Das neue geschichtliche Bewusstsein der Ostschweiz

publiziert: Freitag, 25. Jun 2010 / 09:15 Uhr / aktualisiert: Freitag, 25. Jun 2010 / 09:57 Uhr

Das geschichtliche Bewusstsein der Ostschweiz wandelt sich. Urkunden vom Stadtarchiv der reformierten Ortsbürgergemeinde werden mit den sechs Urkundenbüchern der katholischen Abtei St.Gallen zusammengeführt, aufgearbeitet und in dreizehn Bänden, im «Chartularium Sangallense» dokumentiert. Ein Schaffen, das vor 35 Jahren begonnen hat, welches für die Forscher und die Stadt-Geschichte neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Türen öffnet.

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Weiterführende Links zur Meldung:

Das virtuelle Urkundenarchiv Europas
Mehr zur Stadt St.Gallen im internationalen sehr angesehenen Urkundenarchiv Europas.
monasterium.net

Die Handschriften in der Stiftsbibliothek:
Die Stiftsbibliothek zählt seit 1983 zum UNESCO-Weltkulturerbe «Stiftsbezirk St.Gallen».
stiftsbibliothek.ch

Zusammen mit Dr. phil. iur. h.c. Otto P.Clavadetscher und Ursula Hasler bearbeitet PD. Dr. phil. Stefan Sonderegger das Chartularium Sangallense. Bei der vollständigen, neu überarbeiteten Sammlung von Urkunden des Kantons St.Gallen handelt es sich um die Neuarbeitung des «Urkundenbuchs der Abtei Sanct Gallen» aus dem 19. Jahrhundert. Bis zum jetzigen Zeitpunkt, nach 30 Jahren Arbeit, liegen die Bände III bis XI vor, welche die Zeit von 1000 bis 1397 abdecken.

Gegenüber dem alten «Urkundenbuch der Abtei Sanct Gallen» erfasst das Chartularium Sangallense weit mehr Dokumente. Der Anteil der neu erschlossenen Urkunden macht 40 Prozent aus. Damit korrigieren die neuen Bände das Bild der St.Galler Überlieferung massiv. Der weitaus grösste Teil dieser neu erschlossenen Urkunden sind privater Art, die in einem städtischen Bezug stehen. Dazu gehören Städtebünde, Verkauf- und Belehnungsurkunden, Urkunden zu Krediten, Strafrechtssachen und Urkunden, in denen der städtische Alltag fassbar wird (Baurechte, Nachbarschaftsstreitigkeiten usw.).

Dr. Sonderegger: «Wenn ich die Situation von den neu erschlossenen Quellen her beurteile, komme ich zu folgendem Schluss: Was die Lokal- und Regionalgeschichte angeht, muss die Darstellung des 14.Jahrhundert nach Vorliegen aller geplanten Bände des Chartualrium Sangalllense, was mit dem Schlussjahr 1411 in rund sechs Jahren der Fall sein wird, neu geschrieben werden.»

Stadt und Kloster waren auf gleicher Augenhöhe

«Denn die Sanktgaller Mittelalter-Geschichtsschreibung, die sich - zwangsläufig - auf das alte Urkundenbuch der Abtei Sanct Gallen stützt, war sich zu wenig bewusst, dass jenes als institutionelles Urkundenbuch konzipiert war und dass die Stadt und auch andere, das Kloster nicht direkt berührende Bereiche weitgehend ausgeblendet wurden. Die neu erschlossenen Urkunden zeigen, dass sich Stadt und Kloster Ende des 14. Jahrhunderts zumindest auf gleicher Augenhöhe befanden. Das war die Voraussetzung für den wirtschaftlichen «Take Off» der Stadt im 15. Jahrhundert zu einer der wichtigsten Textilhandelsstädte in ganz Europa bis zum ersten Weltkrieg. Ich freue mich, dass das Chartularium Sangallense die Grundlagen für neue Forschungen zur Geschichte von Stadt und Region zur Verfügung stellen kann.»

Das internationale Vorzeigeprodukt Chartularium Sangallense wird herausgegeben von der Herausgeber- und Verlagsgemeinschaft gleichen Namens, in der der Historische Verein des Kantons St.Gallen sowie das Staatsarchiv, das Stadtarchiv der Orstbürgergemeinde St.Gallen und das Stiftsarchiv St.Gallen vertreten sind. Das hoch angesehene Projekt ist auch online.

Ausführliche Bildlegenden:

Schiedmauer

Im 16. Jahrhundert legten sich das (katholische) Kloster und die (reformierte) Stadt St.Gallen auf Grenzen innerhalb der Stadt fest. Dabei wurden das Kloster und das innerhalb der Stadtummauerung zu diesem gehörende Gebiet säuberlich aus dem übrigen Stadtgebiet ausgeschieden. Die Grenze und das von ihr eingefasste Kloster-Gelände wurden «Stiftseinfang» genannt. Es handelte sich um einen abgeschlossenen Rechtsbezirk mit staatlicher Bedeutung, der ungefähr dem heutigen Stiftsbezirk entspricht. 1566/ 67 wurde im gegenseitigen Einvernehmen von Stadt und Abtei zwischen den beiden die so genannte Schiedmauer erbaut. Mit ihr war die Hoheitsgrenze des Stiftseinfangs definitiv und dauerhaft festgelegt. Die Schiedmauer machte den Stiftsbezirk zur ummauerten klösterlichen Enklave inmitten des Territoriums der selbstständigen Stadtrepublik St.Gallen. Erst das 1569/70 erbaute Karlstor durchbrach diese Situation.

Stiftsbibliothek:

Was verbindet die Stiftsbibliothek, seit 1983 zum UNESCO-Weltkulturerbe «Stiftsbezirk St.Gallen», mit dem Chartularium Sangallense? Mit den neusten Erkenntnissen hat sie nichts zu tun. Die wunderschöne alte prunkvolle Bibliothek ist eine Augenweide aus dem ehemaligen Benediktinerkloster St.Gallen. Jährlich werden Handschriften, in der Regel aus eigenen Beständen zusammengestellt, wechselnd ausgestellt.

PD. Dr. phil. Stefan Sonderegger:

PD Dr. phil. Stefan Sonderegger, geboren 1958, studierte an der Universität Zürich Geschichte, Kunstgeschichte und Germanistik, wo er 1993 das Doktorat erwarb. Von 1987 bis 1993 Assistent am Stadtarchiv der Ortsbürgergemeinde St.Gallen und Ausbildung zum Archivar, Mitarbeit an der Herausgabe der St.Galler Stadtsatzungsbücher in der Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, Beschäftigung mit der mittelalterlichen Geschichte der Nordostschweiz. Vorstandsmitglied des Vereins für die Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. Seit 1994 Mitarbeit am Chartularium Sangallense, seit Juni 2003 Leiter des Stadtarchivs der Orstbürgergemeinde St.Gallen, seit 2004 Privatdozent der Universität Zürich.

Quellen:

Persönliche Bemerkungen von PD Dr. phil. Stefan Soneregger

St.Galler Stadtführer mit Stiftsbezirk 2007

(Nicole Zellweger/news.ch)

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