«Die Kunst Microsofts, Mitbewerber zu verstehen»

publiziert: Freitag, 4. Jan 2008 / 20:45 Uhr / aktualisiert: Samstag, 5. Jan 2008 / 00:46 Uhr

Wien - Tandy Trower, General Manager der neu gegründeten Microsoft Robotics Group, zählt zu den am längsten dienenden Veteranen des Software-Konzerns. In seiner mehr als 25-jährigen Geschichte im Unternehmen war er massgeblich an der Entwicklung von Microsoft-Meilensteinen wie der Programmiersprache Microsoft Basic, den allerersten Windows-Versionen sowie für den MS-Flugsimulator verantwortlich.

Microsoft-Veteran und Robotics-Vordenker Tandy Trower.
Microsoft-Veteran und Robotics-Vordenker Tandy Trower.
Im Gespräch erklärt Trower, warum auch ein intelligenter Staubsauger als Roboter durchgeht und wie Microsoft beim Thema Robotics punkten will. Darüber hinaus gibt Trower Einblick in die Denkweise des Konzerns und versucht zu entschlüsseln, was den Erfolg von Microsoft ausmacht.

Microsoft zählt zu den Newcomern im Robotics-Markt. Bevor wir uns mit der Strategie dahinter auseinandersetzen, sollten wir zunächst noch klären, was Microsoft unter Robotern versteht.

Trower: Die Definition ist in der Tat eine sehr schwierige Frage. Der staubsaugende Roboter Roomba des Herstellers iRobot http://www.irobot.com - mit 2,5 Mio. verkauften Exemplaren einer der erfolgreichsten Geräte der Branche - besitzt viele klassische Roboter-Charakteristika, da er autonom funktioniert und mit einer Reihe von Sensoren ausgestattet ist. Derselbe Hersteller hat aber auch Geräte unter der Bezeichnung Roboter im Programm, die ausschliesslich über eine Fernsteuerung von aussen gesteuert werden und etwa bei der Entschärfung von Minen in schwierigem Gelände im Einsatz sind.

Die lange Zeit vorherrschende Vorstellung von zukünftigen Robotern in Menschengestalt ist somit endgültig überholt?

Trower: Dass etwa der Roomba keine menschenähnliche Gestalt besitzt, scheint seine Besitzer überhaupt nicht zu stören. Er wird von diesen nicht nur als klassischer Roboter empfunden, sondern darüber hinaus auch als soziale Entität empfunden und von den Inhabern vielerorts mit einem eigenem Namen und einer eigenen Identität versehen - unabhängig von seinem Aussehen.

Da Sie das ferngesteuerte Minensuchgerät angesprochen haben, inwieweit handelt es sich bei nicht autonom agierenden Maschinen tatsächlich um Roboter?

Trower: Einige würden wohl behaupten, dass es sich bei dem Gerät um nicht mehr als ein ferngesteuertes Elektronik-Spielzeug handelt. Der Hersteller iRobot würde dem aber heftig widersprechen. Ich persönlich denke deshalb auch, dass es sinnvoll ist, den Begriff zu erweitern. Dadurch kommen aber plötzlich auch Systeme ins Spiel, die uns bereits heute tagtäglich in unserem Alltag unterstützen - wie eine Reihe von Technologien, die etwa in modernen Autos zum Einsatz kommen.

Angesichts dieser Definition handelt es sich um ein sehr breites Feld, das Microsoft mit seiner Robotics-Abteilung bearbeiten will. Wo liegt folglich der strategische Fokus?

Trower: Das war auch die erste Frage von Bill Gates, als ich an ihn herangetreten bin. Was würden wir als Microsoft tun und in welchem Bereich? Ist es von der Industrie überhaupt erwünscht? Nach mehrmonatigen Recherchen und vielen Gesprächen mit der Industrie lief es immer wieder auf das gleiche Feedback hinaus. Derzeit ist die Hardware und Software im Roboterbereich ein grosses fragmentiertes Feld inkompatibler Systeme. Industrievertreter haben uns signalisiert, dass ein Markteintritt Microsofts die weltweite Entwicklung entscheidend ankurbelt.

Inwiefern kann Microsoft eine Initialzündung für die Branche geben?

Trower: Wir werden Software-Technologien und Toolkits anbieten, die es Entwicklern leichter machen, Applikationen zu entwickeln. Im Prinzip ergänzen wir die vorherrschenden Werkzeuge um ein weiteres Set, damit die Branche projektübergreifend ihrer Kreativität freien Lauf lassen kann. Damit folgen wir auch einem Pfad, durch den sich Microsoft historisch gesehen immer schon ausgezeichnet hat. In den späten 70er-Jahren war die PC-Hardware ähnlich heterogen und inkompatibel. Mit der plattformübergreifenden Programmiersprache Microsoft Basic haben wir wichtige Vorarbeit für den heutigen Erfolg der PC-Industrie geleistet.

Derzeit besteht die Robotics-Abteilung von Microsoft im Kern aber aus nicht mehr als einem guten Dutzend Leute. Können die das schaffen?

Trower: Vergessen wir nicht, dass auch Windows in seinen Urzeiten gerade einmal von zwölf bis fünfzehn Leuten betreut wurde. Natürlich können zwölf Leute nicht alles machen. Sie können aber ein Tool-Set entwickeln, das die Industrie bei ihrem grossen Vorhaben unterstützt. Langfristig gesehen glauben wir natürlich auch an ein grosses Business-Modell dahinter, von dem Microsoft profitieren kann. Industrie-Analysten sagen voraus, dass Robotics sich schon in fünf bis zehn Jahren zum Multi-Milliarden-Geschäft entwickeln und auf lange Sicht sogar das PC-Geschäft überflügeln wird.

Sie sind seit über 25 Jahren federführend bei Microsoft tätig. Vermissen Sie die Anfangszeiten, als es als kleines Unternehmen sicherlich noch einfacher war, Innovationen schnell in die Tat umzusetzen?

Trower: Wenn man Millionen von Anwender hat, kann man natürlich keine willkürlichen Entscheidungen treffen, sondern steht man immer auch der existierenden Community sowie dem eigenen Erbe in der Pflicht. Was mich persönlich betrifft, hat Microsoft mir immer die Gelegenheit gegeben, mich beruflich neu zu erfinden und innovative Projekte zu entwickeln. Dass das überhaupt möglich war und ist, spricht meiner Meinung nach auch für das Unternehmen selbst. Google wollte mich einmal mit der Zusage abwerben, dass jeder Mitarbeiter 20 Prozent seiner Zeit für eigene Projekte verwenden darf. Ich lehnte dankend ab, mit dem Hinweis, dass ich 100 Prozent meiner Zeit das machen kann, was ich wirklich will.

Für Sie persönlich mag dieser Umstand vielleicht zutreffen. Was allerdings den Konzern betrifft - entwickelt sich die beschriebene Verantwortung gegenüber Mio. von Usern nicht zunehemend zu einem Problemfaktor, der innovative Entwicklungen zum Erliegen bringt?

Trower: Das ist natürlich eine grosse Herausforderung, wie man innovativ weiterrudert und gleichzeitig die bestehende Kundschaft und existierende Systeme weiter betreut. Auch ist es kein Geheimnis, dass es wesentlich schwieriger ist, innovativ zu sein, wenn man erfolgreich ist. Denn wenn man sich zu sehr auf den Erfolg verlässt und zu stark auf existierende Kunden fokussiert, kann es leicht passieren, dass man nicht realisiert, wenn sich Dinge fundamental ändern.

So wie es Microsoft beim Internet Explorer passiert ist?

Trower: Was das Internet betrifft, haben Sie Recht. Microsoft hat hier beinahe den Zeitpunkt der Innovation verpasst. Ich glaube zwar nicht, dass wir ihn verpasst haben. Immerhin haben wir den populärsten Webbrowser der Welt. Was die Wichtigkeit der Websuche betrifft, haben wir diese jedoch definitiv falsch eingeschätzt. Wir sehen das jetzt natürlich anders und investieren stark in diesen Bereich. Denn bei allem Respekt für Google muss man auch sehen, dass die vorherrschenden Suchtechnologien noch lange nicht der Weisheit letzter Schluss sein können. Denn wenn das schon alles wäre, was in diesem Bereich möglich ist, wäre ich persönlich enttäuscht.

In ihren Bestrebungen, Suchtechnologien zur Verfügung zu stellen, unterscheiden Sie sich derzeit aber auch nicht wesentlich vom Mitbewerb.

Trower: Weder Microsoft, Google oder Yahoo haben den nächsten wahren Schritt der Innovation in diesem Bereich bisher geschafft. In Zukunft wird es nicht darum gehen, Tausende verschiedene Suchresultate zu erhalten. Vielmehr sollten die gewünschten Informationen so schnell wie möglich tatsächlich gefunden werden. Dass in dieser Hinsicht viel in Bewegung ist, zeigen die Weiterentwicklungen von Suchfunktionalitäten, die über die Textebene hinausgehen, wie auf Plattformen wie Virtual Earth. Das Gute an der Marktsituation ist, dass grosser Wettbewerb herrscht. Davon werden alle Kunden profitieren.

Diese Feststellung ausgerechnet von Microsoft zu hören, entbehrt angesichts der eigenen Marktdominanz nicht einer gewissen Ironie.

Trower: Wettbewerb ist enorm wichtig und zwingt Unternehmen zu Höchstleistungen. Die Kunst Microsofts war es immer, den Mitbewerber und den Erfolg seiner Produkte zu verstehen, um dann auszutüfteln, wie man es noch besser machen kann. Microsoft war nicht das erste Unternehmen mit einem Textverarbeitungs- oder Tabellenkalkulationsprogramm. Und auch Windows wurde nicht deshalb erfolgreich, weil angeblich geheime Technologien der Macintosh-Plattform verwendet wurden. Vielmehr hat Steve Ballmer sowohl bei Windows als auch bei Word und Excel mehr Zeit in Gespräche mit Entwicklern der damaligen Marktführer Lotus und Word Perfect investiert als mit den eigenen Leuten intern. Dazu kam die Zusammenarbeit mit Drittentwicklern sowie ein Haufen Überzeugungsarbeit bei den Industrieführern.

Welche Rolle kam der Macintosh-Plattform in dieser Hinsicht mit ihrem revolutionären grafischen Interface zu?

Trower: Im Gegensatz zu vielen anderen in der Industrie war Bill Gates damals überzeugt davon, dass Steve Jobs auf dem richtigen Weg war und die Übertragung von Applikationen in eine grafisch ansprechende Umgebung enorme Vorteile bot. In Wahrheit hat allerdings auch nicht der Macintosh alles in Gang gebracht. Schon davor hat Bill Gates einen Xerox Star erworben, um seinen Entwicklern demonstrieren zu können, wie Applikationen in einem grafischen Interface auszusehen haben. Die Entwickler hinter Lotus oder WordStar haben diese Vorteile nicht oder erst zu spät erkannt.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

(ht/pte)

 
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