Englische Kaderschmiede für Kindermädchen
Bath - Sie kennt alle Kinderlieder auswendig und zaubert gesunde Kost auf den Tisch. Sie ist zuverlässig wie ein Uhrwerk und hat eine Engelsgeduld. Wenn sich Eltern auf die Suche nach einem Kindermädchen machen, haben sie meist klare Vorstellungen im Kopf.
Das prestigeträchtige College, das seit mehr als hundert Jahren Kindermädchen ausbildet, liegt in der kleinen Stadt Bath im Südwesten Englands. Reiche, Prominente und Mächtige aus der ganzen Welt klopfen hier an, wenn sie eine Babysitterin für ihren Nachwuchs suchen.
«Die Nachfrage ist seit jeher gross. Alle Norland-Absolventinnen verlassen das College mit einem Job, und sie haben eine lebenslange Jobgarantie», sagt Schulleiterin Thirza Ashelford.
Waren es bislang vor allem wohlhabende Familien aus Grossbritannien, den USA und dem Nahen Osten, die sich ans Norland College wandten, so kamen in letzter Zeit viele reiche Russen hinzu.
Zur Beliebtheit britischer Kindermädchen mag auch die wohl bekannteste Nanny des Landes beigetragen haben: Mary Poppins. Zwar schweben die Norland-Absolventinnen nicht mit einem Regenschirm durch die Lüfte wie ihr fiktives Vorbild aus dem Kinderbuch von 1934. Doch sie müssen eine harte Schule durchlaufen.
Männer Mangelware
Zwei Jahre büffeln die überwiegend weiblichen Studenten mit dem charakteristischen Hütchen am College, ehe sie ein Probejahr in einer britischen Familie ableisten. Nur zwei Männer haben sich das bisher zugetraut. «Wir haben sehr anspruchsvolle akademische Fächer wie Kinderbetreuung, Psychologie, Recht und Finanzmanagement, und wir vermitteln zahlreiche praktische Fähigkeiten», erzählt Ashelford.
Angefangen hat alles einmal mit einem Kindergarten im Westen Londons, am Norland-Platz Nummer neun. Die Villa, die das College nun seit fünf Jahren beherbergt, liegt mitten in Bath, zwischen einem Supermarktparkplatz und einer stark befahrenen Strasse. Hier durchlaufen die rund 100 Studenten sechs Kurseinheiten.
Gute Investition
Für eine Kurseinheit müssen die künftigen «Super Nannys» zwischen 7000 und 8000 Franken berappen. Mit Blick auf die späteren Verdienstmöglichkeiten sei das nicht viel, sagt Rebekah Yeomans, Chefin der Stellenvermittlung am College. Das durchschnittliche Jahreseinkommen einer Absolventin liege bei etwa 80'000 Franken.
Ausserdem locken viele reiche Familien mit weiteren Vergünstigungen wie einer eigenen Wohnung oder einer Mitgliedschaft im Fitnessstudio. Andere stellen ein Handy zur Verfügung oder bieten dem Kindermädchen Urlaub in der familieneigenen Ferienwohnung an.
Harte Arbeit
Das Norland College schickt seine Absolventinnen nicht nur in alle Welt, es rekrutiert sie auch aus allen Erdteilen. So kommen Kursbesucherinnen aus Deutschland, Frankreich, Hongkong und Tansania.
Eine von ihnen ist Rebecca Newman. Die 20-Jährige war anfangs geschockt, wie hart ein Kindermädchen arbeiten muss. Vor allem eins hat sie gelernt: «Rumsitzen und mit den Kindern spielen reicht nicht.»
(von Elodie Mazein, AFP/sda)
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