EU-Verfassung auf Messersschneide

publiziert: Montag, 16. Mai 2005 / 07:30 Uhr

Paris - Bis zum Schluss auf Messers Schneide steht der Ausgang des Referendums zur Europäischen Verfassung in Frankreich. Ein "Nein" der Franzosen würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Scheitern der Verfassung bedeuten.

Die Ruhe vor dem Sturm: Sollten die Franzosen die Verfassung ablehnen, könne man sie begraben.
Die Ruhe vor dem Sturm: Sollten die Franzosen die Verfassung ablehnen, könne man sie begraben.
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Rechtlich wäre das laut Experten kaum bedenklich, da die Union mit dem Vertrag von Nizza weiterleben könnte. Politisch jedoch sind die Folgen kaum absehbar, weshalb Politiker und Diplomaten Diskussionen über einen möglichen "Plan B" für den Tag nach einem Nein aus Frankreich tunlichst vermeiden.

Absehbare Folge bei einem französischen Nein wäre zunächst, dass die europäische Verfassung nicht in Kraft treten kann, stellt der Präsident des Europäischen Instituts in Florenz, Yves Mény, fest.

Welche Schritte darauf folgen müssten, ist unklar, da das Vertragswerk - ausser einem Sondergipfel - keine eindeutigen Massnahmen für den Fall vorsieht, dass ein Mitgliedsstaat die Verfassung ablehnt.

Weitere Volksabstimmungen

Damit wären umgehend auch die Volksabstimmungen in anderen EU-Ländern über den Verfassungsvertrag gefährdet: Die Niederländer stimmen am 1. Juni über den Text ab, Luxemburg hat ein Referendum für den 10. Juli anberaumt, und auch Grossbritannien, Dänemark, Portugal und Polen wollten ihre Bevölkerung zu der Verfassung konsultieren - eigentlich.

Denn der britische Premierminister Tony Blair hat bereits angedeutet, "über nichts" könnten die Briten wohl kaum abstimmen, und auch Polens Präsident Aleksander Kwasniewski hat eingeräumt, dass ein französisches Nein "die Abstimmung in Polen in Frage stellen würde".

Frankreich mit Signalwirkung

Aber selbst bei einem Festhalten an den Abstimmungen könnten die Wähler in den anderen Staaten aufgrund der Haltung Frankreichs auch zu einem Nein tendieren.

"Das hätte einen Domino-Effekt, gerade bei einem Land wie Polen, das sowieso sehr zögerlich ist", erwartet Mény. Und die Briten könnten "in aller Ruhe" mit Nein stimmen, da "Frankreich ja als Beispiel vorangegangen wäre".

Dies wäre um so gravierender, als Frankreich einer der grossen Gründerstaaten der Union ist und gemeinsam mit Deutschland als bedeutende Triebkraft der europäischen Einigung gesehen wird.

Ein Nein wäre "ein Vertrauensbruch zwischen dem französischen Volk und Europa", betont der Chef des Instituts für Europäische Studien der Freien Universität Brüssel, Paul Magnette.

Keine Neuverhandlungen

Ausgeschlossen wird von allen Experten und Politikern eine Neuverhandlung der Verfassung. "Da gibt es nicht den Hauch einer Chance, das kommt nicht in Frage, eine Neuverhandlung gibt es nicht", sagte Frankreichs Präsident Jacques Chirac in einem Fernsehinterview. Allein schon die Kräfteverhältnisse in der erweiterten Union sprächen dagegen, meint auch Europa-Experte Magnette.

Die neuen Mitglieder mit ihrer liberal ausgerichteten Politik würden Frankreich nicht entgegenkommen. Und die traditionellen Partnerstaaten wie Deutschland, Belgien oder Luxemburg "wären so entmutigt, dass der Aufbau Europas nicht so schnell wieder in Schwung kommen würde".

(Von Kim Rahir/afp)

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