Jurist kritisiert Aktenvernichtung

publiziert: Samstag, 24. Mai 2008 / 10:55 Uhr / aktualisiert: Samstag, 24. Mai 2008 / 13:37 Uhr

Bern - Die Aktenvernichtungsaktion des Bundesrates wird nicht nur von politischer, sondern auch von juristischer Seite in Frage gestellt. Der Strafrechtler Niklaus Oberholzer bezeichnet sie als «ungeheuerlich».

Bundespräsident Pascal Couchepin an einer Medienkonferenz zur Vernichtung.
Bundespräsident Pascal Couchepin an einer Medienkonferenz zur Vernichtung.
6 Meldungen im Zusammenhang
Er habe noch nie von einem ähnlichen Fall von Aktenvernichtung gehört, und dies sei für ihn «das Ungeheuerliche daran», sagte der Präsident der Anklagekammer des Kantons St. Gallen in einem Interview, das im «St. Galler Tagblatt» und im «Bund» erschien.

Das Vorgehen des Bundesrates greife «massiv» in das Prinzip der Gewaltentrennung ein, sagte er zudem in einem Interview der «Thurgauer Zeitung». In einem Rechtsstaat mit Gewaltentrennung sei eine direkte Intervention der Regierung in ein laufendes Verfahren nicht vorgesehen.

Er könne sich nicht vorstellen, wie das Gericht noch zu einer Verurteilung gelangen könne, nachdem die Akten von einer politischen Behörde «gesäubert» worden seien. Die Verteidigung könne jederzeit einwenden, entlastendes Material sei ebenfalls vernichtet worden.

Ausserordentliche Krisenlage?

Die Begründung des Bundesrates für die Aktenvernichtung lässt Oberholzer nicht gelten. Der Bundesrat berufe sich auf eine Bestimmung der Bundesverfassung, die auf ausserordentliche Krisenlagen zugeschnitten sei. Er habe aber grosse Mühe mit der Vorstellung, dass sich die Welt oder die Schweiz in einer solchen Situation befunden hätten.

Auch die Begründung, der Besitz solcher Akten sei unvereinbar mit dem Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen, stellt der Jurist in Frage. Um den Vertrag zu erfüllen, hätte es gereicht, die Dokumente sicher zu verwahren und erst nach Abschluss des Strafverfahrens zu vernichten, gibt er zu bedenken.

Kritik von Dick Marty

Kritik übt auch der Europaratsermittler und Nationalrat Dick Marty (FDP/TI). Er verstehe nicht, warum die Dokumente zerstört worden seien, sagte er am Freitag in der «Tagesschau» des Westschweizer Fernsehens. Er gehe davon aus, dass «noch nicht die ganze Wahrheit» gesagt sei.

Die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) teilte dem Bundesrat schriftlich mit, dass sie «mit der umfassenden Vernichtung von Akten nicht einverstanden» sei, wie GPDel-Vizepräsident Claude Janiak (SP/BL) in einem Interview der «Mittelland Zeitung» sagte.

(smw/sda)

Kommentieren Sie jetzt diese news.ch - Meldung.
Lesen Sie hier mehr zum Thema
Bern - Der des Atomschmuggels ... mehr lesen
Die Tinners sollen für den «Vater der pakistanischen Atombombe» gearbeitet haben. (Themenbild)
Die Akten hätte man laut Beyeler der IAEO übergeben müssen. (Archivbild)
Bern - Die Bundesanwaltschaft (BA) ... mehr lesen
Bern - Die umstrittene Aktenvernichtung im Fall Tinner hat neben einem politischen ... mehr lesen
Eveline Widmer-Schlumpf wiederholte die Erklärung von Bundespräsident Pascal Couchepin.
Der Bundesrat wird die Geschäftsprüfungsdelegation informieren müssen.
Bern - Alt Bundesrat Christoph Blocher hat erstmals Stellung zur umstrittenen Aktenvernichtung im Fall Tinner bezogen. Er bezeichnete die Aktion als rechtens und im Landesinteresse. Auch ... mehr lesen
Bern - Die Gebrüder Tinner bleiben ... mehr lesen 1
Die drei Ostschweizer sollen für den Vater von Pakistans Atombombe gearbeitet haben.
Weitere Artikel im Zusammenhang
Die vernichteten Dokumente haben gemäss Couchepin ein erhebliches Sicherheitsrisiko dargestellt.
Bern - Der Bundesrat hat Akten der mutmasslichen Schweizer Atomschmuggler vernichten lassen, um zu vermeiden, dass dieses «gefährliche Material» in falsche Hände gerät. So ... mehr lesen
.
Digitaler Strukturwandel  Nach über 16 Jahren hat sich news.ch entschlossen, den Titel in seiner jetzigen Form einzustellen. Damit endet eine Ära medialer Pionierarbeit. mehr lesen 22
Die Verzinsung bietet einen Anreiz, Covid-19-Kredite nicht länger als notwendig zu beanspruchen.
Die Verzinsung bietet einen Anreiz, ...
Buchhaltung Bern - Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 27. März 2024 beschlossen, die Zinssätze für die ausstehenden Covid-19-Kredite per 31. März 2024 unverändert zu belassen. Für Kredite bis 500'000 Franken sind weiterhin 1,5 Prozent und für Kredite über 500'000 Franken 2 Prozent zu entrichten. mehr lesen  
Bei einem Treffen am 13. Februar 2024 in Bern diskutierten Vertreterinnen und Vertreter der Kantone, Städte, Gemeinden, Bau- und Immobilienwirtschaft sowie der Zivilgesellschaft unter Leitung von Bundesrat Guy ... mehr lesen
Teil des Plans ist die Durchmischung von Arbeits- und Wohnzonen sowie eine Überprüfung möglicher höherer Bauprojekte an geeigneten Standorten.
Für die Solarwirtschaft wurden die Berufe «Solarinstallateur/in EFZ», «Solarmonteur/in EBA» eingeführt.
Um den Anforderungen der Wirtschaft Genüge zu tun  Das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) hat im Jahr 2023 insgesamt 50 neue oder überarbeitete Berufe genehmigt und ... mehr lesen  
Buchhaltung Das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) hat ihren Jahresabschlussbericht für das Jahr 2023 vorgelegt und ... mehr lesen  
Bernerhof, Sitz des Staatssekretariat für internationale Finanzfragen SIF.
Titel Forum Teaser
  • melabela aus littau 1
    es geht nicht nur um homosexuelle ich bin eine frau und verheiratet mit einem mann. leider betrifft es ... So, 14.08.16 13:18
  • Pacino aus Brittnau 731
    Kirchliche Kreise . . . . . . hatten schon immer ein "spezielles" Verhältnis zu ... Do, 09.06.16 08:07
  • Kassandra aus Frauenfeld 1781
    Das wird die Deutschen aber traurig machen. Wenn man keinen Flughafen und keinen Bahnhof ... Mi, 08.06.16 17:49
  • Pacino aus Brittnau 731
    Demokratie quo vadis? Wenn die Demokratie den Stacheldraht in Osteuropa-, einen Wahlsieg von ... Mo, 06.06.16 07:55
  • zombie1969 aus Frauenfeld 3945
    Es... muss darum gehen, die Kompetenz der Kleinbauern zu stärken. Das sorgt ... Do, 02.06.16 13:07
  • Kassandra aus Frauenfeld 1781
    Kindeswohl egal! Es geht doch vor allem um die eigenen Kinder der Betroffenen. Die ... Do, 02.06.16 08:10
  • Kassandra aus Frauenfeld 1781
    Verlust der Solidarität: Verlust der Demokratie! Vollständig und widerspruchsfrei beantworten lässt sich das wohl nicht. ... Mi, 01.06.16 00:18
  • zombie1969 aus Frauenfeld 3945
    Unterstützung "Deshalb sind für die Sozialhilfe 267 Millionen Franken mehr und für ... Di, 31.05.16 10:38
 
Stellenmarkt.ch
Kreditrechner
Wunschkredit in CHF
wetter.ch
Heute Fr Sa
Zürich 0°C 12°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt wolkig, aber kaum Regen
Basel 5°C 14°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen wolkig, aber kaum Regen
St. Gallen 1°C 9°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich wechselnd bewölkt
Bern 0°C 11°C starker Schneeregenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich wolkig, aber kaum Regen
Luzern 1°C 12°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt wolkig, aber kaum Regen
Genf 5°C 13°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt wolkig, aber kaum Regen
Lugano 6°C 10°C wechselnd bewölkt, Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig anhaltender Regen anhaltender Regen
mehr Wetter von über 8 Millionen Orten