Gute Vorsätze, gefährliche Gesetze

publiziert: Freitag, 3. Mrz 2006 / 09:22 Uhr

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Bei dem ganzen Tamtam um die Mohammed-Karikaturen wurde immer wieder das Recht auf die Meinungsfreiheit betont. Trotzdem wackelten die Fundamente stark unter dem Ansturm fundamentalen Hasses. So stark, dass mal ein Blick darauf geworfen werden muss, wie frei denn dieses Recht in Europa ist. Die Verurteilung David Irvings, des Englischen Holocaust-Leugners, in Österreich zu drei Jahren Haft wegen seinen Lügen über den Holocaust, hat soeben ein Schlaglicht auf diese Problematik geworfen. Gefällt wurde das Urteil auf Grund des so genannten «Wiederbetätigungsgesetzes».

Auch in der Schweiz gibt es solche Gesetze. Der Artikel 261bis des Strafgesetzbuches definiert die Antirassismus-Strafnorm. Darin werden neben dem Aufruf zu Tätlichkeiten und Diskriminierung aus rassistischen Gründen auch rassistische Äusserung und Aufrufe verboten. Ein edles Ziel, aber wie nützlich ist dies im Endeffekt? Denn es kann ja nicht einfach das Ziel sein, unappetitliche Äusserungen von mehr oder weniger krassen Dumpfköpfen zu verbieten. Das Ziel müsste ja darin bestehen, den Rassismus durch Argumente zu bekämpfen. Seine pseudo-wissenschaftliche Grundlage zu vernichten. Diese Ideologie als eine zu entlarven, die sich aus Minderwertigkeitsgefühlen und unreflektierten Angstgefühlen nährt. Mithin der angeborenen Xenophobie, die aber jeder überwinden kann.

Doch genau diese Auseinandersetzung wird mit solchen Gesetzen verhindert. Der Konsens, dass Rassismus falsch ist, soll so praktisch per Ukas entstehen. Die Frage, warum diese Ideologie falsch ist, welche Argumente von Rassisten allenfalls sogar einen Wahrheitsgehalt haben und wie diese in einen wahren Kontext gestellt werden können, wird nicht angegangen. So argumentieren Rechtsextreme gerne damit, dass diese Gesetze zur Unterdrückung der Wahrheit geschaffen worden seien. Verbotene Gedanken sind immer attraktiv und gedeihen dann im Untergrund. Denn, so die Argumentation, wenn nichts daran wäre, müsste man diese Ideologien auch nicht unterdrücken. Oder?

Diese Verdrehung der Logik funktioniert erstaunlich gut. Das «es muss ja was dran sein»-Argument verfängt immer wieder. Denn viele politische Systeme basieren ja auf der Unterdrückung von Ideen, seien dies nun faschistische, kommunistische oder religiös-fundamentalistische Regime. Dort wird die Debatte unterdrückt, weil es keine guten Argumente gibt, um unerwünschte Ideen erfolgreich zu bekämpfen. Im fairen Wettstreit von Ideen würden diese Ideologien der Wahrheit unterliegen.

In Mitteleuropa dagegen wurden diese Gesetze aus Angst vor der Vergangenheit erlassen. Das faschistische und nazistische Grauen soll durch ein gesetzliches Verbot von einer Wiederauferstehung verhindert werden. Ob nun durch die Antirassismus-Strafnorm, das österreichische Wiederbetätigungsgesetz, der Auschwitz-Lügen-Paragraph in Deutschland oder wie die Gesetze sonst noch heissen.

Doch genau diese Gesetze gegen das Grauen setzen üble Präzedenzen. Sie stehen als Ausnahmen in einer Gesetzeswelt der Freiheit, sollen die Folgerungen aus einer als richtig erachteten historischen Wahrheit beschützen. Doch was passiert, wenn eines Tages aus anderen Beweggründen andere Ideen geschützt werden sollen? Wenn im Namen von politischer Korrektheit, ökonomischer Opportunität oder religiösen Empfindsamkeiten weitere Äusserungen verboten werden sollen? Es besteht ja ein Präzedenzfall. Warum also nicht ein weiterer? Und noch einer?

Die Wahrheit – ohnehin ein sehr subjektives Gut – kann nicht gesetzlich geschützt werden. Sie braucht es auch nicht, denn historische Beweise und logische Argumente können sie in einer freien Gesellschaft verteidigen und stärken. Dies setzt natürlich voraus, dass solche Ideen vermittelt, erläutert und auch die Gegenpositionen präsentiert werden. Wenn eine Wahrheit hingegen verordnet wird, ist sie nicht mehr mit Leben erfüllt.

Stattdessen werden mit befohlenen Ansichten quasi-religiöse Gesetze geschaffen. Von oben verordnete Wahrheiten. Und diese waren schon immer verführerische, gefährliche Instrumente der Mächtigen. Ganz egal, wie gut die Vorsätze sind – wer die Meinungsfreiheit einschränkt, begibt sich auf einen gefährlichen Weg, der am Schluss in eine ideologische Hölle führen kann.

(von Patrik Etschmayer/news.ch)

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