Darwins wichtigste Lehre

publiziert: Donnerstag, 12. Feb 2009 / 11:14 Uhr / aktualisiert: Donnerstag, 12. Feb 2009 / 12:24 Uhr

Weiterführende Links zur Meldung:

Digitale Lebewesen
Bericht über die Simulation der Evolution im Computer
discovermagazine.com

Evolution in der Mathematik
Bericht über evolutionäre Algorithmen in der Mathematik
derstandard.at

Materialsammlung zum Darwin-Jahr
Viele Links und Hintergrundberichte
darwinjahr.de

Kolumne zum blinden Fleck und mehr

news.ch

Wenn am Erscheinungstag dieser Kolumne der 200. Geburtstag von Charles Darwin begangen wird, ist dies für die Wissenschaft ein grossartiger, symbolträchtiger Tag. Mit dem Darwinismus wurde eine wissenschaftliche Theorie (und mehr als eine Theorie wird in der Wissenschaft nie etwas: auch die Gravitation und die Plattentektonik sind 'nur' Theorien) in die Welt gebracht, die eine unglaubliche Anzahl von Fragen beantwortete und bis heute immer und immer wieder bestätigt wurde.

Sei es durch unzählige Fossilien, durch genetische Gemeinsamkeiten unter entferntesten Verwandten im Tier- und Pflanzenreich, sei es durch den ständigen Kampf der Medizin mit sich unglaublich schnell an Medikamente anpassende Mikroorganismen. Vor allem lassen sich nirgends Widersprüche finden: Die Fossilien in den verschiedenen geologischen Schichten treten chronologisch so auf, wie es zu erwarten wäre. Auf einfache folgen immer spezialisiertere Organismen, die aber bei den immer wieder auftretenden Massenaussterben ausgelöscht werden. Übrig blieben Generalisten, die sich wiederum in verschiedenste, spezialisierte Tierarten auseinander entwickelten.

Vor allem lassen sich auch – wie hier schon eimal in einer Kolumne dargelegt – diverse Konstruktionsfehler durch die Evolution hervorragend erklären. Das menschliche Auge – von Kreationisten immer wieder als Beweis für die «nicht reproduzierbare Komplexität» biologischer Systeme angeführt – ist, so gut es uns auch scheint, eine Konstruktion, die von keinem Ingenieur in Produktion gegeben würde. Die Nerven, die aus den Sehzellen hinaus führen, verlaufen VOR diesen und müssen beim sogenannten «Blinden Fleck» durch die Schicht der Sehzellen aus dem Auge hinaus geführt werden. Die Evolution kann diese Fehlkonstruktion aber schlüssig erklären: bei den ersten «Augen» unserer frühen Vorfahren spielten nach vorne wegführende Nerven keine Rolle, da nur einzelne lichtempfindliche Zellen vorhanden waren. Als sich die aber weiter entwickelten, musste die Natur weiter mit dem vorhandenen Bauplan arbeiten – eine Neu-Erfindung stand nicht zu Debatte und nun haben eben Tintenfische, deren Vorfahren sich scheinbar vor der Entwicklung der allerersten Ur-Augen von unserem Stammbaum verabschiedet haben, perfekte Linsenaugen mit hinten angeschlossenen Sehnerven...

Doch die Evolution funktioniert nicht nur bei Lebewesen. Eine Computersimulation wurde mit mathematischen «Lebewesen» bevölkert. Diese ernährten sich von Nummern, paarten sich und konnten dabei auch mutieren. Diese Wesen entwickelten sich, ohne dass in den Code der «Tiere» selbst eingegriffen wurde, immer komplexere Verhaltensweisen. Das ging so weit, dass sich, nach der Einführung eines Killerprogrammes, das alle aktiven Lebewesen umbrachte, sich manche dieser Progrämmchen 'tot' stellten, wenn der Killer gestartet wurde. War er weg, erwachten sie wieder zu ihrem elektronischen «Leben», als hätten sie gewusst, was auf dem Spiel stand.

Während dies noch wie eine Spielerei tönt, sorgen Algorithmen, die nach evolutionären Regeln geschrieben werden, im Alltag und in der Industrie für grössere Effizienz und Ersparnis von Zeit und Energie. Ob dies nun Ampelschaltungen in Ingolstadt sind, welche dank evolutionärer Auswahl über 30 Prozent der Wartezeiten abbauten, oder Industrieroboter, die dank sich selbst anpassender Software sich selbständig zu optimieren vermögen: Der Mechanismus, das am besten angepasste Programm sich weiter entwickeln zu lassen, bringt Fortschritt, ohne dass jemand aktiv ins Programm eingreifen muss.

Dies alles ändert nichts daran, dass sich immer noch viele Gläubige nicht an eine Evolution ohne Schöpfer gewöhnen können. Zu viele Dinge scheinen ihnen unbegreiflich – wie zum Beispiel die Tatsache, dass viele Leute an eine höhere Macht glauben wollen, ja scheinbar müssen. Doch selbst hier haben Evolutionsforscher eine Erklärung gefunden. Der Glaube an eine höhere Autorität hat evolutionäre Vorteile: In einer grösseren Gruppe von Menschen kann so über die Blutsverwandtschaft hinaus ein konformes Verhalten erzeugt werden. Wer den Priestern und an die Götter (oder den einen Gott) glaubt, wird sich bemühen, einigermassen nach diesen Regeln (die meist auch eine Pflicht zur möglichst zahlreichen Vermehrung einschliessen), zu Leben. Der evolutionäre Vorteil ist offensichtlich – auch wenn Individualisten heute ganz gut leben können – stammesgeschichtlich ist Konformismus und ein neurologischer Mechanismus, der diesen bestärkt, weitaus sinnvoller.

Doch natürlich: ein abschliessender, endgültiger Beweis wird nie erbracht werden können – dies ist das Wesen der Wissenschaft, die nur nach dem beseitigen von Wissenslücken streben kann. Darwin und sein Lebenswerk haben zur Beseitigung dieser Lücken unglaublich viel beigetragen – nicht zuletzt die Erkenntnis, das wir lediglich ein Teil unserer Biosphäre und deshalb weder unverwundbar noch unersetzlich sind. Darüber und dass wir die Welt, auf der wir leben, schon aus rein egoistischen Gründen schützen sollten, können sich hoffentlich alle einig sein – ob sie Darwins Geburtstag nun feiern oder verdammen mögen.

(von Patrik Etschmayer/news.ch)

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