Die «alten Herren» Schwedens strapazierten die Nerven der über
14'000 Zuschauer in der seit Wochen ausverkauften Globen Arena bis
an die Grenzen des Zumutbaren. Mehrfach lagen sie mit bis zu drei
Treffern zurück, scheiterten immer wieder am glänzenden deutschen
Keeper Henning Fritz -- die Spannung stieg aus Sicht der so
siegesgewissen Einheimischen ins Unerträgliche.
Erst ein Wechselfehler der Deutschen in der 50. schien den
Schweden den Weg auf den obersten Podestplatz doch noch zu ebnen.
Innerhalb von vier Minuten erhöhten die Gastgeber in doppelter
Überzahl das Skore auf 25:22. Der Triumph war für Erfolgstrainer
Bengt Johansson in greifbare Nähe gerückt, ehe sich die generös
kämpfenden Deutschen mit vier Treffern in Serie bei letzter
Gelegenheit einen nicht mehr für möglich gehaltenen Vorteil
verschafften.
Ein Wimpernschlag trennte Handball-Deutschland vom grössten und
prestigeträchtigsten Erfolg seit dem Gewinn der WM 1978. Die Nerven
lagen nun selbst bei den abgezockten Nordländern blank, der Favorit
wankte, ja taumelte, gefallen ist er gleichwohl nicht: Altmeister
Staffan Olsson sorgte mit seinem sechsten Treffer zum 26:26 sieben
Sekunden vor Ablauf der zweiten Hälfte für neuerlichen Gleichstand,
womit er seinen Teamkollegen den zweiten, goldenen Atem einhauchte.
In der zehnminütigen Verlängerung legten der überragende, von
der deutschen Deckung nie zu kontrollierende Captain Stefan Lövgren
und erneut der bald 38-jährige Olsson die späte Differenz. Von
jener Hypothek erholte sich das Team von Heiner Brand nicht mehr,
zumal die Schweden und insbesondere deren kleinwüchsiger Aufbauer
Ljubomir Vranjes in der Finalissima gar noch Ressourcen freisetzen
konnten.
Dass sich die Schweden aber überhaupt in die Verlängerung retten
konnten, hatten sie neben Olsson und Lövgren vornehmlich ihrem
Torhüter Peter Gentzel zu verdanken. Der Nordhorner, der erst nach
der Pausenunterbrechung für Tomas Svensson erschienen war, trieb
die deutschen Lemgo-Stars (Zerbe, Baur, Stephan) mit 14 durchaus
schwierigen Schlüsselparaden im Alleingang zur Verzweiflung.
Die Wahl zum besten Goalie des Turniers hat sich der Magier mit
seinem sonntäglichen (Europa-)Meisterstück zweifellos verdient und
mit seiner Leistung Arno Ehrets Prognose, «dass der EM-Final mit
Bestimmtheit durch die Deckung und die Paraden des Torhüters
entschieden wird», vollumfänglich bestätigt.
Kraftlose Isländer -- Dänische Premiere
Island hatte sich nach überzeugenden Gruppenspielen mit
Kantersiegen gegen die Schweiz und Slowenien sowie einem Remis
gegen Spanien souverän für die Hauptrunde qualifiziert. Nach dem
überraschenden und erstmaligen EM-Halbfinalvorstoss erlitten die
isländischen Überflieger dann allerdings ein regelrechtes
Grounding: Am Samstag bekamen die entkräfteten Insulaner beim 22:33
gegen den nachmaligen Champion Schweden eine Lektion erteilt, ehe
ihnen die Dänen in der Partie um Rang 3 abermals die Limiten
aufzeigten.
Die dänische Equipe erreichte in Schweden mit dem ersten EM-
Bronze-Gewinn weit mehr, als ihr manch ein Experte im Vorfeld
zutrauen mochte. Unter der Leitung von Torben Winther, der
Dänemarks U21-Team 1998 und 1999 zweimal zum WM-Titel gecoacht
hatte, stürmten die Dänen ohne Niederlage und mit einem
beachtlichen 27:26-Erfolg gegen die Schweden bis in die Runde der
letzten vier vor. Erst die wieder erstarkten Deutschen und deren
erst in der 17. eingewechselten, danach aber kaum mehr zu
bezwingender Hüter Ramota entschärften das «Danish Dynamite».
Olympiasieger Russland verliess den Globen nach dem knappen
Verpassen der Halbfinals zwar durch die hintere Pforte, der 31:28-
Sieg gegen den enttäuschenden Weltmeister Frankreich bescherte den
Russen aber wenigstens die Direkt-Qualifikation für die EM 2004.
(kil/sda)