Flammender Appell Junckers an griechische Bevölkerung

Europa beschwört die Griechen: Sagt «Ja» zum Sparpaket

publiziert: Montag, 29. Jun 2015 / 12:12 Uhr / aktualisiert: Montag, 29. Jun 2015 / 17:21 Uhr

Brüssel/Athen/Berlin/Paris - Angesichts geschlossener Banken und drohender Staatspleite versucht Europa, Griechenland doch noch auf ein Ja zum Spar- und Reformpaket der Geldgeber einzuschwören. «Ein »Nein« würde ein Nein zu Europa heissen», sagte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker in Brüssel.

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Die Volksabstimmung in Griechenland wird nach den Worten des deutschen Vizekanzlers Sigmar Gabriel letztlich über den Verbleib des Landes im Euro entscheiden. Es gehe letztlich um die Frage «Ja oder nein zur Eurozone», sagte der Wirtschaftsminister nach Gesprächen mit den Partei- und Fraktionschefs im Kanzleramt in Berlin.

Kanzlerin Angela Merkel versicherte, man werde sich weiteren Verhandlungen nicht verschliessen, wenn Athen nach der Volksabstimmung darum bitten sollte. Auch Frankreich zeigte sich zur Wiederaufnahme der Verhandlungen mit Athen bereit. Er wünsche sich, dass die Gespräche weitergeführt würden, sagte Frankreichs Präsident François Hollande in Paris.

Bisher empfiehlt der griechische Premier Alexis Tsipras seinen Landsleuten, in dem für Sonntag (5. Juli) angesetzten Referendum, das Sparpaket abzulehnen. «Das ist kein stupides Sparpaket», sagte der Luxemburger.

«Fühle mich verraten»

Juncker äusserte sich in seinem streckenweise sehr emotionalen Statement persönlich enttäuscht über Tsipras. Dieser habe ihn in der vergangenen Woche in stundenlangen Verhandlungen nicht darüber informiert, am Sonntag eine Volksabstimmung abzuhalten. «Das kam für mich als eine Überraschung.»

Juncker sagte, er habe «alles gemacht», um einen Kompromiss mit der Athener Regierung zu ermöglichen. Wörtlich sagte er, er fühle von der griechischen Regierung während der Verhandlungen «verraten».

Mit Blick auf das Dienstagnacht auslaufende Rettungsprogramm für Griechenland sagte Juncker: «Es ist nicht so, dass wir endgültig in einer Sackgasse feststecken würden. Aber die Zeit wird immer knapper.»

Gegen «Grexit»

Einen «Grexit», also einen Austritt Griechenland aus dem Eurogebiet, lehnte der Christsoziale erneut ab. Das sei für ihn nie eine Option gewesen. «Sie wissen gut, dass die Griechen meinem Herzen sehr nahe stehen», sagte er zu Medienvertretern.

Neue Vorschläge präsentierte er bei seiner Rede nicht. Er sei bereit, mit den Eurostaaten an einer Lösung zu arbeiten, so Juncker. Offen blieb, ob der Kommissionschef in letzter Minute - und damit vor dem Referendum - noch Initiativen auf den Weg bringen will.

Laut EU-Diplomaten ist ein Sondergipfel der Euro-Staats- und Regierungschefs zur Zeit nicht geplant. Dem Vernehmen nach setzt sich der Fraktionschef der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Gianni Pitella, für ein solches Krisentreffen ein.

«Faire Abmachung»

Juncker wandte sich vehement gegen Darstellungen in der Öffentlichkeit, wonach Griechenland ein Ultimatum gestellt wurde. Athen habe hingegen das Angebot für eine «faire Abmachung» erhalten. Es habe auch immer wieder Gespräche auf der höchsten politische Ebene gegeben. «Es gibt keine Lohnkürzungen und keine Rentenkürzungen in dem Paket.»

Der frühere Eurogruppenchef wies auch Vorwürfe zurück, wonach die Geldgeber Griechenland bei seinen hohen Staatsschulden nicht entlasten wollten. Die Eurogruppe sei bereit gewesen, schon von diesem Herbst an Massnahmen auf den Weg zu bringen. «Herr Tsipras weiss das.» Das könnte nach früheren Angaben niedrigere Zinsen und längere Laufzeiten für europäische Hilfskredite umfassen.

Juncker bekräftigte, dass Griechenland bis zum Ende des Jahrzehnts 35 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt für Wachstum und Investitionen erhalten könnte.

 Tsipras will mehr Zeit

Mit dem Auslaufen entgehen Athen vorerst weitere Hilfen, die angesichts leerer Staatskassen dringend benötigt würden. Damit wird es für das hochverschuldete Land praktisch unmöglich, am gleichen Tag eine Rückzahlung über 1,54 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zu leisten.

Griechenlands Premier Alexis Tsipras bat am Montag erneut um eine kurzfristige Verlängerung des Hilfsprogramms «um ein paar Tage». Tsipras hatte für diesen Sonntag (5.7.) überraschend eine Volksabstimmung über die Reformvorschläge der Gläubiger Griechenlands angekündigt und die Europartner so vor den Kopf gestossen. Die Euro-Finanzminister erklärten daraufhin am Samstag ihre Verhandlungen mit Athen für gescheitert.

Merkel dämpft Hoffnung

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel dämpfte ihrerseits die Hoffnung Athens auf ein noch besseres Angebot der Geldgeber . Die europäischen Grundsätze dürften nicht ignoriert werden: «Wir könnten sie kurzfristig vielleicht aufgeben. Wir könnten vielleicht sagen, geben wir einfach mal nach.

Aber ich sage: Mittel- und langfristig werden wir damit Schaden nehmen», sagte Merkel beim Festakt zum 70. Geburtstag der CDU in Berlin. Europa würde dann in der Welt an Einfluss verlieren.

Vor diesem Hintergrund müsste auch der Satz «Scheitert der Euro, scheitert Europa» gesehen werden. Der Euro sei mehr als eine Währung: «Er gründet sich auf gemeinschaftlichem Vertrauen.»

 Kursverluste an Börsen

Die Stimmung an den Finanzmärkten erlebte am Montag einen kräftigen Dämpfer. Zum Handelsauftakt an den europäischen Börsen rutschten die Kurse tief ins Minus, erholten sich dann aber wieder etwas. In Athen hatte die Börse gar nicht erst aufgemacht.

Als Auslöser für die Bankschliessungen und Kapitalverkehrskontrollen gilt der Beschluss der Europäischen Zentralbank (EZB) vom Sonntag, die Notkredite für griechische Banken zunächst einzufrieren. Dies setzt die Kreditinstitute unter Druck, da der bewilligte Kreditrahmen dem Vernehmen nach bereits ausgeschöpft war.

Noch fataler wäre jedoch eine Entscheidung gewesen, die Notfall-Liquiditätshilfen (ELA) ganz zu kappen. Denn streng genommen dürfen diese Kredite nur an Banken vergeben werden, die einen vorübergehenden finanziellen Engpass haben - was im Fall Griechenland umstritten ist. Die EZB will am Mittwoch wieder über die ELA-Kredite entscheiden.

(fest/sda)

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