Indien im «Krieg» - Terror demütigt Atommacht

publiziert: Donnerstag, 27. Nov 2008 / 21:15 Uhr / aktualisiert: Donnerstag, 27. Nov 2008 / 22:06 Uhr

Neu Delhi - Bombay ist eigentlich eine lebendige, bunte Wirtschaftsmetropole, doch die jüngsten Bilder aus der westindischen Millionenstadt ähnelten denen aus einem Kriegsgebiet.

11 Meldungen im Zusammenhang
Mehrere Gruppen mutmasslich muslimischer Terroristen griffen am Mittwochabend an zehn strategischen Stellen binnen weniger Minuten Ziele an. Sie töteten mehr als 100 Menschen, verschanzten sich in zwei Luxushotels und nahmen Dutzende Geiseln.

Die in der indischen Geschichte beispiellosen Angriffe versetzten die hochgerüstete Atommacht in eine Schockstarre. Den Sicherheitskräften, darunter 800 Soldaten, gelang es bis zum Einbruch der Dunkelheit am Donnerstag nicht, die Situation unter Kontrolle zu bringen.

Der Angriff wirkte wie eine militärische Kommandooperation gegen eine feindliche Stadt. Mindestens eine Terroristengruppe kam mit einem Schiff, von dem aus zwölf Mann mit einem Schlauchboot zum Gateway of India fuhren, einem der wichtigsten Nationalsymbole.

Gezielt nach Ausländern gesucht

Dort gingen die schwer bewaffneten Terroristen offenbar ungestört an Land und verteilten sich, einige von ihnen drangen in das wenige Meter entfernte Taj-Mahal-Hotel ein - das berühmteste Hotel Indiens.

Auch das Trident-Hotel, ein Spital, ein Kino, eine Tankstelle, ein Café, den wichtigsten Bahnhof Bombays, ein jüdisches Zentrum und das Polizei-Hauptquartier griffen die mindestens 20 Terroristen mit Schnellfeuergewehren und Handgranaten an.

Die Extremisten machten sich nicht einmal die Mühe, ihre Gesichter zu verbergen - sie nahmen ihren Tod bei der von langer Hand geplanten Operation offensichtlich in Kauf. Ein Augenzeuge im Taj-Mahal-Hotel sagte, die Angreifer hätten gezielt nach Geiseln aus den USA und Grossbritannien gesucht.

Auch mehrere Israelis gerieten in die Hand der Terroristen. Die Angreifer dürften erfolgreich darauf spekuliert haben, dass sie in den Luxushotels zahlreiche Ausländer in ihre Gewalt bringen und damit weltweit Schlagzeilen machen können.

Neue Dimension

Eine bislang nicht in Erscheinung getretene islamistische Gruppe namens Deccan Mudschaheddin bekannte sich zu den Angriffen. Ob sie mit den Indischen Mudschaheddin in Verbindung stehen, die die Verantwortung für mehrere andere Anschlägen in diesem Jahr übernommen haben, blieb unklar.

Zwar kommt es in Indien - und auch in Bombay - immer wieder zu schweren Sprengstoffanschlägen. Doch die jüngsten Angriffe hätten «eine vollkommen neue Dimension», sagte ein westlicher Indien-Experte, der anonym bleiben wollte.

«Das war kein hinterletzter Markt, sondern ein Hochsicherheitsgebiet.» Er sprach von einem «totalen Scheitern der indischen Sicherheit».

Harte Worte

In ihrer Hilflosigkeit griffen Politiker der gedemütigten Regionalmacht zu harten Worten. «Wir betrachten die Terrorangriffe in Bombay als Krieg und behandeln die Situation wie einen Ausnahmezustand zu Kriegszeiten», sagte Indiens Vize-Innenminister Sriprakash Jaiswal.

Sandeep Bhardwaj vom Institut für Friedens- und Konfliktforschung (IPCS) in Neu Delhi meinte: «Diese Angriffe zeigen, dass der Terrorismus in Indien die nächste Ebene erreicht hat. Es ist auch ein klarer Versuch, der Moral der Inder einen schweren psychologischen Schlag zu versetzen.»

Das ist den Terroristen gelungen. Die Angriffe «haben die Nation tief geschockt», sagte Premierminister Manmohan Singh in einer Fernsehansprache. Was dann kam, dürfte die pakistanische Regierung bereits geahnt haben. Sie hatte sich schon zuvor beeilt, die Anschläge zu verurteilen.

Nachbarländer beschuldigt

Pakistans Aussenminister Shah Mehmood Qureshi, der sich im Rahmen des fragilen Friedensprozesses der beiden verfeindeten Atommächte in Indien aufhielt, warnte in weiser Voraussicht vor Schuldzuweisungen. Für frühere Anschläge hatte Neu Delhi islamistische Gruppen vor allem aus Pakistan, aber auch aus Bangladesch verantwortlich gemacht.

Singh nannte Pakistan in seiner Ansprache an die Nation zwar nicht beim Namen, die Regierung in Islamabad dürfte sich aber trotzdem mit angesprochen gefühlt haben. Der indische Premierminister betonte, die Terrorangriffe von Bombay hätten ihren Ursprung im Ausland.

Er warnte die angrenzenden Staaten, man werde es nicht dulden, wenn von ihrem Territorium aus Anschläge auf Indien verübt würden. Drohend fügte er an die Adresse der Nachbarn hinzu: «Wenn keine angemessenen Massnahmen von ihnen ergriffen werden, wird das seinen Preis haben.»

(von Can Merey, dpa/sda)

Kommentieren Sie jetzt diese news.ch - Meldung.
Lesen Sie hier mehr zum Thema
Neu Delhi - Wegen Terrorgefahr hat ... mehr lesen
Neu Delhi: Kontrollen an Flughäfen, Bahnhöfen und von Autos würden verstärkt, teilte die Polizei mit.
IAEA-Generaldirektor Mohamed El Baradei.
Wien - Indien hat in Wien ein ... mehr lesen
Bombay - Die beispiellose Anschlagserie in Bombay hat Indien in eine ... mehr lesen
Shivraj Patil.
«Regierung hat versäumt zu handeln.» Premierminister Manmohan Singh am Grab des früheren Premierministers während der Anschläge.
Neu Delhi - Indien bestattete am Samstag die «Helden von Bombay», Sicherheitskräfte, die im Kampf gegen die Terroristen getötet worden waren. Gleichzeitig war die politische ... mehr lesen
Weitere Artikel im Zusammenhang
Die Hotels sichern den Terroristen eine grosse Aufmerksamkeit.
London - Mit den Anschlägen in Bombay hat der Terrorismus in Indien eine neue Dimension erreicht. Von einem «noch nie dagewesenen Ausmass» spricht Paul Wilkinson, Professor für ... mehr lesen
Etschmayer Ob der ganzen Weltwirtschaftskrise ist das letzte schlagzeilenträchtige Thema, das bis Ende letzten Jahres die Medien in diesem Jahrzehnt bis anhin be ... mehr lesen 
Die Bomben explodierten in sieben vollbesetzten Zügen.
Bombay - Bei einer verheerenden ... mehr lesen
 
Stellenmarkt.ch
Kreditrechner
Wunschkredit in CHF
wetter.ch
Heute Fr Sa
Zürich 3°C 7°C wechselnd bewölkt, Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt, Regen wechselnd bewölkt, Regen
Basel 4°C 9°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen wechselnd bewölkt, Regen
St. Gallen 0°C 4°C starker Schneeregenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig trüb und nass starker Schneeregen
Bern 0°C 6°C Schneeschauerleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt, Regen wechselnd bewölkt, Regen
Luzern 3°C 6°C wechselnd bewölkt, Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt, Regen wechselnd bewölkt, Regen
Genf 4°C 9°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen wolkig, aber kaum Regen
Lugano 9°C 14°C wechselnd bewölktleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich recht sonnig
mehr Wetter von über 8 Millionen Orten