Homöopathisch wiederwählen

publiziert: Montag, 25. Jun 2007 / 11:36 Uhr / aktualisiert: Dienstag, 26. Jun 2007 / 08:34 Uhr

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Stellen Sie sich vor, ein kassenpflichtiges Medikament, erweist sich in einem unabhängigen, nach naturwissenschaftlichen Massstäben durchgeführten Test als nutzlos. Es stellt sich heraus, dass die Zulassung des Medikamentes aufgrund von Tests erfolgte, die so lange geändert und manipuliert wurden, bis das gewünschte Resultat da war.

Das Ergebnis wäre natürlich ein Skandal sondergleichen. Die betroffene Pharma-Firma müsste sich weltweit Angriffen erwehren, die nicht nur das getürkte Medikament sondern auch alle seine anderen Produkte betreffen würden. Die zuständigen Leute müssten gefeuert werden, der Aktienkurs bräche ein und auch rechtlich hätte ein solcher Vorfall gravierende Folgen. Zu Recht. Denn ein solches Vorgehen, ein Vortäuschen von Resultaten wo keine sind, ist nichts als Betrug an Patienten, Versicherern und jenen, die Versicherungsprämien bezahlen.

Die Ständerätin Erika Forster-Vannini setzt sich nun genau für einen solchen Betrug an der Öffentlichkeit ein. Sie verlangte, nachdem die Komplementärmedizin in der Evaluationsphase keine Wirksamkeit gezeigt hatte (und dies nicht nur in der Schweiz – es gibt weltweit keine Studien, die eine Wirkung demonstrieren können), dass – und dieses Zitat ist so gut, man müsste es rahmen und aufhängen als Beispiel des absoluten Blödsinns, der in Politikerkreisen zu zirkulieren pflegt – dass diese Heilmittel zwar, wie vom Parlament verlangt «mit adäquaten wissenschaftlichen Methoden» geprüft werden sollen, aber... und nun kommt der Hammer... «wissenschaftlich solle die Untersuchung sein, nicht aber naturwissenschaftlich».

Aha... Frau Forster-Vannini will Heilmethoden in Zukunft also philosophisch bewerten lassen? Oder religiös? Wie wäre es allenfalls mit soziologisch oder literarisch? Hauptsache nicht mit Wissenschaften, die in der Lage sind, Einbildung von Realität, Tatsache von Wunschdenken zu unterscheiden.

Stellen wir uns das mal bildlich vor. Ein Panel aus Priestern und Schriftstellern, Philosophen und Soziologen bewertet Heilmethoden. Es befragt dazu Leute, die ganz tolle Erfahrungen mit diesen Mitteln gemacht haben und von sich zum Beispiel behaupten, Krebs nur mit Vitamintabletten und Globuli besiegt zu haben, obwohl bei Ihnen nie Krebs festgestellt wurde, da sie ja die Schulmedizin meiden. Oder sie befragen südafrikanische Medizinmänner und mongolische Schamanen... denn, machen wir uns nichts vor, wenn sozio-philosophische Kriterien mit eingebautem Feel-Good-Faktor darüber bestimmen, was von der Krankenkasse bezahlt wird, dann muss am Ende alles, das irgendwelchen Menschen gut tut oder von dem dies behauptet wird, bezahlt werden. Und da spricht am Ende auch nichts mehr dagegen, dass Exorzismen und Scientology Auditings mit eingeschlossen werden.

Denn das müsste Frau Forster-Vannini, auch wenn es ihr scheinbar in diesem Zusammenhang schwer fällt, bedenken: Wenn sie glaubt, man könne einen willkürlich ausgewählten Katalog an Behandlungsformen doch noch in die gesetzliche Grundversorgung würgen, indem man einfach die Grundlagen zu deren Bewertung auf das wissenschaftliche Niveau einer Buchkritik hinunter schraubt (oder, wie man es auch sagen könnte: die Standards eliminiert), dann muss, auf Grund der Rechtsgleichheit, alles andere auch erlaubt sein, das diese nicht vorhandenen Standards erfüllt.

Und wenn selbst das Bundesamt für Gesundheit vom Kriterium «Alltagswirksamkeit» als Massstab spricht, was nichts anderes als ein Placebo-Effekt ist, können wir uns darauf vorbereiten, dass schon bald Auratherapeuten, Geistheiler aus den Philippinen und jeder andere Scharlatan und Handaufleger Ansprüche auf Kassendeckung erhebt. Und mit welchem Argument will man diese Ansprüche auch abwehren? Die einzige Handhabe, die Naturwissenschaft, kann ja nicht mehr verwendet werden, mithin jene Methode, die viele unwirksame und schädliche Behandlungsformen (wie Quecksilbertherapie und Aderlässe) eliminierte.

Diese Vorstösse sind eine Bankrotterklärung vor Quacksalberei und einer Lobby, die sich erhofft, dank eines Gesetzes sichere Gewinne an Land zu ziehen ohne irgend etwas in Forschung und den Fortschritt der Medizin zu investieren. Doch das interessiert Politiker wie Frau Forster-Vannini nicht im geringsten. Sie glaubt, dass ihr Vorstoss gut tönt und bei den Wählern in diesem Jahr ankommt. Die möglichen Konsequenzen dieser idiotischen Motion zu bedenken scheint diese Ständerätin nicht in der Lage zu sein... deshalb einfach ein Aufruf an alle Bürger, die ein Interesse daran haben, dass nicht plötzlich irgendwann wieder Medizinmänner durch die Spitäler laufen: Gebt ihr im Herbst nur noch Stimmen in homöopathischer Dosis. Wenn Erika Forsters Ideen stimmen, wird sie ja nachher erst recht weiter wirken... denn auf das Gefühl kommt es an und nicht auf die Fakten.

(von Patrik Etschmayer/news.ch)

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