«Es ging mir darum zu zeigen, was mit all den Menschen
geschieht, die an der Schweizer Südgrenze abprallen», erklärte
Kaplan Koch, der sich seit Jahrzehnten in der Flüchtlingspolitik
engagiert. Gemeint sind Flüchtlinge, die es nicht einmal schaffen,
das Aufnahmezentrum von Chiasso zu erreichen.
In Bizzarone (I), gleich hinter dem Grenzübergang von Novazzano,
besuchten die National- und Ständeräte eine Wohngemeinschaft, in
der 20 geflüchtete Minderjährige aus Albanien, Kosovo, Kurdistan
und Bosnien leben. Sie erhalten dort eine Kurzlehre zum Bäcker,
Maurer oder Textildrucker.
Lob und Skepsis
Insgesamt gibt es sechs Wohnzentren in der Region, die von der
privaten Initiative «Comitato Comasco» getragen werden. Die
Behörden von Como erteilen den Jugendlichen eine reguläre
Aufenthaltsbewilligung. Die Meisten hätten eine illegale Einreise
in die Schweiz versucht, erklärte ein Mitglied des Komitees.
Nicht verheimlicht wurde die Tatsache, dass das Zentrum
höchstens 70 Jugendliche gleichzeitig aufnehmen kann und weitere
Ankömmlinge abgewiesen werden müssen. Die Initiative weise aber den
richtigen Weg, sagte Nationalrätin Ruth-Gaby Vermot (SP/BE), weil
sie den jungen Menschen eine Perspektive gebe.
Bei allem Verständnis für den menschlichen Aspekt der Initiative
kam aber auch Skepsis auf, ob die Migrationsproblematik durch einen
solchen Ansatz zu lösen ist. Für Ständerätin Christiane
Langenberger (FDP/VD) ist die Initiative positiv, aber nur «ein
Tropfen auf den heissen Stein».
Problem der Schlepper
Erschüttert zeigte sich die einzige mitgereiste Ständerätin nach
dem Besuch des Flüchtlingsheims in Tavernola bei Como (I). Das vom
italienischen Roten Kreuz unterhaltene Haus - eine ehemalige, karg
eingerichtete Schule - beherbergt Einzelpersonen und Familien, die
aus ihrer Heimat geflohen sind.
Die Abgeordneten wurden im Zentrum insbesondere mit der
Schlepperproblematik konfrontiert. Viele Familien bezahlen viel
Geld, um über die grüne Grenze in die Schweiz gebracht zu werden.
Häufig kehren sie wieder ins Zentrum zurück, wenn die Schweizer
Grenzwächter sie aufgreifen und die Polizei sie abschiebt.
Schlepper können nach italienischem Gesetz nicht bestraft
werden, sagte Zentrumsdirektor Osvaldo Capeletti zur Verwunderung
der Parlamentarier. In Tavernola würden die Flüchtlinge
aufgenommen, ohne nach ihren weiteren Absichten gefragt zu werden.
Kritik an Italien
Einige der dort wohnhaften Flüchtlinge machten gegenüber den
Schweizer Gästen gleichwohl ihrem Unmut über die italienischen
Behörden Luft. Seit zwei Jahren warte er mit seiner Familie auf
einen Entscheid Roms, ob sie als politische Flüchtlinge in Italien
anerkannt werden, empörte sich ein Kurde.
Der Ausflug zur FLüchtlingspolitik interessierte vorab
Abgeordnete von SP und Grünen, aber auch Vertreter von FDP, CVP,
EVP und Landesring. Nicht repräsentiert waren SVP und Lega.
(kil/sda)