Die letzte grosse Diva

Erst letzten Samstag beim Filmfestival Venedig hatte Sophia Loren wieder mal ihren Auftritt. Da stand sie, die wohl letzte grosse Diva unserer Zeit: Trägerloses Kleid, tiefer Ausschnitt, die Schultern entblösst - nur ein paar leise Fältchen um den Mund liessen Spuren der Zeit erahnen.

Die anderen Stars und Sternchen auf der Bühne waren gut 40 Jahre jünger als sie - eine Chance hatten sie trotzdem nicht. Am Montag wird Sophia Loren 70 Jahre alt. "Alter ist doch unwichtig", sagt sie lächelnd.

Das Gewagte und Kokette waren schon immer ihre besten Rollen, noch heute liebt sie es, mit ihrer Weiblichkeit zu spielen: "Wenn ich mich im Spiegel sehe, denke ich noch immer: Gar nicht so schlecht, die Loren!"

Gymnastik am Genfer See

Schliesslich tue sie auch was dafür, jeden Tag nach dem Aufstehen Gymnastik und Laufen im eigenen Park am Genfer See. "Aber erst mal Schminken, vor allem um die Augen. Denn auch um sieben in der Früh: Die Loren ist schliesslich die Loren."

Dabei hat sie sich längst eine zweites Image zugelegt. "Mamma Sophia", nennen die heimischen Medien sie heute - ein grösseres Lob kann es in Italien nicht geben. Lasziv und verführerisch, zugleich bodenständig und mit Herzenswärme, frivol und doch moralisch, so waren auch die grössten Rollen der Diva.

Etwa in "Hochzeit auf Italienisch" (1964) mit ihrem Traumpartner Marcello Mastroianni, oder in "Und dennoch leben sie" (1960), gerade mal 26 Jahre war sie damals. Erst mit diesem Film sei sie wirklich zur Schauspielerin geworden, sagte sie einmal - und erhielt einen Oscar dafür.

Heirat mit Carlo Ponti

"Ich habe im Leben viel mehr erreicht, als ich je geträumt hatte", sagte die Frau mit dem grosszügigen Mund und den grünen Katzenaugen, die im Arbeitervorort Pozzuoli in Neapel aufwuchs. Schon früh hatte die allein erziehende Mutter Grosses vor mit ihr, schon als 14-Jährige musste die Tochter zu Schönheitswettbewerben.

Die Stunde des Schicksals schlug, als sie 1950 Carlo Ponti kennen lernte. Der war zwar einen Kopf kleiner und 21 Jahre älter als sie und von Schönheit nicht gerade gesegnet, aber er war Filmproduzent. Er machte die 16-Jährige zum Weltstar.

"Drei Sünderinnen" war 1953 der erste grosse gemeinsame Erfolg. Eines der erfolgreichsten Paare der Filmgeschichte hatte sich gefunden. Nur privat ging die Sache schwieriger voran, Ponti war verheiratet, Scheidung in Italien damals tabu. Erst 1966 wurde eine rechtskräftige Ehe geschlossen.

Traumpartner Mastroianni

Die Loren spielte an der Seite von Richard Burton, Marlon Brando, und mit Cary Grant, mit dem sie eine Affäre gehabt haben soll. Doch immer wieder war es Mastroianni, mit dem sie am liebsten spielte. Sie waren das Traumpaar des italienischen Kinos. "Wir sind austauschbare Teile ein und desselben Köpers", sagt die Loren.

100 Filme hat die Vollblutitalienerin mit eiserner Disziplin, die angeblich jeden Abend um neun Uhr schlafen geht, bisher gedreht. Nebenbei schrieb sie ein Kochbuch, in dem sie von neapolitanischer Pasta schwärmt.

Verführerisches Dekolleté und die Beine einer 20-Jährigen, doch zugleich "Mamma Sophia" und sittsamer Familienmensch - so liebt Italien seinen Superstar. Ihr grösster Wunsch zum 70., das verriet sie neulich, sei übrigens ein "nipotino" - ein kleiner Enkel.

(Von Peer Meinert/dpa)