Das Leben als Terrorwarnung

publiziert: Montag, 4. Okt 2010 / 15:30 Uhr

Die aktuelle Terrorwarnung für Europa kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die Erinnerungen an die Terrorattacken von Madrid und London gerade zu verblassen beginnen. Dabei müsste man viel eher an den Angriff auf die Hotels von Mumbai vor zwei Jahren zurück denken, waren es doch jene, die momentan als Musterbeispiel für effizienten Terror gelten dürften.

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«Effizienter Terror» als Ausdruck mag reichlich zynisch tönen, doch bei einem so zynischen Konfliktmittel wie Terror ist Effizienz von entscheidender Wichtigkeit. In Mumbai schaffte es eine Handvoll gut ausgebildeter Kombatanten, die Stadt drei Tage lang in Atem zu halten, bis die letzten der Terroristen von Spezialeinheiten getötet werden konnten.

Die zehn pakistanischen Angreifer brachten am Ende mindestens 166 Menschen um und legten eine der grössten Metropolen der Welt praktisch lahm. Die ohnehin belasteten Beziehungen Indiens zu Pakistan wurden zusätzlichem Stress ausgesetzt und jede Annäherung zwischen den beiden Ländern war für einige Zeit erfolgreich torpediert worden.

Auch wenn neun der zehn Angreifer am Ende tot waren, bleibt die Tatsache bestehen, dass Mumbai einer der grössten Erfolge des islamistischen Terrors war, denn ihre Mission hatten sie zweifellos erfüllt: Tod, Verzweiflung, Angst, Hass, Unsicherheit und Misstrauen zu sähen. So verwundert es nicht weiter, dass Osama Bin Laden laut Berichten des US-Radiosenders NPR Angriffe nach dem Muster von Mumbai auf verschiedene europäische Städte autorisierte und seine Zustimmung über Kuriere an verschiedene befreundete Terrorzellen weitergeben liess.

Doch dieser «Erfolg» - es dreht einem bei dieser Bezeichnung für Mord und Totschlag eigentlich fast den Magen um – ist auch den westlichen Geheimdiensten aufgefallen. Laut der auf islamistischen Terror spezialisierten Website «The Long War Journal» hatten diverse Geheimdienste schon seit einiger Zeit die Augen auf islamischen Konvertiten aus Europa, die sich in Pakistan zu Terroristen ausbilden liessen, bevor sie dann zurück in die Heimat geschickt werden.

Eine Kernperson in der ganzen Angelegenheit scheint Ahmed Siddiqui zu sein, ein afghanisch-stämmiger deutscher Bürger, der im letzten Juli verhaftet wurde und dessen Weg zum Jihad in der Hamburger Taiba-Moschee begonnen hatte, jenem zuvor als «Al Quds»-Moschee bekannten Gebetshaus, in dem Anfang des letzten Jahrzehnts ein gewisser Mohammed Atta ein und aus ging. Siddiqui kämpfte mit und war Gast diverser pakistanischer und afghanischer Terrornetzwerke und erhielt wegen seiner Nationalität und Verbindungen scheinbar auch Informationen über die geplanten Angriffe in Europa – Informationen die er bei Verhören nun offenbar Preis gegeben hat.

Es wird über die Glaubwürdigkeit der Aussagen noch diskutiert, aber grosse Einwände dagegen sind momentan noch nicht sichtbar. Dass dabei selbst fast ein Jahrzehnt nach 9/11 immer noch diese Hamburger Moschee ein Dreh- und Angelpunkt des islamistischen Terrors zu sein scheint, lässt die Behörden – auch wenn dieses Haus nun endlich geschlossen wurde – nicht sehr gut aussehen.

Ebenso gibt dies wieder den Stimmen Auftrieb, die konstatieren, dass der Islam nicht mit unserer Gesellschaft kompatibel ist und uns permanent bedroht. Die Terrorwarnungen geben diesen Stimmen recht, ebenso wie die in diesem Jahrzehnt verübten Anschläge, auch wenn diese schon einige Jahre zurück liegen.

Der Keil, den diese Anschläge und Pläne zwischen die Welten des Islam und den Rest der Welt treiben, verhärtet dabei nicht nur die Abneigung gegen den Islam, sie verhindern auch sehr erfolgreich, dass gemässigte, reformatorische Stimmen im Islam, welche die Religion aus dem Alltag zurückdrängen wollen, dort fast nur als Verräter wahrgenommen werden.

In einer globalisierten Welt wird dieses Problem bestehen bleiben, solange der Islam keine Aufklärung durchmacht, wie dies im Westen vor dreihundert Jahren passiert ist – eine Aufklärung die keineswegs schmerzlos und unblutig verlief. Leider ist im Moment nirgends eine solche Welle zu sehen und in den USA etabliert sich sogar eine unter dem Namen «Tea-Party» bekannte Gegenaufklärung der Fundamentalchristen.

Terror, Angst und Unsicherheit sind alles Mörder des freien Denkens, Freunde der Unterdrückung, Förderer des Hasses und Totengräber der Freiheit. Das mittelalterliche Denken der Islamisten und Fundamentalisten aller Couleur hat das grosse Ziel, die Welt wieder dort hin zu führen, wo das Licht des Wissens ausgeht und nur noch ein Buch zählen darf. Deshalb sollten uns die Terrorwarnungen nicht nur an den Schrecken erinnern sondern auch an eine Welt, in der dieser Schrecken nicht existiert, an die Möglichkeit, das die Angst überwunden werden könnte, so unwahrscheinlich dies auch scheint. Doch ohne diese Hoffnung wird das ganze Leben zu einer einzigen Terrorwarnung.

(von Patrik Etschmayer/news.ch)

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