Der stählerne Lord fühlt Blair auf den Zahn

publiziert: Dienstag, 22. Jul 2003 / 14:09 Uhr / aktualisiert: Dienstag, 22. Jul 2003 / 14:27 Uhr

London - Gerades Kreuz, zwei tiefe Furchen über der Nase und die Lippen entschlossen aufeinander gepresst - solche Männer entsprechen dem typischen Bild des korrekten Engländers. Brian Hutton ist so einer. Ihm wurde die Aufgabe auferlegt, die Kelly-Affäre zu untersuchen.

Männer wie Brian Hutton, so sagt man, hätten einst ein Empire erobert.
Männer wie Brian Hutton, so sagt man, hätten einst ein Empire erobert.
Lange stand er als höchster Richter Nordirlands auf der Abschussliste der IRA. Jetzt steht er mit 72 Jahren plötzlich im Mittelpunkt der schwersten Krise der Regierung Blair.

Der Lord soll herausfinden, warum der Waffenexperte David Kelly am vergangenen Donnerstag zu einem Aussichtspunkt spazierte, Schmerzmittel nahm und sich die Pulsadern aufschnitt.

Premierminister Tony Blair schwebte noch über dem Pazifik, wo ihn die Nachricht von Kellys Tod ereilt hatte, als er sich zur Berufung Huttons entschloss.

Unabhängigkeit

Er war sich darüber im Klaren, dass es nicht ausgereicht hätte, einen Unterhausausschuss zu beauftragen - denn dort hat seine Labour-Partei die Mehrheit. Hutton soll die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit der Untersuchung gewährleisten.

Richterliche Untersuchungen haben in Grossbritannien Tradition, ob zur BSE-Krise oder zu Zugunglücken. Oft werden sie von einem der Lordrichter des Oberhauses geleitet. Das Oberhaus ist seit dem 14. Jahrhundert das höchste Berufungs- und Revisionsgericht des Königreiches.

Darüber gibt es nichts - keinen Supreme Court wie in den USA und kein Bundesverfassungsgericht.

Zunächst konnten sich alle Lords an der Rechtsprechung beteiligen, doch seit dem 19. Jahrhundert ist diese Aufgabe auf jeweils elf bis zwölf namhafte Juristen unter den Mitgliedern des Oberhauses übergegangen.

Kontroverse?

Anders als von der Opposition gefordert, hat Hutton von Blair nicht das Recht erhalten, Zeugen einzubestellen, sie unter Eid zu vernehmen oder Geheimdokumente einzusehen.

Ausserdem soll sich Hutton nur mit den direkten Umständen von Kellys Tod beschäftigen und nicht mit der offiziellen Rechtfertigung des Irak-Krieges.

Dazu hat er jedoch gleich zu Beginn klargestellt, er selbst entscheide, was er untersuche. Blairs Replik aus dem fernen China kam umgehend: "Es ist wichtig, dass er (Hutton) das tut, worum wir ihn gebeten haben. Ich glaube nicht, dass es sinnvoll wäre, irgendetwas darüber hinaus zu tun."

Nun spekuliert die britische Presse darüber, inwieweit sich Hutton dem Premier widersetzen könnte. Als sicher gilt, dass er keine ausführliche Prüfung der von Blair angeführten Kriegsgründe vornehmen wird.

Jurist der alten Schule

Das würde klar über seinen Auftrag hinausgehen, und Hutton ist wohl ein viel zu korrekter Jurist der alten Schule, als dass er sich solche Freiheiten erlauben würde.

Aber gängeln lassen wird sich der Mann, den die "Times" als "very steely" (sehr stählern) beschreibt, sicher auch nicht. Unbefangenheit geht ihm über alles.

So kritisierte er 1999 Lordrichter Hoffmann, weil dieser den Fall des in London festgesetzten Ex-Diktators Augusto Pinochet mitbehandelt hatte, ohne über seine Verbindungen zu Amnesty International Auskunft zu geben.

Gut vorstellbar ist, dass Huttons Abschlussbericht so viele Fragen aufwirft, dass sich Blair einer umfassenderen richterlichen Untersuchung zu den Hintergründen des Irak-Krieges nicht entziehen kann.

Dann hätte der stählerne Lord auf seine alten Tage grosse Politik gemacht.

(Christoph Driessen/dpa)

 
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