Golf: Ben Curtis Sensationssieger am ältesten Golfturnier

Curtis, lediglich die Nummer 142 des US-Jahresrankings, spielte auf den letzten sieben Löchern vier Bogeys, kam auf ein Total von einem Schlag unter Par und konnte dann vom Klubhaus zuschauen, wie ein Favorit nach dem anderen in der entscheidenden Phase des ältesten Golfturniers versagte. Thomas Björn, dem Leader nach drei Runden, und Vijay Singh fehlten zuletzt ein Schlag; Superstar Tiger Woods und Davis Love, ein weiterer Mehrfachsieger der Saison, mussten sich mit zwei Schlägen Rückstand mit dem 4. Rang begnügen.

Besonders dramatisch war das Scheitern des Dänen Thomas Björn (32), der am Anfang seiner Karriere das Interlaken-Open auf der Challenge-Tour gewonnen hatte und den ersten Major-Titel als mittlerweile sechsfacher Turniersieger auf der "grossen" Europa-Tour längst verdient hätte.

Am 16. Loch hatte Björn noch zwei Schläge Vorsprung. Dann rollte ihm der Ball gleich zweimal auf praktisch identische Art vom perfiden, abschüssigen Green zurück in den Sandbunker.

Das daraus resultierende Doppel-Bogey hätte noch zu einem Stechen gereicht, doch unterlief ihm am 17. Loch noch ein Bogey - das entscheidende. Zusätzlich bitter für Björn: In der Auftaktrunde hatte er zwei Strafschläge aufgebrummt bekommen, als er aus Wut nach einem missglückten Schlag einen Sandbunker malträtierte.

Tiger Woods konnte nunmehr keines der letzten fünf Majors gewinnen. Der Weltranglisten-Erste spielte aber erneut auf höchstem Niveau mit und zeigte mithin seine Klasse. Zum Verhängnis wurden ihm generell die zweiten neun Löcher der schwierigen Par-71-Platzes von Royal St. George´s.

Absolvierte er die erste Hälfte trotz des Missgeschicks mit dem Triple-Bogey am allerersten Loch mit insgesamt 7 unter Par, fing er auf der allgemein schwierigeren zweiten Hälfte elf Bogeys und ein Doppel-Bogey (bei nur fünf Birdies) ein. Woods muss nun nach wie vor Beweisen, dass er nicht nur als "Front-Runner" bedeutende Erfolge einfahren kann: Alle seine acht Major-Titel gewann er in der Schlussrunde von der Spitze aus. Diesmal kam er am Schlusstag bestenfalls bis auf einen Schlag an die Führenden heran.

Vijay Singh, zweifacher Major-Gewinner, und Davis Love sahen ihre Chancen mit Bogeys an den Löchern 16 respektive 17 schwinden. Der mit einer 79er-Runde schwach gestartete Titelverteidiger Ernie Els konnte an den letzten beiden Tagen nie mehr um den Sieg mitspielen und wurde 18.

Tellerwäscher-Karriere

Ben Curtis wechselte vor drei Jahren zu den Profis. Vergangenen Herbst schaffte er am Qualifikationsturnier den Sprung auf die US-Tour. Dort verpasste er diesen Frühling an fünf von zehn Turnieren den Cut. Vor zwei Wochen errang er als 13. des Western Open in Lemont seine mit Abstand beste Platzierung.

Damit konnte sich Curtis in extremis fürs British Open qualifizieren. Und jetzt hat er den begehrtesten Einzel-Titel im Golf inne -- nebst dem traditionellen Rotweinkrug ("Claret Jug") als Siegespreis und einem Check über 1,01 Millionen Euro.

Ebenso unglaublich wie der Verlauf der jungen Karriere waren die Ereignisse auf der Schlussrunde. Curtis spielte zuerst wie entfesselt (6 Birdies auf 11 Löchern!). Er schien aber plötzlich die Belastung des näher rückenden Sieges zu spüren und erlebte mit den vier Bogeys -- vermeintlich -- das Schicksal manches Aussenseiters vor ihm.

Als er im Klubhaus realisierte, dass alle renommierten Widersacher für ihn spielten, begann er sich auf der Übungsanlage für ein mögliches Stechen bereit zu machen. Es war nicht einmal mehr nötig.

Royal St. George´s/Sandwich (Eng). 132. British Open (5,514 Mio Euro/Par 71). Schlussklassement:

1. Ben Curtis (USA) 283 (72/72/70/69). 2. Thomas Björn (Dä) 284 (73/70/69/72) und Vijay Singh (Fidschi) 284 (75/70/69/70). 4. Tiger Woods (USA) 285 (73/72/69/71) und Davis Love (USA) 285 (69/72/72/72). 6. Brian Davis (Eng) 286 (77/73/68/68) und Fredrik Jacobson (Sd) 286 (70/76/70/70). 8. Nick Faldo (Eng) 287 (76/74/67/70) und Kenny Perry (USA) 287 (74/70/70/73). 10. Sergio Garcia (Sp) 288 (73/71/70/74), Retief Goosen (SA) 288 (73/75/71/69), Phillip Price (Wales) 288 (74/72/69/73), Gary Evans (Eng) 288 (71/75/70/72) und Hennie Otto (SA) 288 (68/76/75/69). 15. Stuart Appleby (Au) 289 (75/71/71/72), Chad Campbell (USA) 289 (74/71/72/72) und Pierre Fulke (Sd) 289 (77/72/67/73).

18. Ernie Els (SA) 290 (78/68/72/72), Mathias Grönberg (Sd) 290 (71/74/73/72), Greg Norman (Au) 290 (69/79/74/68) und Tom Watson (USA) 290 (71/77/73/69). 22. u.a. Padraig Harrington (Irl) 291 (75/73/74/69) und Thomas Levet (Fr) 291 (71/73/74/73). Ferner: 28. Mike Weir (Ka) 292 (74/76/71/71) und Nick Price (Sim) 292 (74/72/72/74). 43. Rich Beem (USA) 294 (76/74/75/69). 46. Fred Couples (USA) 295 (71/75/71/78), Markus Brier (Ö) 295 (76/71/74/74) und Tom Lehman (USA) 295 (77/73/72/73). 53. Michael Campbell (Neus) 296 (78/72/74/72) und Mark McNulty (Sim) 296 (79/71/77/79). 59. Darren Clarke (NIrl) 297 (75/75/71/76) und Phil Mickelson (USA) 297 (74/72/73/78). 65. Mark O´Meara (USA) 298 (73/77/77/71) und Len Mattiace (USA) 298 (74/75/74/75). 72. John Daly (USA) 303 (75/74/74/80) und Ian Woosnam (Wales) 303 (73/75/80/75). -- Nach der 3. Runde disqualifiziert (fehlerhafte Scorekarte): Jesper Parnevik (Sd), Mark Roe (Eng).

Cut verpasst u.a.: 76. Mark Calcavecchia (USA) 151 (78/73), Lee Janzen (USA) 151 (76/75), Justin Leonard (USA) 151 (74/77), José Maria Olazabal (Sp) 151 (74/77), Eduardo Romero (Arg) 151 (75/76) und Lee Westwood (Eng) 151 (76/75). 84. Jim Furyk (USA) 152 (74/78), Bernhard Langer (De) 152 (76/76), Sandy Lyle (Scho) 152 (73/79) und Corey Pavin (USA) 152 (74/78). 97. Ricky Barnes (USA/Amateur) 153 (79/74) und David Toms (USA) 153 (80/73). 113. Paul Lawrie (Scho) 155 (81/74). 122. Adam Scott (Au) 156 (82/74). 140. Justin Rose (Eng) 159 (79/80). 143. David Duval (USA) 161 (83/78).

(Peter Lerch/Si)