Der Schweizer Meister im Internet

publiziert: Freitag, 21. Jan 2005 / 09:14 Uhr / aktualisiert: Samstag, 22. Jan 2005 / 19:03 Uhr

St.Gallen - 35'000 Schweizer würden gerne mit Rico Sennrich tauschen. Seit drei Jahren hält der 19-jährige St. Galler im Online-Fussballmanager-Spiel Hattrick an der Spitze mit. Am letzten Samstag wurde er zum 6. Mal Schweizer Meister, am Mittwoch zum 5. Mal Pokalsieger.

Weiterführende Links zur Meldung:

hattrick.org
Das weltweit beliebteste Online-Fussballmanager-Spiel.
www.hattrick.org

Rico Sennrich faltet die Hände und legt sie vor sich auf den hell beleuchteten Holztisch. Er sitzt zuhause im Esszimmer. Er trägt Jeans, eine schwarze Strickjacke, offene Hausschuhe. Und wenn er grinst, verrutscht seine Brille.

Grinsen muss er viel, wenn es um Hattrick geht. "Es ist komisch, dass so viele Leute meinen Clubnamen kennen. Aber auf der Strasse werde ich noch nicht erkannt." Sein Team heisst Hobbits Play Football. Vor drei Jahren hatte er an Weihnachten gerade den ersten Teil der Trilogie Herr der Ringe gesehen und der Gedanke an Fussball spielende Hobbits gefiel ihm. So einfach entstand der Name des Teams, das im Internet Kultstatus erreicht hat.

Rico Sennrich war sechzehn, als er sich beim schwedischen Online-Spiel anmeldete. Damals waren ein paar Dutzend Schweizer Spieler dabei. Ende Januar werden es über 40'000 aktive Spieler in neun Ligastufen sein, so viele Spieler wie im Ursprungsland Schweden selber. Topliga in der Schweiz ist die Nationalliga A. Dann gibt es vier 2. Ligen, sechzehn 3. Ligen, usw. "Ich kann nicht sagen, wo in der Schweiz der Sättigungspunkt liegt. Er ist noch lange nicht erreicht, denke ich."

Nichts fürs Auge

Aber was ist der Reiz an Hattrick? Benutzer melden sich auf www.hattrick.org umsonst an, wählen ein Team und warten darauf, bis die Daten von einem so genannten Game-Master geprüft werden.

Es ist verboten, zwei Teams gleichzeitig zu führen. Deshalb der Umweg über den Game-Master. Sobald die Registration akzeptiert ist, kann es losgehen: Spieler einkaufen, verkaufen, ein Trainingsprogramm zusammenstellen und die Mannschaftsaufstellung für den Match am Wochenende aufsetzen.

Graphisch bietet Hattrick so gut wie gar nichts. Das Spiel ist ausschliesslich Text basiert. Eigentlich überraschend in Zeiten, wo die meisten Online-Spiele hohen graphischen Ansprüchen genügen.

"Hinter jedem Team steckt ein Mensch, das ist der Reiz", sagt Rico Sennrich. Mittlerweile gebe es in der ganzen Schweiz Hattrick-Treffs. "Auch in St. Gallen haben wir mal ein Treffen organisiert. Wir gingen im Marktplätzli essen und redeten den ganzen Abend über Spieltaktiken. Es war ganz witzig."

Saisonfinale in der Innerschweiz

Das entscheidende Spiel der abgelaufenen Saison erlebte Rico Sennrich in der Innerschweiz. Der Betreiber der Tell-Bar in Küssnacht am Rigi ist ein begeisterter Hattrick-Spieler. Er lud den St. Galler persönlich an den Vierwaldstättersee ein, um sich das entscheidende Meisterschaftsspiel auf einer Leinwandübertragung anzusehen.

Die Szenerie muss eine Besondere gewesen sein. Circa vierzig vernarrte Hattrick-Spieler sitzen vor einer Grossleinwand, Bier in der einen Hand, die andere wild gestikulierend, und verfolgen Textzeilen am Bildschirm. Der Hattrick-Spieltag dauert normale 90 Fussballminuten mit 15 Minuten Pause. Aber auf dem Bildschirm sind keine Freistösse, Steilpässe und Fouls zu sehen. Die Spielszenen werden in Textzeilen kommentiert, wie: "Nach 39 Minuten konnte Tim Ivarsson die Führung für Hobbits Play Football weiter ausbauen. Er stieg gekonnt zum Kopfball hoch und platzierte den Ball unerreichbar für den gegnerischen Torwart zum 3 - 0."

"Die Veranstaltung war super. Und es waren alle Altersgruppen dabei. Ich habe auch graue Haare und Glatzen gesehen", sagt Rico Sennrich und grinst. Der Spielverlauf musste weniger aufregend gewesen sein als die Szenerie vor dem Bildschirm. Hobbits Play Football führten gegen 1. FC Maradona bis zur Halbzeit 3:0. Am Ende hiess es gar 4:0. Nach vierzehn Wochen und ebenso vielen Spieltagen war Rico Sennrich Erster der NLA und damit zum sechsten Mal Schweizer Meister.

Wenig Spielaufwand

Bei Hattrick kann mit relativ wenig Aufwand jeder mitspielen. Nach Angaben der Spielentwickler kommt man mit fünfzehn Minuten wöchentlich gut durch. Rico Sennrichs Beschäftigung mit Hattrick dauert allerdings wesentlich länger als fünfzehn Minuten wöchentlich.

Er ist seit gut zwei Jahren ein so genannter Game-Master. Das heisst, er arbeitet auch in der Administration von Hattrick Schweiz. Er muss Fragen von Neueinsteigern beantworten und, viel wichtiger, er muss darauf achten, dass niemand schummelt.

Zwei oder mehr Teams gleichzeitig zu führen, ist verboten. Damit wird verhindert, dass User sich selber Spieler zu überteuerten Preisen verkaufen, den Transfermarkt überlisten und einem ihrer Teams so finanzielle Vorteile verschaffen. Es ist auch nicht erlaubt, ein Team einem anderen Spieler zu übergeben, beziehungsweise Login-Daten zu verkaufen. "Einige Spieler haben auf Ebay angefangen, Teams aus Topligen zu versteigern." Erwischt er einen Spieler beim Schummeln, dann ist er als Game-Master dafür verantwortlich, diesen vom Spiel auszuschliessen.

Geheimnisse eines Game-Masters

Wenn Rico Sennrich über seine Tätigkeit als Game-Master redet, windet er sich im Stuhl. Er nimmt seine Hände vom Esstisch und hält sich am Sitzrahmen fest. Vergeblich versucht er, vom Thema abzulenken, indem er davon erzählt, wie er und die anderen sieben Schweizer Game-Master von den Spielentwicklern nach Schweden eingeladen wurden.

"Wie stöbert man im Internet Spieler auf, die schummeln?"
"Darüber darf ich nichts verraten."
"Wird man denn von bestraften Spielern als Game-Master bedroht?"
Rico Sennrich atmet durch: "Ach ja, es kommt schon manchmal vor. Meist wird man per Email beschimpft. Ein Fall war ganz besonders schlimm."

Ein von Hattrick ausgeschlossener Spieler meldete sich nach einem längeren Email-Verkehr per Telefon. Der Mann erzählte ihm, dass er wisse, wo Rico Sennrich wohne, und dass er keine Mühe hätte, die 80 Kilometer von ihm zuhause nach St. Gallen zu fahren. "Nach dem Telefonanruf hatte ich schon etwas Schiss." Er reagierte, indem er einen anderen Game-Master beauftragte, die Daten des Users wieder rückgängig zu machen, sollte sich was Verdächtiges ändern. "Damit konnte er mich zu nichts mehr zwingen, es hätte nichts gebracht", sagt Rico Sennrich und grinst dabei wieder. Schlussendlich habe der Spieler dann zugegeben, dass er geschummelt habe.

Ehrenamtlicher Job

Den Job als Game-Master macht er ehrenamtlich. Es störe ihn nicht, dass die Spielentwickler in Stockholm mittlerweile von Hattrick durch Werbeeinnahmen und so genannten Supporter-Spenden leben. "Ohne Game-Masters, die alles ehrenamtlich kontrollieren und überwachen, wäre das Spiel nicht gratis", sagt er.

Wie lange er allerdings noch Game-Master sein werde, das wisse er nicht. Im Oktober hat er ein Anglistikstudium an der Uni Zürich angefangen und zwei bis drei Stunden für administrative Hattrick-Aufgaben ist viel Zeit.

Selber spielen wird er wohl solange, es Hattrick im Internet gibt. Denn obwohl er Rekordmeister und Rekordcupsieger ist und einer der routiniertesten Hattrick-Spieler überhaupt, pokalsatt ist er noch lange nicht. In nur zwei Wochen Pause startet das Team in die 14. Saison.

Über 40'000 Schweizer werden versuchen, Rico Sennrich am abermaligen Gewinn des Doubles zu hindern. Doch die Chancen stehen gut, dass er auch kommende Saison seine Hobbits Play Football zur Meisterschaft und zum nächsten Pokalsieg führt.

(von Barnaby Skinner/news.ch)

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