«Keine grössere Sünde als das Vergessen»

publiziert: Donnerstag, 22. Sep 2005 / 10:18 Uhr

Wien - «Niemals vergessen!» Dies war Simon Wiesenthals Lebensmotto. Mehr als 50 Jahre lang suchte der jüdische Architekt von Wien aus nach den Vordenkern und Vollstreckern des Holocausts.

Nazi-Verfolger Simon Wiesenthal.
Nazi-Verfolger Simon Wiesenthal.
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Simon WiesenthalSimon Wiesenthal
Bis ins hohe Alter hat Wiesenthal in seinem kleinen Büro in Wien gearbeitet. Sein Ziel: So viele Nazi-Täter wie möglich der Justiz zuzuführen. Rund 1100 von ihnen will er enttarnt haben. Durch diese Arbeit habe er sich «das Konzentrationslager um vier Jahrzehnte verlängert», sagte er einst.

Sein spektakulärster Erfolg war sicher die Entdeckung des SS-Obersturmbannführers Adolf Eichmann, der 1960 vom israelischen Geheimdienst Mossad aus Argentinien entführt, in Israel zum Tode verurteilt und 1962 hingerichtet wurde.

In diese Reihe stellt er auch die Enttarnung des Wiener Polizisten Karl Silberbauer 1963, der die 14-jährige Anne Frank in Amsterdam hatte verhaften lassen. Oder das Aufspüren des KZ-Kommandanten von Treblinka, Franz Stangl, im Jahre 1967 in Brasilien.

Kindheit in Österreich-Ungarn

Wiesenthal wurde am 31. Dezember 1908 in der Nähe von Lemberg geboren, das heute zur Ukraine gehört und damals noch zu Österreich-Ungarn. Von 1941 bis zu seiner Befreiung durch die Amerikaner in Mauthausen im Mai 1945 hatte er mehrere Konzentrationslager durchlitten und überlebt.

Seit 1947 widmete sich das «Jüdische Dokumentationszentrum, das Wiesenthal gründete, der Suche nach ehemaligen Nazi-Schergen. Dieses war in der Wiener Innenstadt untergebracht - dort, wo einst das österreichische Gestapo-Hauptquartier stand.

6000 Akten über mutmassliche Täter und die komplette SS-Führungsliste mit 90 000 Namen wurden im Dokumentationszentrum gesammelt. Insgesamt 3000 Fällen ging Wiesenthal selbst nach.

Ein «unnützer Moralist»

Dass ein Mann wie Wiesenthal sich bei seiner Arbeit Feinde machte, war zwangsläufig. Berühmtheit erlangte seine Auseinandersetzung mit dem österreichischen Bundeskanzler und Sozialdemokraten Bruno Kreisky, selbst jüdischer Abstammung.

Dieser drohte mit der »Ausbürgerung« Wiesenthals, als der Nazijäger Dokumente vorlegte, wonach mehrere sozialdemokratische Politiker eine Nazi-Vergangenheit hatten. Kreisky nannte Wiesenthal öffentlich einen »unnützen Moralisten«. 1982 explodierte vor Wiesenthals Haus eine Bombe, die Neonazis dort versteckt hatten.

1996 wurde Wiesenthal in den USA ausgerechnet von jüdischer Seite angegriffen. Er habe in allen grossen Nazi-Fällen der Nachkriegs-Ära versagt, behauptete der Chef der Abteilung NS-Verfolgung im US-Justizministerium, Eli Rosenbaum. Die meisten dieser Anschuldigungen wurden inzwischen widerlegt.

Wiesenthal selbst führte die Vorwürfe auf seine Weigerung zurück, den ehemaligen UNO-Generalsekretär und österreichischen Präsidenten Kurt Waldheim 1986 als Kriegsverbrecher zu brandmarken.

Für seine Verdienste als »Nazijäger« erhielt Wiesenthal zahllose Auszeichnungen und Würdigungen. Mindestens 18 Doktorhüte wurde dem Mann verliehen, dessen Autobiografie den Titel »Recht, nicht Rache« trägt. Und 1977 wurde in Los Angeles das »Simon Wiesenthal Holocaust Center« gegründet, das sich auch nach seinem Ruhestand der Jagd auf NS-Täter verschrieben hat.

(Christian Fürst/sda)

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