Denkstau bei der IG-Motorrad

publiziert: Freitag, 17. Jun 2005 / 10:54 Uhr / aktualisiert: Freitag, 17. Jun 2005 / 17:30 Uhr

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Gestern ist die IG-Motorrad in Bern mit einer Petition eingefahren. Sie fordern für die Motorradfahrer das zu legalisieren, was viele ohnehin schon tun: An Staus vorbeizufetzen und den Autofahrern dabei eine lange Nase zu machen.

Dass diese Argumentation so nicht ziehen würde, war der IG-Motorrad allerdings klar. Statt der Wahrheit, führen Sie ein wahres Rührstück zu den Leiden auf, die ein Motorradfahrer im Stau erleidet und warum er überhaupt hinein gerät.

"...Motorradfahrer können sich während der Fahrt nicht über die Verkehrsverhältnisse informieren. Dadurch können sie Staus nicht ausweichen."

Wenn es dank Autoradios einfach wäre, Staus auszuweichen, gäbe es ja keine Staus mehr. Denn die meisten Leute im Stau wissen, dass dort ein Stau sein wird. Leider muss man aber dort durch... und staut eben. Stauschwerpunkte sind bekannt – wer nicht in den Stau will, muss eben zu einer anderen Zeit fahren.

Doch es wird noch tragischer. "Motorradfahrer seien aber den Witterungseinflüssen stärker ausgesetzt, als ihre Auto fahrenden Verkehrspartner. Gerade in den stauträchtigen Sommermonaten führe das Tragen spezieller Motorradbekleidung deshalb zu übermässiger, oft unerträglicher Hitzebelastung."

Eine erschütternde Enthüllung – doch wäre es nicht überlegenswert, gerade bei grosser Hitze auf das Motorrad zu verzichten? Oder statt des Lederkombis allenfalls Sommer-Bekleidung zu kaufen? Denn das gibt es! Echt wahr!

Niemand muss bei dreissig Grad in einer Pelle aus Büffelleder schmoren. Der Autor brauchte nur 3 Minuten, um im Internet entsprechende Angebote zu finden. Kombiniert mit einem hellen, gut belüfteten Helm (ja, schwarz sieht cooler aus, doch das ist ehrlich gesagt wurst!), sollte es kein solches Riesenproblem sein.

Aber das Argument hinkt ja noch schlimmer: es gibt auch noch immer viele Autos, die keine Klimaanlage haben. Wenn Töffler einen thermischen Notstand als Argument fürs Vorfahren verwenden, dann könnten das ja auch die unklimatisierten Autofahrer tun und über den Standstreifen fetzen.

Der nächste Akt des Dramas ist wirklich Motorrad-Spezifisch: "Zudem müssten motorisierte Zweiradfahrer beim Stehen und langsamen Fahren im Stau ständig das Gleichgewicht ausbalancieren. Dies führe insbesondere bei Fahrten mit Gepäck und Sozius/Sozia zu einem enormen Kräfteverschleiss, der die Verkehrssicherheit für Motorradfahrer nachhaltig beeinträchtige."

Ein Gespräch mit einem routinierten Motorradfahrer ergab, dass genau das langsame Fahren etwas vom Wichtigsten sei und dass dies nur wenige gut beherrschen. Nicht weil dies so schwer währe, sondern weil einfach niemand übt, weil es nicht cool ist, mit dem heissen Stuhl und Sozia/Sozius mal einen Sonntagnachmittag lang im Schritttempo auf dem Parkplatz eines Baumarktes rum zu kurven. Ein Gesetz zu ändern, wegen des Unwillens vieler Motorradfahrer essentielle Fähigkeiten zu erlernen? Ziemlich albern.

Genau so das letzte Argument: "...dass die thermische Stabilität auch moderner Motorradmotoren im Stau wesentlich stärker leidet als bei PKWs, weil die meisten Motorradmotoren luftgekühlt sind. Im Stau könne deshalb besonders bei hohen Aussentemperaturen die Hitze nicht mehr ausreichend abgeführt werden..."

OK, lasst uns das nochmals geniessen: Die Hochleistungsmaschinen mit Renntechnik überhitzen, weil diese Dinger, um Gewicht zu sparen, lausig gekühlt sind. Deshalb sollen sie am Stau vorbeifahren dürfen. Köstlich. Wie wäre es, eine ausreichende Kühlung vom Hersteller zu verlangen? Aber das wäre ja uncool.

Die Argumente sind also grösstenteils Schrott. Die zusätzlichen Gefahren hingegen werden nirgends erwähnt. Wer ist Schuld an den unweigerlichen Unfällen, wenn plötzlich Motorräder mit 60 km Geschwindigkeitsunterschied vorbeibrausen? Dürfen Autofahrer in einem grossen Stau nicht mehr aussteigen, weil sie von den Töfflern niedergefahren würden? Und was ist genau eine langsam fahrende Kolonne? Hier scheinen einfach Narren Narrenfreiheit zu fordern.

Die IG-Motorrad würde besser vom Gesetzgeber fordern, dass die steinzeitlich Motorradtechnik, die heute noch verkauft wird, aktualisiert wird: ABS, selbst in Billig-Autos selbstverständlich, ist immer noch eine Rarität. Dabei beherrschen nur die wenigsten Motorradfahrer eine echte Vollbremsung und schmieren wegen des blockierenden Vorderrades weg. Oder wie wäre es mit der Einführung von Leitplanken, die auch für Motorradfahrer sicher sind und der Forderung, dass für Strassenreparaturen nur noch Material verwendet wird, das im Sommer nicht aufweicht und so in Kurven nicht mehr lebensgefährlich für Motorradfahrer ist?

Doch diese Dinge sind nicht cool, sie sind nicht macho-mässig lässig und vor allem kann man damit den anderen nicht zeigen, dass man schneller ist. Denn darum geht es ja in dieser Petition. Und sonst um nichts.

(von Patrik Etschmayer/news.ch)

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