Du Pornopuppe, ich Imam

publiziert: Mittwoch, 4. Feb 2015 / 15:19 Uhr / aktualisiert: Donnerstag, 5. Feb 2015 / 08:24 Uhr
Noch ein mittelalterliches Geschlechterbild - dieses knappe 80 Jahre alt... und doch dem derzeitigen Zeitgeist so mancher entsprechend.
Noch ein mittelalterliches Geschlechterbild - dieses knappe 80 Jahre alt... und doch dem derzeitigen Zeitgeist so mancher entsprechend.

Voller Entsetzen titeln die Boulevardmedien «Das mittelalterliche Frauenbild eines Imams». Einmal mehr zeigen sich «die Barbaren», hier am Beispiel einer radikalislamischen Moschee in Neukölln. Wenn es doch nur so einfach wäre!

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In den detaillierten Anwendungstechniken für Frauenkörper glich der Iman einem postmodernem Biologie-Aufklärungsunterricht beispielsweise in München. Hat die Frau ihre Tage, sind nur «Anus und Vagina» tabu - so ähnlich wurde auch mein jüngster Sohn kürzlich im Biologieunterricht instruiert. Dass er als 12jähriger schon mehr über Genitalwarzen wusste als über die Leistungen einer Marie Curie plus deren grosse Liebe zu Pierre Curie (was wahrscheinlich mehr über das Glück menschlicher Liebe und Erfindungskraft erzählt hätte als das genaue Studium sämtlicher Geschlechtskrankheiten) erschien nur mir ähnlich absurd wie die unglaublich «modernen» Aussagen des Imam.

Solange der Islam als Barbarei, «unsere» Aufklärung indessen als «Zivilisation» verstanden wird, verpassen wir die genaue Analyse dessen, was die Barbaren mit uns nicht nur verbindet, sondern wie wir zu Mittätern in der Propaganda der Menschenmörder mutieren (bitte die sorgfältige Wortwahl beachten). Jede religiöse Äusserung manifestiert nichts anderes als die irre Kehrseite beispielsweise der postmoderner Pornografisierung des Alltags und des Wissenschaftsbetriebes (Stichwort Biodiktatur).

Viel wurde über die Ähnlichkeit der Verhüllung dort und der Enthüllung hier geschrieben, doch nur höchst selten wird erkannt, dass sich die Menschenbilder hüben und drüben erschreckend ähnlich sind. Dies gilt besonders bezüglich der Kategorie «Frauen». Es wäre höchste Zeit, die mediale Berichterstattung endlich von den Unterschieden dort hin zu den Ähnlichkeiten hier zu führen. Dabei geht es nicht darum, die «bösen» Islamisten mit den «Bösen hier» zu «entschuldigen», wie dies die Aber-Fraktion nach den Attentaten zu Charlie Hébdo so gerne getan hat, sondern es geht um die Möglichkeit, auf der Ebene der Sprache und der Bilder und der Medienberichterstattung endlich auch der emanzipatorischen Politik von Freiheit, Gleichheit und Solidarität eine Chance zu geben.

Wenn der zitierte Imam Frauenunterdrückung predigt, drückt er gleichzeitig den Knopf der Medienmaschine für seine Propaganda und kann befriedigt feststellen: Ziel erreicht. Wenn ein Gleichstellungspolitiker beispielsweise die Freiheit des weiblichen Begehrens publiziert (und dies nicht biologisch-technisch tut), dann kann er sicher sein, dass entweder der mediale Knopf gar nicht gedrückt, sondern der Wissenschaftler selber ins Visier der Frauenhasser gerät und mit grösser Wahrscheinlichkeit in der medialen Lächerlichkeit als «Frauenversteher» regelrecht kastriert wird. Wissenschaftlerinnen passiert dies medial genauso «mittelalterlich» wie das Frauenbild des Imams: Sie werden sofort als «frustrierte Emanze» diffamiert, selbst dann, wenn sie wie Gisèle Bündchen in ihren besten Modelauftritten aussehen.

Die Medienmechanismen zeigen: Es gibt keine Politik der Menschlichkeit, Gleichberechtigung und Menschenrechte, wenn es medial keine Sprache, keine Bilder, kein Erkennen für Gleichberechtigung und Emanzipation gibt. Wer die Bilder besetzt, beherrscht die Köpfe. «Mittelalterlich» ist am Frauenbild des Imans überhaupt nichts, im Gegenteil. Es entspricht - Frau als Zweck - exakt dem Pornopüppchen- oder Social Freezing-Managerinnenbild zeitgenössischer Frauen. Wohl deshalb finden die Zitate dieser armseligen Männerwürstchen auch immer wieder massenmediale Aufmerksamkeit. Dort die Taten, hier die entsprechenden Bilder, die dann auch prompt via Medienkanäle massenhaft verbreitet werden.

Frauenhasser sind medial immer besser positioniert als Menschen, die für die Gleichberechtigung einstehen. Mörder machen Schlagzeilen, normale «Gutmenschen» nie. Verbrecher gehen in die Geschichtsbücher ein, Menschen, die sich beispielsweise für freie Sexualität, rechtliche Gleichstellung und Wahlrecht eingesetzt haben, werden verschwiegen, verdrängt, in Bild und Wort («frustrierte Feministin», «Frauenversteher», «Suffragetten» und Wikipediaeinträgen) entsorgt. Die Vermarktung des Grauens ist wesentlich ergiebiger als die Verbreitung von Menschlichkeit.

Ein Artikel über einen Imam mit «mittelalterlichem Frauenbild» verletzt die Qualität aufgeklärter Information ebenso wie wenn der IS als «Barbarentum» privatisiert und in die Ecke des «Anderen», des «Unmodernen» positioniert wird. Informativer wäre wohl die Schlagzeile: «Imam propagiert das Frauenbild der zeitgenössischen Pornoszene» oder punkto IS: «Äusserst zivilisierte, modern ausgerüstete und von der Finanzwelt gesponserte PR-Akteure islamischer Herkunft publizieren einen neuen Werbespot.»

(Regula Stämpfli/news.ch)

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Sie haben völlig Recht, PMPMPM
Den Medientanz um die Aussagen eines Imans steht in keinem Verhältnis zu den Zuständen, in denen Millionen Frauen in vielen patriarchalen Ländern, nicht nur in muslimischen, dahinvegetieren. Aber diese Äusserungen des "Gottesmannes" stehen im gleichen Kontext. Daraus ein Lamento über die ach so heuchlerische und Pawlatschen Reaktionen der Medien anzustimmen, erreicht am Ende das Gleiche, wie das von Frau Stämpfli beklagte, nämlich die Übergewichtung der Bedeutung des rückständigen Imans und seine absonderlichen Ansichten.
Worin jedoch Frau Stämpflis Kritik richtig liegt, ist, man sollte nicht jeden Bockmist eines ungebildeten und zurückgebliebenen Imans gleich in allen Medien glauben kommentieren zu müssen.
Dass es mit der wirklichen Gleichberechtigung von uns Frauen auch im aufgeklärten Westen hier nicht zum Besten bestellt ist, ist ja keine sehr neue Erkenntnis mehr. Aber es ist schon ein Abstand von Äonen zum Zustand, wie Frauen an anderen Orten der Welt einfach aus Tradition heraus misshandelt, verstümmelt und verachtet werden.
Es ist meiner tiefsten Überzeugung entsprungen, wenn ich sage, dass man auch das bereits Erreichte in dieser Sache und den gewaltigen Fortschritt gar nicht genug herausstreichen kann!
Offenbar ist sich Frau Stämpfli gar nicht bewusst, dass sie mitten im Mainstream steht, den sie zu beklagen glaubt.
nein danke
Eine solche Gleichschaltung ist nicht angebracht, denn wenn Frau Stämpfli in der westeuropäischen Praxis allenfalls die fehlende Würdigung weiblicher Leistungen oder die nicht 100% entsprechende Bezahlung bemängeln kann, geht es in islamischen Ländern um Leben und Tod. Unfolgsame Frauen können umgebracht werden, eingesperrt ohnehin, ohne Zustimmung des männlichen "Vormunds" ist jede weibliche Aktivität ausserhalb des eigenen Haushalts selbst in ganzen Staaten wie Saudiarabien verboten. Das Leiden einzelner Frauen in unseren aufgeklärten Gebieten mit jenem in streng muslimischen Ländern gleichzusetzen, ist skandalös. Würde ein Mann so etwas schreiben, er dürfte nichts mehr publizieren...
nein danke
Eine solche Gleichschaltung ist nicht angebracht, denn wenn Frau Stämpfli in der westeuropäischen Praxis allenfalls die fehlende Würdigung weiblicher Leistungen oder die nicht 100% entsprechende Bezahlung bemängeln kann, geht es in islamischen Ländern um Leben und Tod. Unfolgsame Frauen können umgebracht werden, eingesperrt ohnehin, ohne Zustimmung des männlichen "Vormunds" ist jede weibliche Aktivität ausserhalb des eigenen Haushalts selbst in ganzen Staaten wie Saudiarabien verboten. Das Leiden einzelner Frauen in unseren aufgeklärten Gebieten mit jenem in streng muslimischen Ländern gleichzusetzen, ist skandalös. Würde ein Mann so etwas schreiben, er dürfte nichts mehr publizieren...
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