Psychologie

Kindheitstraumata beeinflussen Gesundheit ein Leben lang

publiziert: Montag, 2. Feb 2015 / 23:36 Uhr / aktualisiert: Dienstag, 3. Feb 2015 / 09:10 Uhr
«Die Untersuchungen ... zeigten, dass frühe traumatische Erlebnisse ... biologische Folgen haben, wenn auch mit zeitlicher Verzögerung»
«Die Untersuchungen ... zeigten, dass frühe traumatische Erlebnisse ... biologische Folgen haben, wenn auch mit zeitlicher Verzögerung»

Toulouse - Vernachlässigung, seelisch kranke oder alkoholsüchtige Eltern: Wer als Kind besonders belastende Situationen erlebt, spürt die Folgen oft noch im Erwachsenenalter. Das belegt eine umfangreiche Studie.

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Besonders belastende Erlebnisse in der Kindheit können erhebliche Folgen auf die Gesundheit und Lebensumstände noch im Erwachsenenalter haben. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des französischen Nationalen Instituts für Gesundheit und medizinische Forschung INSERM (Institut national de la santé et de la recherche médicale), die in den «Proceedings» der US-nationalen Akademie der Wissenschaften («PNAS») veröffentlicht worden ist.

Schon frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass verschiedenste - auch gerade psychosoziale - Belastungen in der Kindheit das Auftreten von Krankheiten und die Sterblichkeit im Erwachsenenalter erhöhen können. Die neue Studie zeichnet sich nach Ansicht eines deutschen Experten jedoch durch ihre hohe Qualität aus und belegt, dass frühe traumatische Erlebnisse «unter die Haut gehen» können.

Das Team um die Medizinerin Cristina Barboza Solis untersuchte den Zusammenhang zwischen negativen Kindheitserfahrungen (adverse childhood experiences, kurz: ACE) und der sogenannten allostatischen Last (AL). Unter AL werden die Folgen aller Belastungen beziehungsweise stressauslösenden Faktoren verstanden, die ein Mensch im Leben erfährt und die sich etwa als chronischer Stress zeigen.

Ungesundes Verhalten

Die Wissenschaftler nutzten für ihre Analyse die Daten der britischen «National Child Development Study», in der 7535 Menschen im Langzeitverlauf erfasst sind, die 1958 in Grossbritannien geboren wurden.

Sie konzentrierten sich auf jene Teilnehmer, die im Alter zwischen 7 und 16 Jahren mehr als zwei belastende Ereignisse im familiären Umfeld erlebten. Dazu gehören etwa vernachlässigte Kinder und solche, bei denen ein Elternteil Alkoholiker oder inhaftiert ist, aber auch Mädchen und Jungen, deren Eltern sich trennten oder bei denen ein Elternteil an einer seelischen Erkrankung litt.

Die biomedizinischen Daten dieser Gruppe ergaben im Alter von 44 Jahren eine hohe allostatische Last. Um herauszufinden, welche Faktoren diese Last herbeiführten, untersuchten die Autoren das Gesundheitsverhalten der Studienteilnehmenden, ihren Body Mass Index (BMI) und ihren sozioökonomischen Status mit 23 und 33 Jahren.

Das Ergebnis: Bei Männern hingen 59 Prozent der erhöhten allostatischen Last mit ungesundem Verhalten, einem geringen Bildungsgrad und einem niedrigen materiellen Status zusammen. Bei Frauen waren 76 Prozent der erhöhten allostatischen Last mit Rauchen, Übergewicht, einem geringen Bildungsgrad und geringem Einkommen assoziiert.

Physiologische Abnutzung

Die Forschenden schliessen daraus, dass schwerwiegende negative psychosoziale Kindheitserfahrungen die Gesundheit wahrscheinlich langfristig auf verschiedenen Wegen beeinträchtigen. Dazu heisst es in der Studie: «Gruppen, die negative Kindheitserfahrungen erlebten, können die Kosten dafür ihr ganzes Leben tragen, was sich in ihrer physiologischen Abnutzung im Erwachsenenalter zeigt.»

Für Harald Gündel, den ärztlichen Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Ulm, ist die Studie wissenschaftlich und methodisch ein grosser Schritt nach vorn. In der Kindheit «werden viele biologische Regelkreise und Prozesse geprägt, die Folgen für die lebenslange Gesundheit haben», so Gündel.

Frühere Studien hätten in die selbe Richtung gedeutet, allerdings nicht mit dieser Qualität. «Die Untersuchungen auf verschiedenen Ebenen zeigten, dass frühe traumatische Erlebnisse im wahrsten Sinne des Wortes 'unter die Haut gehen' und biologische Folgen haben, wenn auch mit zeitlicher Verzögerung», erklärte Gündel.

(fest/sda)

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