Der SVP-Reflex

publiziert: Montag, 24. Sep 2007 / 12:01 Uhr

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«Reflex: das Auslösen einer Reaktion durch einen äusseren Reiz ohne Verarbeitung des Reizes im Gehirn.» Gut. Es ist Wahlkampf und zu solchen Zeiten scheinen die neuronalen Fähigkeiten von Politikern ohnehin ziemlich eingeschränkt zu sein. Doch in der Schweiz fällt in den letzten Jahren ein zunehmend reflexartiges Reagieren auf, wenn es um die Vorstösse politischer Gegnern geht.

Der Anfang wurde dabei von der durch Christoph Blocher umgestalteten SVP gemacht, die einen Abwehrreflex gegen alles was «Europa», «International» und «Sozial» enthielt, zum Parteiprogramm machte. Dies war etwas Neues in der lange Zeit harmoniesüchtigen Schweiz. Und vielleicht sogar etwas Gutes. Denn eins muss man, ob man Blochers brandschatzende Bern-Basher mag oder nicht, zugeben: Die Politik der ausgehenden achtziger und frühen neunziger Jahre befand sich in einer absurden Lage. International wurde vom «Ende der Geschichte» geschwafelt, die Schweiz dachte über eine Selbstauflösung nach und in der Politik wurde krampfhaft Konsens gesucht, notfalls durch das Ignorieren von Sachverhalten.

Christoph Blocher kommt dabei der Verdienst zu, die Berner Schnarchbude kräftig durchgeschüttelt zu haben. Seine Fundamentalopposition gegen etablierte Standpunkte, die als unantastbar galten und teilweise immer noch gelten, hat die Bundes-Geologie wieder in Bewegung gebracht und – wie immer wenn lange verhakte Kontinentalplatten ihre Spannungen auf einmal abbauen - resultierte ein heftiges Erdbeben daraus.

Den Rest der Geschichte kennen wir – seit fünfzehn Jahren ist es ein ständiges «Die SVP gegen den Rest und der Rest gegen die SVP». Die sich dabei abspielenden Szenen sind meist nicht sehr erfreulich und beschränken sich darauf, dass sich vor allem die beiden grössten Parteien der Schweiz, SP und SVP, gegenseitig abwatschen, ohne auch nur im geringsten auf die Inhalte der anderen Partei einzugehen.

Dabei wird von beiden Seiten vor allem eines vergessen: Auch die Anderen stellen einen grossen Anteil der Schweizer Bevölkerung dar und zusammen kämen SP und SVP auf eine absolute Mehrheit.

Von der SVP und ihrer Parteiführung eine Lernkurve, die auf Dialog zusteuert, zu erwarten, ist allerdings illusorisch: Die Partei hat ihren Erfolg der extremen Überzeichnung ihrer Positionen zu verdanken. Der Populismus der SVP nährt sich zu einem grossen Teil an den Abwehrreflexen der anderen Parteien.

Dabei gäbe es nur eine Lösung gegen die Populisten: Aufgezeigte Missstände, sofern sie existieren, objektiv angehen und nicht einfach negieren. Lernen, dass Argumente der Populisten nicht einfach falsch sind, nur weil sie aus der falschen Ecke kommen. Stattdessen kritisch und wenn es sein muss, auch selbstkritisch analysieren und ideologische Scheuklappen ablegen.

Die grösste Schwäche der SVP-Gegnerschaft ist die etablierte Selbstzufriedenheit der politschen Mitte und Linken. Diese Trägheit, die immer noch vorhanden ist, führt auch heute noch dazu, dass aus der Linken nur ein monotones «Blocher muss weg» zu vernehmen ist. Doch das reichte bisher nicht und wird auch in Zukunft nicht genug sein, um dieses Ziel zu erreichen. Ebenso wenig wie der Versuch, die Schablonenpolitik der SVP mit eigenen Holzschnitten zu kontern. Dabei wären in den Parteien ausserhalb der SVP genug kluge Köpfe, um Mittel und Wege gegen den Rechtspopulismus zu finden.

Einfach mit Reflexen auf Blocher und die Vorstösse der SVP zu reagieren und zu hoffen, dass Zorn und Empörung kalte, genaue Argumente ersetzen können, ist das falscheste aller möglichen Vorgehen, nämlich jenes, auf das die SVP zählt. Denn die SVP-Führung mag vielleicht aggressiv, politisch inkorrekt und rüpelhaft sein. Aber hirnlos ist sie sicher nicht.

(von Patrik Etschmayer /news.ch)

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