Harmonie unter dem Himmel

publiziert: Montag, 18. Mrz 2013 / 13:56 Uhr / aktualisiert: Dienstag, 19. Mrz 2013 / 10:21 Uhr
Zheng He: Aussenpolitik ohne Kolonien - 100 Jahre vor den Europäern.
Zheng He: Aussenpolitik ohne Kolonien - 100 Jahre vor den Europäern.

Die Aussenpolitik des Wirtschaftswunderlandes China wird vom Westen mit einigem Mistrauen verfolgt. Wird im 21. Jahrhundert China die USA als einzige Supermacht ablösen? Entwarnung. Die modernen Vertreter des Reichs der Mitte nämlich pflegen Aussenbeziehungen schon fast wie einst der Sohn des Himmels. Nach dem Motto etwa: Friede auf Erden.

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Chinesische Aussenpolitik hat noch heute nicht selten Ähnlickeit mit oder Anklänge an längst vergangene Zeiten. Das kam zum Ausdruck, als Hua Chunying, Sprecherin des Aussenministeriums, an der jährlichen, eben zu Ende gegangenen Session des Nationalen Volkskongresses (Parlament) die Ernennung eines «Sondergesandten für Asien» bekanntgab. Natürlich reichte dies nicht einmal für eine Kurzmeldung in westlichen Medien. Verständlich. Dennoch ist der neu geschaffene Posten nicht ganz unwichtig, denn der mit der Aufgabe betraute ehemalige Vize-Aussenminister Wang Yingfang muss sich - so Sprecherin Hua - «vor allem mit dem Verhältnis Chinas zu Myanmar befassen». Und Myanmar, also Burma, gehört aus traditioneller chinesischer Sicht zum ersten konzentrischen Aussenring, zum privilegierten Einflussgebiet Chinas sozusagen.

China - zusammen mit Indien, Thailand und Singapur - ist in Myanmar wirtschaftlich stark vertreten, nicht zuletzt, weil Europa und die USA in den letzten Jahrzehnten (wirkungslose) Sanktionen über das Land «auf der Achse des Bösen» verhängt haben. Seit sich zur völligen Überraschung des Westens unter dem Ex-General und neuem Präsidenten Thein Sein Burma politisch und wirtschaftlich öffnet, hat sich das innige Sino-burmesische Verhältnis abgekühlt.

Viele Grossprojekte sind vorerst aufs Eis gelegt, so etwa das grösste Wasserkraftprojekt Myitsone im Norden des Landes. Chinesische Investoren versuchen den Schaden zu begrenzen. Nicht dass sich die burmesische Regierung von der chinesischen auf die amerikanische Seite geschlagen hätte. Im Gegenteil, denn «Ausgewogenheit» in den Beziehungen nach Aussen ist das Ziel. Mit dem grossen Nachbarn im Norden hat Myanmar schliesslich eine 2'200 Kilometer lange Grenze und ist wirtschaftlich eng verbunden. Zudem hat China, u.a. mit einer Erdgas- und Erdölpipeline quer durch Myanmar sowie einem Tiefseehafen im Nordwesten des Landes strategische Interessen, Myanmar als Auge und Ohr sozusagen in den Indischen Ozean und zur Kontrolle der Strasse von Malakka, der meistbefahrenen Seeroute der Welt.

Nicht nur wirtschaftliche Probleme aber belasten das sino-burmesische Verhältnis. In den Grenzgebieten von Myanmar gibt es seit Jahrzehnten bewaffnete Aufstände. Vor zwei Jahren ist nach 17 Jahren Waffenstillstand im Kachin-Staat der Konflikt erneut ausgebrochen. Zehntausende sind geflohen, zum Teil auf chinesisches Territorium. Seit einem Jahr finden im chinesischen Grenzort Ruili Friedensgespräche statt. Unter chinesischer Vermittlung diskutieren Vertreter der «Organisation für die Unabhängigkeit der Kachin» KIO, deren militärischer Arm KIA, burmesische Regierungsvertreter und Vertreter von weiteren burmesischen Ethnien über einen Waffenstillstand und weitgehende Autonomie. Für China sind diese Verhandlungen auch wichtig, weil das Grenzgebeit überdies ein Dorado für Drogen-Produktion und Schmuggel, also ein Sicherheitsrisiko ist.

Chinas Aussenpolitik im allgemeinen und neuerdings das sino-burmesische Verhältnis im Besonderen werden vom Westen mit Argusaugen verfolgt. Bei der jährlichen Erhöhung des Verteidigungsbudgets etwa hyperventilieren Kommentatoren und in Peking ansässige Auslandskorrespondenten der westlichen Medien. Eine Bauernarmee wie zur Zeit des Grossen Steuermann Mao Dsedong wäre ihnen wohl lieber. Doch die Zeiten haben sich geändert.

Das Wirtschaftswunderland China wird zwar nicht die USA, wie von «Experten» häufig schon prognostiziert, als neue einzige Supermacht im 21. Jahrhundert ablösen. Doch als eine Grossmacht etabliert sich China unaufhaltsam auf Augenhöhe neben den Vereinigten Staaten von Amerika. Mit einer potenten Wirtschaft, Weltraumexpeditionen, blühender Wissenschaft sowie Armee, Marine, Luftwaffe, Langstreckenraketen und Atomwaffen. Das kostet viel Geld, wie wir vom Beispiel der USA lernen können. Das ambivalente Gefühl gegenüber China im Westen ist deshalb weiter nicht überraschend, es oszilliert zwischen Bewunderung und Angst.

Ungleich Europa, den USA und Japan hat sich China kolonial-imperialistisch während seiner ganzen, langen Geschichte nie hervorgetan. Als der Aufstieg Europas zur Weltmacht vor 500 Jahren begann, entdeckten die christlichen Seefahrer, damals vor allem aus Spanien und Portugal, dass es im Fernen Osten Kulturen gab, die Europa weit überlegen waren. Koloniale Inbesitznahme gab es dort deshalb erst nach der Industriellen Revolution des 18. Jahrhunderts und damit der technologischen Überlegenheit der Europäer. Auf der westlichen Erdhalbkugel dagegen trafen die christlichen Seefahrer, angefangen mit Christoforo Columbus, auf wenig Widerstand. Die relativ jungen, isolierten Hochkulturen der Mayas, Inkas und Azteken waren wehrlos und wurden Manu Militari, mit eingeschleppten Krankheiten und Seuchen sowie Schnaps vernichtet. Im 16. Jahrhundert wurden so rund achtzig Prozent der Bevölkerung Amerikas ausgelöscht. Ein Völkermord gigantischen Ausmasses.

Chinas Uhren ticken anders. Koloniale Eroberungen waren unnötig, philosophisch gesprochen. Die beiden chinesischen Zeichen Tian Xia nämlich bedeuten die gesamte, bewohnte Welt. Im Mittelpunkt eben China, wörtlich das Reich der Mitte. Der Kaiser, der Sohn des Himmels (Tian Zi), gestaltete als einziger in Harmonie die Beziehungen zwischen Erde und Himmel sowie zwischen allen Völkern unter dem Himmel. Er verkörperte auf dem Drachenthron mit dem Mandat des Himmels (Tian Ming) ausgestattet die höchste Kulturstufe überhaupt. Im Zentrum natürlich China, dann ein erster konzentrischer Ring mit unter anderem Korea, Japan, Vietnam und Burma. Alle andern waren Barbarenstaaten, die durchaus an der hohen chinesischen Kultur teilhaben konnten, sofern sie Tribut zahlten. Der grosse Seefahrer Admiral Zheng He, der fast ein Jahrhundert vor den Spaniern und Portugiesen mit Riesenflotten bis nach Indien und Afrika unterwegs war, betrieb Tribut generierten Handel, gründete aber weder feste Handelsstützpunkte noch Kolonien, wie es später die Europäer taten.

Das sino-burmesische Beispiel zeigt: Der neue chinesische «Sondergesandte für asiatische Angelegenheiten» fügt sich nahtlos in eine wohl austarierte Weltsicht Chinas ein. Friede unter dem Himmel (Ping Tian Xia) behütet vom Sohn des Himmels. Auch und gerade im 21. Jahrhundert.

(Peter Achten/news.ch)

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