Der weite Weg von Lima nach Paris

publiziert: Freitag, 6. Feb 2015 / 12:37 Uhr

Die Klimakonferenz in Lima hat die Diskussion, wie die Staaten die Klimaerwärmung stoppen wollen, nur wenig weitergebracht. Gibt es eine realistische Chance für ein Klimaabkommen in Paris 2015, wenn die Vorbereitung in Lima so schlecht lief?

2 Meldungen im Zusammenhang
Die USA und China gaben im Vorfeld unerwartet früh und konkret ihre Vorschläge für die nationalen CO2-Reduktionen bekannt, und viele Beobachter hatten grosse Hoffnungen für die Klimakonferenz in Lima (siehe Artikel im Guardian). Am Sonntag ist die Konferenz zu Ende gegangen. Nachdem es lange nach gar keiner Einigung ausgesehen hatte, verabschiedeten die Parteien am Schluss doch ein Dokument. Dass alle an einem Tisch sitzen und sich einig sind, dass der Klimawandel real und menschgemacht ist, und begrenzt werden sollte, muss man als positiv werten. Aber weil alle UNO-Beschlüsse einstimmig sein müssen, bleibt oft nur die Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Das Dokument bleibt damit vage. Der vorgeschlagene Verhandlungstext kommt in den wichtigen Passagen nicht mir klaren Eckpunkten für die Verhandlungen in Paris, sondern  mit einer Auswahl an Formulierungen und unverbindlichen Optionen daher.

Mageres Resultat, aber positive Anzeichen

Das vielleicht positivste Zeichen: Die im Kyoto-Protokoll verankerte Aufteilung in Industriestaaten (Annex 1) und Entwicklungsländer ist weitgehend verschwunden. Das Ziel für ein neues Abkommen ist, dass alle ihren Beitrag leisten müssen, und zwar «gemäss Ihrer Verantwortung und ihren Möglichkeiten» («common but differentiated responsibilities and respective capabilities»). Einige Entwicklungsländer wachsen schnell, und China hat heute schon höhere CO2-Emissionen pro Kopf und Jahr als viele EU-Staaten. Daher soll die Separation von Industrie- und Entwicklungsländern verschwinden. Allerdings ist offensichtlich, dass hier noch nicht alle Differenzen bereinigt sind, und einige Entwicklungsländer ihren Status als ebensolche - und die damit verbundenen Ausnahmeregelungen - auch in Zukunft behalten möchten. Der Verhandlungstext beinhaltet verschiedene Varianten für diesen Punkt. Variante A spricht einfach von «allen Parteien», während Variante B die Ungleichheiten zusätzlich betont und die Industriestaaten für die ersten Schritte verpflichtet («in accordance with their common but differentiated responsibilities and respective capabilities, and their specific national and regional development priorities, objectives and circumstances / social and economic conditions with developed country Parties taking the lead»)

Der Knackpunkt der Lastenverteilung

Um die Erwärmung auf 2 Grad gegenüber vorindustriell zu begrenzen, sollten die weltweiten Emissionen bis 2050 um 40 bis 70 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden, und bis Ende des 21. Jahrhunderts müssten sie nahe bei null sein. Der grösste Teil des sogenannten CO2 Budgets, also der Emissionen, die wir uns im Rahmen des 2-Grad-Ziels noch erlauben können, ist schon ausgestossen (siehe Beitrag: Keine Trendwende im CO2-Ausstoss). Die schwierigste Frage ist, wer wie viel vom Rest noch ausstossen darf (siehe Beitrag im ETH-Klimablog: Streit um den CO2-Kuchen).

Diese Frage der Fairness ist vielleicht der kritischste Punkt in der Diskussion. Wenn sich ein paar Bauern einigen müssen, wie sie das Wasser aus der gemeinsamen Quelle nutzen, dann stehen die Chancen für ein Abkommen gut: Alle haben ähnliche Interessen, jeder hat einen unmittelbaren Nutzen, wenn alle mithelfen, und es gibt eine soziale oder falls nötig polizeiliche Kontrolle. In der Klimafrage haben die Beteiligten ganz unterschiedliche Interessen, haben unterschiedlich viel von billigen fossilen Ressourcen profitiert und zum Problem beigetragen. Ausserdem ergibt sich der Nutzen einer Begrenzung auf 2 Grad Erderwärmung nicht unmittelbar, sondern vor allem für künftige Generationen. Für jeden ist verlockend, die Anstrengung den anderen zu überlassen, und eine internationale Polizei gibt es nicht. Zudem ist der Klimawandel mit vielen anderen Fragen wie Luftqualität, Ernährung, Abhängigkeit vom Ausland, Gesundheit und Raumplanung verknüpft, die auch wieder landesspezifische Eigenheiten haben. Von Seiten der Wissenschaft gibt es einige konkrete Vorschläge zur Lastenverteilung (siehe Grafik) und viele Argumente zu ethischen Fragen, und die Vertreter der Nationen kennen diese. Sie arbeiten hart an Lösungen, aber unter den gegebenen Umständen ist es extrem schwierig ein Abkommen zu finden, das alle als einigermassen fair akzeptieren können.

Ungelöst ist auch die Frage nach den Verpflichtungsperioden, und welche Industriestaaten wie viel Geld in den Green Climate Fund für die Klimaschäden in den Entwicklungsländern bezahlen sollen (siehe Beitrag von Gabi Hildesheimer: Vertrauen stärken für den Klimaschutz).

Fünf vor zwölf für das 2-Grad-Ziel

Die Analyse, wo wir heute in Sachen Klimaschutz stehen, läuft bei jeder der jährlichen Klimaverhandlungen aufs selbe hinaus. Die von den Ländern zugesicherten Emissionsreduktionen reichen bei weitem nicht aus, um das 2-Grad-Ziel zu erreichen. Wir befinden uns auf einem Pfad, der die Erderwärmung weit über 2 Grad gegenüber vorindustrieller Zeit vorantreibt, vor allem wegen des hohen Wachstums in Schwellenländern und der Renaissance von Kohle und Erdgas (siehe Beitrag: Keine Trendwende im CO2-Ausstoss). Die Aussagen der Wissenschaft zum Klimawandel sind nicht dramatischer geworden, aber die Zeit läuft uns davon. Es ist nicht unmöglich, das 2°C Ziel noch zu erreichen, aber mit jedem Jahr Verzögerung wird es schwieriger, teurer, und wir gehen grössere Risiken ein (siehe The Emissions Gap Report 2014). Kurz: Wir nutzen die billige Energie und schieben die Lösung des Problems auf die nächste Generation ab.

Durchbruch in Paris 2015

Soll es in Paris 2015 zu einem neuen Vertrag kommen, dann müssen also noch viele Steine aus dem Weg geräumt werden. Insbesondere die Lastenverteilung für die Vermeidung der Emissionen ist unklar. Aber mit Blick auf einen effizienten Klimaschutz ist nicht nur relevant, ob es einen Vertrag gibt, sondern auch welche Reduktionszahlen dieser beinhaltet. Wenn dieser Vertrag jedem Land freistellt, wie viel es reduzieren will, dann kann ein solcher Vertrag zwar hilfreich sein als rechtliches Rahmenabkommen, aber für die Begrenzung des Klimawandels wäre er weitgehend nutzlos.

( Reto Knutti/ETH-Zukunftsblog)

Lesen Sie hier mehr zum Thema
Paris - 18 Staaten, darunter die ... mehr lesen
Die heute verfügbaren Daten vermitteln «kein vollständiges Bild».
Noch ist unklar wer die Ziele innerhalb Europas umsetzen wird.
Brüssel - In Vorbereitung eines neuen ... mehr lesen
.
Digitaler Strukturwandel  Nach über 16 Jahren hat sich news.ch entschlossen, den Titel in seiner jetzigen Form einzustellen. Damit endet eine Ära medialer Pionierarbeit. mehr lesen 22
Mit Biogas betriebene Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen (WKK) können fluktuierenden Solarstrom kompensieren und Gebäude beheizen.
Mit Biogas betriebene ...
Eine zentrale Herausforderung der Energiewende ist es, die schwankende Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen auszugleichen. Eine Machbarkeitsstudie zeigt nun für drei Schweizer Kantone auf, wie ein Verbund von Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen kurzfristige Engpässe überbrücken und Gebäude mit Strom und Wärme versorgen kann. mehr lesen 
Vor rund hundert Jahren begann die Industrialisierung der Landwirtschaft - heute erleben wir den Beginn ihrer Digitalisierung. Damit die Big-Data-Welle den Bauer nicht vom Acker schwemmt, sondern ihn optimal unterstützt, gilt es, das Feld früh zu bestellen und Marken zu setzen, damit die digitale Landwirtschaft die richtigen Fragen adressiert. mehr lesen  
Die Schweizer Wasserkraft darbt. Die Ursache dafür sind letztlich Verzerrungen im europäischen Strommarkt. Nun diskutiert die Politik Subventionen für die Grosswasserkraft. Allfällige Rettungsaktionen sollten ... mehr lesen
Wie werden Wasserkraftwerke wieder rentabel?
Climate change has been communicated as a global concern affecting all of mankind; but this message doesn't seem to be getting through. If indeed the human brain responds better to experience than to analysis, then climate change must be told as a local and personal story - just as the Klimagarten 2085 exhibition is doing. mehr lesen  

Fakten und Meinungen zu Nachhaltigkeit

Der Zukunftsblog der ETH Zürich nimmt aktuelle Themen der Nachhaltigkeit auf. Er bietet eine Informations- und Meinungsplattform, auf der sich Expertinnen und Experten der ETH zu den Themenschwerpunkten Klimawandel, Energie, Zukunftsstädte, Welternährung und Natürliche Ressourcen äussern. Prominente Gäste aus Forschung, Politik und Gesellschaft tragen mit eigenen Beiträgen zur Diskussion bei.

Lesen Sie weitere Beiträge und diskutieren Sie mit auf: www.ethz.ch/zukunftsblog

Viele Start-ups in der Schweiz haben sich dem Umweltschutz verschrieben.
Green Investment Start-ups für die Nachhaltigkeit aus der Schweiz Kaum ein anderes Land in Europa ist beim ...
 
Stellenmarkt.ch
Kreditrechner
Wunschkredit in CHF
wetter.ch
Heute Fr Sa
Zürich 2°C 11°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt freundlich
Basel 3°C 12°C wechselnd bewölktleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen wechselnd bewölkt
St. Gallen 1°C 8°C Schneeregenschauerleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich freundlich
Bern 2°C 11°C freundlichleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt wechselnd bewölkt
Luzern 2°C 11°C freundlichleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt freundlich
Genf 2°C 14°C freundlichleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen wechselnd bewölkt
Lugano 6°C 15°C recht sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig trüb und nass trüb und nass
mehr Wetter von über 8 Millionen Orten