Kampf dem Fundamentalismus
Die Fronten verhärten sich zusehends und der aufgeklärte Westen sieht überall die Bedrohung seiner Errungenschaften. Humanismus, Freiheit und offener Dialog scheinen in Gefahr zu sein und es herrscht eine allgemeine Beklemmung. Die guten Zeiten sind offenbar vorbei. Die Zeichen stehen auf Konfrontation.
Konfrontation ist jedoch jene Taktik, die langfristig vermutlich am Wenigsten bringen wird. 1300 Jahre Religionskämpfe und -krämpfe haben ausser vielen Toten und unzähligen Konflikten nichts gebracht.
Die logische Folgerung, wäre natürlich, Religionen einfach zu beseitigen. Aber da kann man ebenso gut probieren, einen Hurricane mit gut zureden in ein Frühlingslüftchen zu verwandeln. Religiöses Denken ist für viele Menschen immer noch im Zentrum ihres Lebens oder zumindest ein wichtiger Bestandteil ihres Weltbildes, ganz egal, wie stark dieser Glaube im Widerspruch zur wirklich beobachtbaren Welt steht.
Doch dies war auch schon vor 20 Jahren so. Doch damals wurde der Fundamentalismus noch nicht als grosse Bedrohung wahrgenommen. Nicht zuletzt, weil er damals noch keine war. Zwar gab es bereits den «Gottesstaat» Iran, aber dieser war vor allem mit dem Nachbarn Irak beschäftigt und die Feindschaft mit den USA wurde auf staatlicher Ebene kultiviert.
Die wahre Gefahr sass bereits damals – weitgehend ignoriert – in Saudi Arabien. Das wahabitische Herrscherhaus hatte, ermutigt durch die USA, seit Jahren schon den Kampf der Mudschaheddin in Afghanistan unterstützt und war scheinbar auf den Geschmack gekommen, die eigene, radikale Auslegung des Islam weltweit zu fördern.
Dies wurde vor allem durch die fast unbeschränkt fliessenden Öl-Dollars möglich, mit denen auf der ganzen Welt Moscheen gebaut und an viele Orte hin Prediger entsandt wurden, die eine extreme Auslegung des Islams verkündeten, welche dessen kämpferischen Stellen betonen, die versöhnlichen Stellen ausblenden.
Wo immer ein Machtvakuum herrschte, schlugen die Saudis zu: Moscheen in Bosnien, Prediger in England, «Entwicklungshilfe» im Sudan. Dazu kam noch die Möglichkeit, über Satellitenschüsseln die eigene Botschaft direkt in die Wohnzimmer der Gläubigen in aller Welt zu liefern. Es war und ist Radikalismus, finanziert an den Tanksäulen der Welt.
Doch der Erfolg dieser lautstarken Propaganda zeigt vor allem zwei Dinge: Zum Einen, dass auch Religion ein Produkt ist, dass mit Werbung an den Mann (denn die Empfänger sind hier vor allem die Männer) gebracht werden kann. Und zum Anderen, dass bei diesen Empfängern im Westen eine spirituelle Heimatlosigkeit herrscht. Wir haben diese ständig wachsende Gruppe lange ignoriert, zum Teil auch angefeindet. Es gab in Europa kein Konzept, mit diesen umzugehen. Multikulti-Getue war dabei ein albernes Nicht-Konzept, das parallel-Gesellschaften zur Volksfestattraktion verharmloste.
Die Integration einer fremden Kultur ist eine harte Arbeit und für beide Seiten zum Teil sehr unangenehm. Für die Immigranten, weil Kompromisse - unter Androhung von Konsequenzen, wenn nicht auf diese eingegangen wird – notwendig sind, und für uns, weil wir uns mit unserer eigenen Kultur auseinandersetzen und diese jemand anderem «verkaufen» müssen. Dies bedingt echten Dialog und das Anbieten von Möglichkeiten zur Integration an jene, die willens sind, Teil unserer Gesellschaft zu sein.
In Europa hat man sich Jahrzehnte lang mit weg schauen und so tun, als ob alles kein Problem wäre, versucht, aus der Affäre zu ziehen. Diese Versäumnisse jetzt nachzuholen ist doppelt und dreifach schwierig. Doch im Kampf gegen die fundamentalistische Propagandamaschine gibt es keine Alternative. Europa muss auch für Muslime eine Heimat sein können, aber eine, in der immer noch Freiheit, Respekt und Gewaltlosigkeit herrschen müssen. Fundamentalismus hat dabei keinen Platz und muss zurück gerdrängt werden. Dies klar zu machen und durchzusetzen ist die grosse Aufgabe für Politiker aller Länder und die einzige Chance, diese Gesellschaft zu retten, die es eigentlich jedem ermöglicht, sein Leben zu leben.
(von Patrik Etschmayer/news.ch)
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