«Ohne Geld spielt keine Musik»

Die Verzweiflung des Bobsports

publiziert: Donnerstag, 27. Jan 2011 / 11:02 Uhr
Reto Götschi und der Bob-Verband brauchen viel Kampfgeist um zu überleben.
Reto Götschi und der Bob-Verband brauchen viel Kampfgeist um zu überleben.

Am Wochenende gastiert der Bob-Weltcup in St. Moritz. Dem angeschlagenen Schweizer Verband bietet sich die Chance, Werbung in eigener Sache zu betreiben. Doch die Möglichkeiten sind begrenzt, die Krise ist noch nicht überwunden.

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2010 ging als eines der schwärzesten Jahre in die Geschichte des Schweizerischen Bobsleigh-, Schlitten- und Skeleton-Sportverbands ein. Im SBSV zeigten sich Auflösungserscheinungen. Der Bankrott wurde in letzter Sekunde abgewendet. Die Situation hat sich unterdessen nicht markant verbessert. In diesem Winter muss man mit einer Notfall-Strategie über die Runden kommen. Trotzdem verbreitet Reto Götschi - der einstige Top-Pilot gilt im interimistischen Präsidium als Vorsitzender - Optimismus.

Götschi kann noch keinen neuen Hauptsponsor präsentieren, er sagt aber: «In den vergangenen Wochen haben wir ein Finanzierungs-Konzept erarbeitet, das diverse Modelle zulässt und Nachhaltigkeit garantiert. Parallel dazu konnten wir mit möglichen Geldgebern Gespräche führen.» Er berichtet überdies, dass das Einvernehmen innerhalb der präsidialen «Task Force» sehr gut sei. Wichtige Exponenten seien in die Planung eingebunden. Zudem habe man Altlasten eliminiert.

Grosse Stücke hält Götschi auf das neu verpflichtete Nationaltrainer-Paar Sepp Plozza/Françoise Burdet. «Die beiden übertreffen unsere Erwartungen», frohlockt der Zürcher, «sie erledigen nicht nur in ihrem Kern-Geschäft einen Super-Job. Wir erhalten auch von den Athleten positive Feedbacks.» Als bedeutendste Erfolge in der jungen Ära Plozza/Burdet stechen die in Igls errungenen Weltcup-Podestplätze von Beat Hefti (Sieg) und Fabienne Meyer (3.) heraus.

Verschiedene «Baustellen»

Bei aller Zuversicht ist sich Götschi bewusst, dass er vor existierenden Problemen nicht die Augen verschliessen kann. Um für den Heim-Weltcup die Werbetrommel zu rühren, hätte es schlichtweg an Ressourcen gemangelt. Andere «Baustellen» seien pendenter gewesen. Der SBSV muss im Vergleich zu früher mit einem viel schlankeren Staff auskommen. Geschichten, wie jene um die interne Sperre gegen Beat Hefti, seien künftig abzufangen, bevor es zum Eklat komme.

Der Schweizer Verband leidet darunter, dass die Kosten für seinen Sport nicht sinken. Der Umfang des internationalen Kalenders nimmt nicht ab. Immer mehr Weltcups finden ausserhalb von Europa statt. Die hiesigen Athleten müssen oft im Ausland trainieren, weil hierzulande bis Mitte Saison keine Bahn zur Verfügung steht. Der Eiskanal in St. Moritz ist jeweils erst kurz vor Weihnachten bereit.

Im Wettrüsten, auch was das Material anbelangt, ist die Konkurrenz aus Deutschland und Russland enteilt. Die Spiesse sind momentan nicht gleich lang. Götschi fordert deshalb dringend Unterstützung aus unserer Wirtschaft. Das Projekt «CITIUS» ist auf Eis gelegt. Obwohl insbesondere im Vierer Nachholbedarf bestehen würde. Götschi appelliert weiter an die regionalen Klubs. Diese hätten die Pflicht, mit Hilfe eines Scoutings potenzielle Spitzenathleten und engagierte Funktionäre ins Boot zu holen. Die zweite Garde hinter dem Weltcup-Kader ist schmal besetzt.

Bitterer Vergleich mit Wok-WM - Ferriani als Hoffnungsträger

Ähnliche Probleme kennen auch etliche andere Bob-Verbände. Nicht nur in der Schweiz grassiert die Krise. Die traditionsreiche Sportart ist in der aktuellen Verfassung ein Pflegefall. Nationaltrainer Plozza meinte vor einer Woche: «Es ist eigentlich wahnsinnig, dass in Winterberg Tausende zu Stefan Raabs Wok-WM strömen, aber bloss ein paar hundert zu unseren Europameisterschaften.» Bezüglich Zuschauer-Zahlen bleibt der Boom aus. Bob-Bilder im Fernsehen sind seltener geworden. Das IOC dürfte an diesem Schattendasein kaum Gefallen finden.

Zu jenen Personen, welche die Genesung einleiten sollen, gehört Ivo Ferriani. Der Italiener ist vor vier Monaten in einer Kampf-Wahl zum neuen Präsidenten des Weltverbands FIBT bestimmt worden. Insider setzen grosse Hoffnungen in den volksnahen Glatzkopf. Als ehemaliger Aktiver und Trainer sollte er um die Bedürfnisse der Beteiligten wissen.

Ferriani und sein Gefolge, zu dem der Aargauer Christian Reich zählt, wollen Bob wieder beleben. Ein zentrales Anliegen ist der neuen Führungs-Crew eine bessere Vermarktung und eine höhere Medien-Präsenz (aus St. Moritz sendet SF Teilaufzeichnungen). Es wird geprüft, ob schon bald Helm- und Bob-Kameras zum Einsatz gelangen, um wie in der Formel 1 die Action-Szenen und Emotionen authentischer zu den TV-Konsumenten zu transportieren. Und dank Grafiken sollen die Fans die Fahrfehler leichter erkennen. Den Leuten vor Ort möchte man attraktivere Rahmenprogramme bieten. Als Vorbild dient die Stimmung von Biathlon-Spektakeln.

«Doch ohne Geld spielt keine Musik», hält Ferriani fest, «und man muss uns Zeit geben, bis die Ideen greifen.» Auf Geduld pocht auch Reto Götschi bei der Bewältigung der «Schweizer» Traktanden: «Es kann nicht alles von heute auf morgen umgekrempelt werden.»

St. Moritz. Weltcup. 7. Station.

Programm:
Freitag. 8.45 Uhr: Skeleton Männer. 13 Uhr: Skeleton Frauen.
Samstag. 9.30 Uhr: Zweier-Bob Männer. 13.15 Uhr: Bob Frauen.
Sonntag. 10 Uhr: Vierer-Bob Männer.

(dyn/sda)

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