und sich darin die Mängel bei der Rekrutierung von Piloten und bei der Wartung bestätigen sollte, könnte der erfolgsgewohnte Moritz Suter die operative Leitung rascher in jüngere Hände legen (müssen), als er geplant hat. Ursprünglich wollte er die Leitung bis Ende 2001 behalten. Bei aller Kritik an der Crossair darf nicht vergessen werden, dass die SAir-Gruppe das problematische Wachstum nicht nur duldet, sondern auch verursacht. Aus Kostengründen tritt sie laufend Strecken an ihre Schwester ab. Auch Philipp Bruggisser muss sich überlegen, ob er die Crossair nicht überfordert.

(ba/sda)