Stickereikrise auf der Bühne

«Erstickte Träume» - Theaterpremiere in St. Gallen

publiziert: Samstag, 7. Nov 2015 / 14:50 Uhr
Rebecca C. Schnyder hat Erstickte Träume im Auftrag des Theaters St.Gallen verfasst.
Rebecca C. Schnyder hat Erstickte Träume im Auftrag des Theaters St.Gallen verfasst.

St. Gallen - Am Freitagabend hatte in der St. Galler Lokremise das Schauspiel «Erstickte Träume - St. Gallens stilles Erbe» Premiere. Die junge St. Galler Autorin Rebecca C. Schnyder beschäftigt sich darin mit den Folgen der Stickereikrise.

1 Meldung im Zusammenhang
War das nun eine Geschichtslektion? Oder vor allem eine gewiefte Demonstration theatralischer Mittel? Eines war die Premiere des Schauspiels «Erstickte Träume» der Autorin Rebecca C. Schnyder in der Lokremise am Freitagabend auf jeden Fall: kurzweilig und unterhaltend.

Die entscheidende Frage ist allerdings eine andere: Gelang es in den knapp 75 Minuten des Stücks, den Bogen zur Gegenwart zu schlagen - von der Stickereikrise, die vor rund hundert Jahren die Blütezeit von St. Gallen beendete, bis hin zur aktuellen Befindlichkeit der grössten Ostschweizer Stadt?

Einfallsreiche Inszenierung

Die Inszenierung durch Elisabeth Gabriel geizte nicht mit Einfällen: Das Stück begann, indem das Publikum durch «Museumsführerinnen» in den Theatersaal geleitet wurde. Von der Decke hingen ein Dutzend Schneiderpuppen, im Hintergrund der Bühne war eine historische Handstickmaschine aufgestellt.

Über Lautsprecher erinnerten Stimmen an die grosse Zeit der St. Galler Stickerei und damit an die Jahre zwischen 1860 bis zum ersten Weltkrieg, als Erfindungsgeist und Kreativität der St. Galler Textilindustriellen zu grossem Reichtum führte - und zu ebenso grossen Plänen für die Stadt.

Dramatischer Einbruch

Das Schauspiel, ein Auftrag des Theaters St. Gallen an die Autorin, entwickelte sich nach dem etwas methodisch-didaktischen Start zu einem Streifzug durch die Stickereigeschichte. Es traten Figuren auf, die symbolisch den Aufstieg - und vielleicht auch den Abstieg - verkörperten: Etwa Isaak Gröbli (Bruno Riedl), der Erfinder der Schifflistickmaschine. Zeitweise glich das Stück einer bunten Revue, dann wieder wurde es sozialkritisch: Die geschundenen Sticker, die in der Krise alles verloren hatten, skandierten: «Nie mehr Stoffe!»

Karger Boden für Visionen

Den Bezug zur Gegenwart personifizierte Alex (Dominik Kaschke), Abkömmling einer Textildynastie, der mit seinen Ideen im heutigen St. Gallen auf Skepsis und Ablehnung stösst. «Ein karger Boden für Visionen», lautete der Befund.

Den fehlenden Mut ortet die Autorin als direkte oder indirekte Folge der Stickereikrise. Die Stadt, der «glänzende Wurm im schmalen Tal» war dafür bestraft worden, dass sie sich zu gross dachte - und wohl auch zu sehr auf einen einzigen Industriezweig setzte. «Wir haben uns die Zukunft erstickt», heisst es zweideutig. Und: «Diese Stadt ist zum Stillstand gekommen.»

Stadt ohne Ehrgeiz

Die in St. Gallen lebenden Rebecca C. Schnyder (Jahrgang 1986) stellt damit zwei Thesen auf: Die eine lautet, dass in St. Gallen Innovation und Kreativität einen besonders schweren Stand haben, dass es der Stadt an Ehrgeiz fehlt. Dafür lassen sich Belege finden - aber auch das Gegenteil. Das Urteil bleibt dem Publikum überlassen: Es muss sein eigenes Bild am Urteil der Autorin messen.

Die andere These ist, dass dieser Zustand eine Folge der Stickereikrise ist - und nicht etwa der topografischen Lage oder des konservativen Umlands. Dies wird im Stück nur ansatzweise belegt.

Eine Herleitung wäre vielleicht auch schwierig: Zur Stickereiblüte gibt es in St. Gallen ausserhalb des Textilmuseums nur noch wenig Kontinuität - ausser in einigen Prachtbauten oder allenfalls noch beim CSIO mit seiner Kombination von Modeschauen und dem Reitsport, dem früher die Textilbarone frönten.

Damit bleibt auch die Überprüfung der zentralen Aussage des Stücks, nämlich dass ein einschneidender wirtschaftlicher Einbruch auch fünf Generationen später noch Folgen für die «Psyche» einer Stadt haben kann, dem Publikum überlassen.

(bert/sda)

Lesen Sie hier mehr zum Thema
Das diesjährige Familienstück ... mehr lesen
.
Digitaler Strukturwandel  Nach über 16 Jahren hat sich news.ch entschlossen, den Titel in seiner jetzigen Form einzustellen. Damit endet eine Ära medialer Pionierarbeit. mehr lesen 22
Ein Musical ist ein Theaterstück, das durch Gesang, populäre Musik und Tanz ergänzt wird.
Ein Musical ist ein Theaterstück, das durch Gesang, populäre Musik und Tanz ergänzt ...
Publinews Freizeitaktivitäten wie Musicals sind in Deutschland sehr beliebt und bieten eine tolle Möglichkeit, sich zu entspannen und unterhalten zu lassen. mehr lesen  
Preisverleihung  Bern - Zum krönenden Abschluss seiner 150. Jubiläumssaison beherbergt das Stadttheater Schaffhausen ... mehr lesen  
Immer dabei: Das Stier-Maskottchen bei der Preisverleihung.
In La Chaux-de-Fonds  La Chaux-de-Fonds - Das Museum für Kulturen des Islam in La Chaux-de-Fonds NE ist am Wochenende eröffnet worden. Den Besuchern wurden neben den Ausstellungen auch zahlreiche Treffen, Ateliers, Erzählungen, Kalligraphie-Kurse und Tanzvorführungen geboten. mehr lesen  
Jesse Eisenberg bevorzugt es, finstere Gestalten zu geben.
Kino Rolle des Magiers J. Daniel Atlas  Hollywoodstar Jesse Eisenberg (32) würde immer lieber einen bösen Buben spielen. mehr lesen  
Titel Forum Teaser
  • Pacino aus Brittnau 731
    Und noch ein Pionier . . . . . . ach hätten wir doch bloss für jeden hundertsten Juristen einen ... Fr, 24.06.16 09:54
  • jorian aus Dulliken 1754
    SRG: Eishockey & und der ESC Wer am Leutschenbach nicht gehorcht, muss den ESC oder die Eishockey WM ... Fr, 13.05.16 05:44
  • zombie1969 aus Frauenfeld 3945
    Die... Entscheidung von A. Merkel ist völlig richtig: -Sie ist juristisch ... So, 17.04.16 14:13
  • zombie1969 aus Frauenfeld 3945
    Komiker... Böhmermann wird vermurlich, damit die Türkei-Deal-Marionetten in Berlin ... Di, 12.04.16 13:37
  • Bogoljubow aus Zug 350
    Sind Sie sicher dass es nicht Erdowann oder gar Erdowahn heisst? So, 03.04.16 10:47
  • HeinrichFrei aus Zürich 431
    Zürich: von «Dada» zu «Gaga» Die «Dada» Veranstaltungen in Zürich zeigen, dass «Dada» heute eher zu ... Mo, 15.02.16 22:51
  • Midas aus Dubai 3810
    Finde den Unterschied Ah ja, wieder der böse Kapitalismus. Wie gesagt, haben Sie ein besseres ... Mo, 01.02.16 02:48
  • Kassandra aus Frauenfeld 1781
    Schöner kann man's nicht erklären «Es handelt sich hier um ausserordentlich sensible Figuren. Da ist zum ... So, 31.01.16 16:48
art-tv.ch Gotthard. Ab durch den Berg Das Forum Schweizer Geschichte in Schwyz zeigt die Tunnelbauten ...
Niconé.
Felix Steinbild
news.ch hört sich jede Woche für Sie die interessantesten neuen CDs an und stellt sie Ihnen hier ausführlich vor.
 
Stellenmarkt.ch
Kreditrechner
Wunschkredit in CHF
wetter.ch
Heute Fr Sa
Zürich 0°C 13°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich wolkig, aber kaum Regen
Basel 5°C 13°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt gewitterhaft
St. Gallen 1°C 9°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich wolkig, aber kaum Regen
Bern 0°C 12°C starker Schneeregenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich wechselnd bewölkt, Regen
Luzern 1°C 12°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt wechselnd bewölkt, Regen
Genf 5°C 14°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt wolkig, aber kaum Regen
Lugano 6°C 8°C wechselnd bewölkt, Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig anhaltender Regen anhaltender Regen
mehr Wetter von über 8 Millionen Orten