Desintegrierte Integration

publiziert: Mittwoch, 9. Nov 2005 / 10:36 Uhr / aktualisiert: Mittwoch, 9. Nov 2005 / 11:28 Uhr

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„Das Integrationsprojekt Europa ist gescheitert!“ heisst es im Schein brennender Renault Clios und abgefackelter Kindergärten. Aber das scheint ein wenig verfehlt zu sein, denn – seien wir ehrlich – ein Integrationsprojekt Europa hat es nie wirklich gegeben.

Der Haken ist nämlich jener, dass ein Integrationsprojekt vor allem eines ist: Das Zeichen, dass bereits etwas fundamental schief gegangen ist. Denn diese Projekte entstehen, wenn realisiert wird, dass bereits riesige Probleme existieren. Doch wann sind diese Probleme entstanden und was wurde damals falsch gemacht?

Auf der Suche nach dieser Antwort muss man als erstes die Probleme der kulturellen Identität und der Gruppenmentalität betrachten. Jeder von uns wächst in einem bestimmten kulturellen Umfeld auf und nimmt dessen Grundwerte in sich auf. Dabei ist es eigentlich unwichtig, ob man diese Werte im späteren Leben annimmt oder ablehnt. Sie werden fast immer zu den Ecksteinen in unserer Orientierung betreffend der Welt und dem, was wir für gut und schlecht betrachten. Eng damit verbunden ist unsere Gruppenmentalität, jener Kitt, der die Sippen zusammen hielt, als diese noch als Jäger und Sammler durch die Landschaft zogen und andere Menschen, die nicht verwandt waren, vorzugsweise tot schlugen.

Der grosse Triumph der Nationalstaaten war es, diese kulturelle Identität und die Gruppenmentalität auf den Kunstbegriff 'Volk' auszuweiten: der Nationalismus war geboren. Hat nun eine solche Nation – wie Frankreich und England – andere Länder kolonisiert, wurde immer darauf geachtet, dass die verschiedenen Gruppen säuberlich getrennt waren – in Herren und Diener, oben und unten.

Diese Separierung ging in die kulturelle Identität über und ist immer noch Teil davon – obwohl die Kolonien längst befreit, die in den „Mutterstaaten“ lebenden Nachkommen der einstigen Diener theoretisch längst gleichberechtigte Bürger sind.

Das 'unten' und 'oben' ist Teil des Seins geworden. Ein sanftes Durchdringen oder Diffundieren scheint dabei nicht möglich, wird zumindest nicht als Option wahr genommen. Jene, die unten sind, sehen nur zwei Möglichkeiten: Sich entweder mit dem Zustand abzufinden oder zu versuchen, mit Gewalt die Situation zu ändern – auch wenn praktisch jeder weiss, dass es am Ende nicht besser, sondern schlechter sein wird.

Doch das Gefühl, zumindest für eine gewisse Zeit Macht zu haben, am längeren Hebel zu sitzen und die Gesetze jener von oben zu missachten, ist berauschend. So berauschend, dass in der rasenden Zerstörungswut vor allem jenes beschädigt wird, das einem selbst Nutzen bringt: Öffentliche Verkehrsmittel, Schulen, Kindergärten.

Kommt dazu, dass kaum jemand in einem solchen Quartier mehr in Arbeitsplätze investieren wird: Oder würden Sie ein Geschäft öffnen, wenn Sie davon ausgehen müssten, dass ihr Lager mit einem Molotov-Cocktail abgefackelt würde?

Die Frage nach einer Lösung ist einfacher gestellt als beantwortet, denn eine Änderung der Mentalität ist etwas vom Schwierigsten und Langwierigsten, das es gibt. Zum Einen, weil diese auf zwei Seiten – oben und unten – stattfinden muss. Zum Anderen, weil jeder realisieren muss, dass ein Teil des Problems bei ihm oder ihr liegt. Zum dritten, weil es gewisse 'Führerpersönlichkeiten' gibt, die sich in einem solchen Umfeld ein gutes Leben auf Kosten anderer machen können und Veränderung sehr wirksam stören können.

Der Autor sieht daher ziemlich schwarz – ein Denken, dass sich über Jahrzehnte hin eingebrannt hat, lässt sich nicht in zehn Tagen oder zehn Wochen überwinden. Zehn Jahre scheinen realistischer, aber auch nur, wenn sich alle Seiten anstrengen...

(Patrik Etschmayer/news.ch)

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