Fussball: König Otto ist bereit

Nach dem letztlich souveränen 3:0 im Viertelfinal gegen Dänemark feierten die einheimische Presse und die Fans das tschechische Team bereits als Europameister. Von dieser ausgelassenen Stimmung liess sich das Team indes (noch) nichts anmerken.

Realistische Tschechen

Trainer Karel Brückners Assistent Miroslav Beranek, der wie gewohnt im unmittelbaren Vorfeld einer Partie mehr Auskunft gab als der Chef selber, sagte: "Noch haben wir nichts gewonnen. Deshalb wäre eine Euphorie im Team fehl am Platz."

Dabei untertrieb Beranek, der vor zwei Jahren in der Schweiz als U21-Coach den EM-Titel geholt hatte, ein wenig. Immerhin hat Tschechien bisher als einziges Team alle vier Partien in Portugal gewonnen und sich dadurch vom geheimen (Mit-)Favoriten in die Position der "l´equipe à battre" katapultiert.

Entsprechend aus dem Rahmen fiel auch das Resultat des Viertelfinals; während zwei Partien dieser Phase im Penaltyschiessen entschieden wurden und sich Griechenland gegen Frankreich mit 1:0 durchsetzte, sorgten die Tschechen mit dem 3:0 für den zweithöchsten Sieg aller Zeiten in der K.o.-Phase einer EM nach Holland, das Jugoslawien vor vier Jahren mit 6:1 bezwungen hatte.

Tschechischer Respekt

Doch die Tschechen, bei denen wie in der letzten Stunde der Partie gegen Dänemark Zdenek Grygera den verletzten Martin Jiranek ersetzen wird, sind auch in diesen Tagen bescheiden geblieben und bringen dem vermeintlich "kleinen" griechischen Team einigen Respekt entgegen.

"Ich glaube, dass wir mehr in Ballbesitz sein werden, weil das der Taktik der beiden Mannschaften entspricht", sagte zwar Mittelfeldspieler Tomas Rosicky, fügte aber hinzu: "Das ist jedoch eine gefährliche Situation. Wir müssen aufmerksam sein und dürfen uns von den griechischen Tempoerhöhungen nicht überraschen lassen."

Genau das war gegen die Hellenen dem entthronten Titelträger Frankreich passiert, der just in der Phase den entscheidenden Gegentreffer kassierte, in der er das Spiel vermeintlich unter Kontrolle hatte.

Tschechen sind gewarnt

Gewarnt sind die Tschechen gegen Otto Rehhagels Truppe indes auch aus eigener Erfahrung. Vor etwas mehr als zwei Jahren, am 17. April 2002, kamen sie in einem Testspiel gegen Griechenland nicht über ein 0:0 hinaus. Es war eine von bisher nur drei Partien unter Brückner, in der Pavel Nedved, Rosicky, Milan Baros und Co. nicht skorten.

Rehhagel weiss also, wie die tschechische Angriffsmaschinerie zu bremsen ist. Dennoch weicht der Deutsche nicht einmal marginal vom gewohnten Understatement ab. "Die Tschechen sind der absolute Top-Favorit. Uns bleibt einzig, eine der wenigen Chancen zu nützen, um den Traum vom Final wahr werden zu lassen."

Aus diesen Worten ist zu hören, dass Rehhagel auch gegen die Tschechen auf die Trümpfe setzt, die bisher in Portugal gestochen haben: solide Defensive, hervorragende Organisation, grosse Effizienz im Angriff und bedingungslose Solidarität in der Mannschaft.

Entscheidendes Duell der Grössten?

"Wir wissen, dass viele unsere Spielweise nicht attraktiv finden. Doch wir sind keine Brasilianer und können nicht auf den Platz gehen und eine grosse Mannschaft wie Tschechien spielerisch dominieren", sagte Abwehrchef Traianos Dellas.

Dem Reservisten der AS Roma wird im Estadio do Dragão eine entscheidende Rolle im defensiven Dispositiv zukommen. Mit 1,97 m Körperlänge ist er nur unwesentlich kleiner als Tschechiens "Dinosaurier" Jan Koller (2,02 m). Es wird das Duell zwischen den beiden grössten Feldspielern dieser EM sein.

Ein Duell, das entscheidend sein könnte. Denn lässt Dellas Koller die Arbeit für das Grobe nicht wie gewohnt erledigen, dürfte auch Kollers Partner Baros weniger einfach in Erscheinung treten.

10 000 Fans

Unterstützt wird das griechische Team in seinen Bemühungen, einen weiteren Schritt zur Sensation zu machen, von über 10 000 Fans. Nachdem die Griechen in der Vorrunde von weniger Supportern begleitet worden waren als Engländer, Holländer, Schweden oder Dänen, ist in der Heimat offenkundig das Reisefieber ausgebrochen. Viele tausend Fans interessierten sich für einen Trip ans andere Ende des Kontinents.

Eine Bank gewährte den Anhängern zur Finanzierung der Reise sogar spezielle EM-Kredite von 1000 Euro, die innerhalb von sechs Monaten zurückbezahlt werden müssen. Heute Donnerstag werden daher gegen hundert Charter-Maschinen von Athen in Richtung Westen abheben.

Die voraussichtlichen Aufstellungen

Tschechien - Griechenland. -- Estadio do Dragão. -- Donnerstag, 20.45 Uhr. -- SR Collina (It).

Tschechien: 1 Cech; 2 Grygera, 5 Bolf, 21 Ujfalusi, 6 Jankulovski; 4 Galasek; 8 Poborsky, 10 Rosicky, 11 Nedved; 15 Baros, 9 Koller.

Griechenland: 1 Nikopolidis; 7 Zagorakis, 2 Seitaridis, 5 Dellas, 19 Kapsis, 14 Fyssas; 6 Basinas; 22 Katsouranis, 20 Karagounis; 9 Charisteas, 15 Vryzas.

Verletzt. Tschechien: Jiranek. -- Mit einer gelben Karte vorbelastet. Tschechien: Nedved, Jakulovski, Ujfalusi. -- Griechenland: Karagounis, Zagorakis.

(von Stefan Wyss, Porto/Si)