Eine 'Ottokratie' führte zum Erfolg

publiziert: Mittwoch, 16. Jun 2004 / 12:54 Uhr

Unter einem deutschen Trainer setzte Griechenlands Nationalteam in den letzten Jahren zu einem Höhenflug an, wie ihn das Land noch nie erlebt hat. Bundesliga-Urgestein Otto Rehhagel brachte den Hellenen mit deutschen Tugenden den Erfolg.

Otto Rehhagel ist so beliebt, er darf in Athen sogar die Busspur benutzen.
Otto Rehhagel ist so beliebt, er darf in Athen sogar die Busspur benutzen.
Die Heimatstadt des inzwischen 65-jährigen Rehhagel ist die Ruhrpott-Metropole Essen, wo Arbeit und Fussball in dieser Reihenfolge unumstrittene Lebensmittelpunkte sind und er in einfachen Verhältnissen aufwuchs. Vom Malerlehrling arbeitete sich der ehemalige Verteidiger zu einem der profundesten Kenner der europäischen Szene empor.

Über 1000 Bundesliga-Partien, so viele wie kein anderer, hat Rehhagel als Aktiver und Coach auf seinem Buckel. Der Lohn seiner schon über 40-jähriger Karriere waren die ingesamt zehn Titel mit Fortuna Düsseldorf, Werder Bremen und Kaiserslautern, darunter 1992 mit Werder den Europacup der Cupsieger. "Ich bin ein Kind der Bundesliga", pflegte Hobby-Philosoph Rehhagel jeweils nicht ohne Stolz zu sagen.

Zuerst viel Kritik in Griechenland

Im August 2001 zog er, der die Karrieren von Rudi Völler, des auch in der Schweiz bekannten Wynton Rufer (u.a. GC, Aarau), Michael Ballack oder Miroslav Klose entscheidend vorantrieb, nach Griechenland, um seinen ersten Job als Nationaltrainer anzutreten. Die Kritik im "Land der Götter" war gross. Ausgerechnet einer, der die Mentalität nicht kennt und der schwierigen Sprache nicht Herr ist, sollte die Griechen aus dem Mittelmass holen? Das 1:5 im ersten Länderspiel unter Rehhagel in Finnland war eine Bestätigung für die Pessimisten.

Doch mit dem Einfluss typisch deutscher Eigenschaften wie Teamdenken und vor allem Seriosität schaffte es Rehhagel zum nicht erwarteten Erfolg. Bei einem Testspiel in Russland etwa, als Rehhagel noch nicht offiziell Trainer, aber schon Mitglied der Delegation war, musste die Mannschaft mehrere Stunden auf dem Moskauer Flughafen ausharren, weil der griechische Verband einige Formalitäten verschlampt hatte. Solche Vorfälle sollten unter dem deutschen Chef nie mehr vorkommen.

Disziplin und Strategie

Mit dem Motto "Disziplin und Strategie" schaffte es Rehhagel, die individuell unbestrittene Klasse der Mannschaft zu einer Einheit zu formen. "Wir Griechen sind von Natur aus nicht diszipliniert", sagte Mittelfeldspieler Stylianos Giannakopoulos von den Bolton Wanderers einst. Rehhagel habe diese Tugend mit den griechischen Eigenschaften vereint. "Das ist ein perfekter Mix."

Rehhagel nahm auch einige personelle Änderungen vor. Aus dem Team, das bei der Premiere des neuen Coaches in Finnland vorgeführt wurde, sind im EM-Aufgebot 2004 noch Angelos Basinas und Nikos Dabizas dabei. Mit Hilfe seines omnipräsenten Dolmetschers schaffte es der Disziplinfanatiker, privat ein Liebhaber von klassischer Musik und Literatur, die Stars Themistoklis Nikolaidis und Vasilios Tsartas zu einem Nationalmannschafts-Comeback zu überreden. Ebenso gelang es ihm, bei den Griechen neues Nationalbewusstsein zu entfachen. Fokussierte sich vorher alles auf die drei Grossvereine Panathinaikos, AEK und Olympiakos und deren stete Champions-League-Qualifikationen, interessierte sich das Land in der EM-Qualifikation erstmals seit langem wieder für die Auswahl.

Ehrenbürger?

Die Fortschritte mit der ersten EM-Qualifikation seit 24 Jahren unter Rehhagel sind bekannt, die Folgen ebenfalls. Und ausgerechnet die Medien, die den Deutschen erst verfluchten, forderten schon nach dem Sieg im EM-Eröffnungsspiel gegen Portugal, ihn doch zum griechischen Ehrenbürger zu ernennen. Die Athener Sportzeitung "Goal" schrieb: "Egal, was kommt: Wir bedanken uns bei Dir für das, was Du uns beigebracht hast!". Noch einen Schritt weiter ging "Athitiki": "Wahnsinn. Rehhagel (ist) der Grösste."

Rehhagel weiss aber zu genau, dass Fussballfans in Südosteuropa zu gern in Euphorie verfallen: "Wenn wir zweimal gewinnen, wollen alle Europameister werden. Wenn wir zweimal verlieren, wollen sich alle ins Meer stürzen. Was fehlt, ist das Mittelmass." Aber mit Mittelmass hat sich Otto Rehhagel ebenfalls nie zufrieden gegeben. Und im Gegensatz zur WM 1994 in den USA, wo Griechenland mit Presseterminen und Empfängen glänzte und dann punktelos (0:10-Tore) nach der Vorrunde die Heimreise anzutreten hatte, wird die Mannschaft nun auch gegen aussen hin abgeschottet. Selbstgefälligkeit will Rehhagel gar nicht aufkommen lassen, auch wenn er selber mittlerweile offen von der Viertelfinal-Qualifikation redet. Der offizielle EM-Plan der Griechen jedenfalls endet bis dato immmer noch mit dem letzten Gruppenspiel gegen Russland am 20. Juni...

(Stefan Baumgartner, Porto/Si)

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