Klimaverhandlungen: Die kommenden Jahre sind Schicksalsjahre

publiziert: Dienstag, 10. Jan 2012 / 09:15 Uhr / aktualisiert: Dienstag, 10. Jan 2012 / 14:02 Uhr
Andreas Fischlin ist Professor für Systemökologie an der ETH Zürich.
Andreas Fischlin ist Professor für Systemökologie an der ETH Zürich.

Was haben die Klimaverhandlungen von Durban gebracht? Viele Stimmen - insbesondere Umweltverbände - lamentierten vor Weihnachten schwarzmalerisch, dass das 2°C-Ziel nun nicht mehr erreichbar wäre, da das in Durban beschlossene neue internationale Klimaschutzabkommen erst ab 2020 in Kraft treten könne.

4 Meldungen im Zusammenhang
Weiterführende Links zur Meldung:

Fünf vor zwölf für das 2-Grad-Klimaziel?
Blogbeitrag vom 29.11.2011, Prof. Reto Knutti
www.klimablog.ethz

Skeptische Forscher bestätigen globale Temperaturkurve
Blogbeitrag vom 10.11.2011, Prof. Stefan Brönnimann
www.klimablog.ethz

2-Grad-Klimaziel wäre erreichbar
Blogbeitrag vom 07.12.2011, Doktorand Joeri Rogelj
www.klimablog.ethz

Nature Climate Change Publikation
Emission pathways consistent with a 2 °C global temperature limit
www.nature.com

SHOPPINGShopping
KlimawandelKlimawandel
Das sei zu spät, um einen gefährlichen Klimawandel noch abwenden zu können. Einige wenige amerikanische Industrievertreter behaupteten hingegen, dass keinerlei Anlass zu Besorgnis bestünde, da die Welt auf dem jetzigen Kurs problemlos das 2°C-Ziel erreichen könne. Was trifft zu?

Die Situation nach den Klimaverhandlungen in Durban

Als Wissenschaftsvertreter nehme ich seit Jahren an den internationalen Klimaverhandlungen teil. Ich schätze, gestützt auf neueste wissenschaftliche Erkenntnisse, beide der genannten Positionen als falsch ein. Ja, die Klimakonferenz von Kopenhagen 2009 war eine Entgleisung. Doch die Konferenz von Cancun 2010 hat den Verhandlungszug wieder auf die Geleise zurückgestellt. Und Durban 2011 hat den Zug wieder in Fahrt gebracht. Zudem erst noch in der richtigen Richtung: Das erstrebenswerte Ziel, die Erderwärmung auf 2°C gegenüber vorindustriellen Verhältnissen zu begrenzen, wurde nochmals fest verankert.

Wieso sollte es also nicht möglich sein, dass der Zug das gewünschten Ziel erreicht? Und wer behauptet, die Verhandlungen seien gescheitert, weil sie mehr hätten erreichen sollen, verlangt das Unmögliche und läuft Gefahr, wieder wie in Kopenhagen 2009 bloss nach den Sternen zu greifen, statt etappenweise wirklich realisierbare politische Ziele anzustreben.

Wie sind die Aussichten, das 2°C-Ziel einzuhalten?

Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse, notabene mit Beteiligung der ETH Zürich (Rogeli et al., 2011) (>siehe Weiterführende Links), haben gezeigt, dass für ein wahrscheinliches Einhalten des 2°C-Ziels (≥66%) weltweit die Treibhausgasemissionen bis spätestens 2020 ihren Zenit überschritten haben sollten (>siehe Weiterführende Links, Blogbeitrag 07.12.2011). Handeln wir rasch, könnten wir also spätere drastische und teure Reduktionen vermeiden. Der Beschluss von Durban stützt dies: Er verlangt adäquat, bis 2015 ein neues Abkommen zu verabschieden. Dieses soll alle Länder, also auch die USA und China, miteinbeziehen und nach der anschliessenden Ratifizierung durch die 194 Mitgliedstaaten ab 2020 in Kraft treten. Ein äusserst anspruchsvolles, doch bei entsprechenden Anstrengungen erreichbares Ziel. Und die weltweiten Treibhausgas-Emissionen müssen nicht notwendigerweise weiter ansteigen, denn die Aussicht auf ein strenges Regime ab 2020 sollte schon im Vorfeld Wirkung zeigen - und damit rückt die Einhaltung des 2°C-Zieles wieder in greifbarere Nähe.

Natürlich droht das 2°C-Ziel mit jedem Jahr ohne bindenden Beschluss weiter in die Ferne zu rücken. Es ist aber immer noch erreichbar. Das stimmt mich zuversichtlich, insbesondere, wenn bei den internationalen Klimaverhandlungen die abzusehenden Schwierigkeiten gezielt angegangen werden: Vieles hängt nach wie vor von den USA ab und davon, dass die durch das bisherige Abseitsstehen der USA verursachte Blockade aufgebrochen werden kann. Ich hoffe, dass die Mehrheit der Amerikaner ihre ureigensten Interessen endlich wahrnimmt und griffigen Schutz vor einem gefährlichen Klimawandel verlangt.

Neues Klimaabkommen per 2015 verlangt volle Aufmerksamkeit

Was mir jedoch Sorgen macht, ist, dass aus wissenschaftlicher Sicht grösste Dringlichkeit angesagt ist (>siehe Weiterführende Links, Blogbeitrag 29.11.2011). Demgegenüber kontrastiert - als ob wir alle Zeit hätten - das Ausmass öffentlicher Aufmerksamkeit an nie enden wollenden klimawissenschaftlichen Scheindisputen, wie beispielsweise dem Einfluss der Sonne oder anderen Detailfragen. Lesen Sie dazu auch den Blogbeitrag (>siehe Weiterführende Links, Blogbeitrag 10.11.2011), der das schön zeigt. Dabei verdient das neue Klimaabkommen per 2015 unsere volle Aufmerksamkeit. Wie viel wirklich erzielbare Emissionsreduktionen soll ein Land erbringen? Ein griffiges Abkommen erfordert von allen Beteiligten eine sorgfältige Beantwortung dieser schwierigen Frage in wenigen Jahren. Beispielsweise dürfen da Fragen zur Anpassung oder zum wissenschaftlichen Hintergrund ruhig noch etwas warten. Schliesslich geht es ja bloss darum, eine «No-Regret-Versicherung» gegen gefährlichen Klimawandel abzuschliessen.

Bleibt uns also genügend Zeit? Wenn wir den Fuss rasch und energisch dazwischenhalten, ja. Mit dazwischen meine ich, zwischen die für Jahrtausende zuschlagende Türe zu einer noch einigermassen erträglichen Zukunft ohne gefährlichen Klimawandel. Die kommenden Jahre bis 2015 sind Schicksalsjahre. In diesem Sinne ein Gutes Neues Jahr!

(Prof. Andreas Fischlin/ETH-Zukunftsblog)

Lesen Sie hier mehr zum Thema
Bern/Berlin - Um die Erderwärmung auf maximal zwei Grad Celsius zu begrenzen, ist ... mehr lesen
Um die Erderwärmung auf maximal zwei Grad Celsius zu begrenzen, ist mehr Einsatz nötig.
Angela Merkel forderte ein verbindliches Regelwerk zum Schutz des Klimas. (Archivbild)
Berlin - Bundeskanzlerin Angela ... mehr lesen
Etschmayer Praktisch jedesmal wenn hier etwas zur Klimveränderung geschrieben wird, kann man davon ausgehen, dass im Forum ein ... mehr lesen 6
Ist entweder ignorant oder lügt einfach gerne: Senator Jim Inhofe, Prominenter «Klimaskeptiker» in den USA
Arktis im Sommer ab 2030 laut Experte völlig eisfrei.
Studienleiter Carlos Duarte sagt ... mehr lesen 1
.
Digitaler Strukturwandel  Nach über 16 Jahren hat sich news.ch entschlossen, den Titel in seiner jetzigen Form einzustellen. Damit endet eine Ära medialer Pionierarbeit. mehr lesen 22
Mit Biogas betriebene Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen (WKK) können fluktuierenden Solarstrom kompensieren und Gebäude beheizen.
Mit Biogas betriebene ...
Eine zentrale Herausforderung der Energiewende ist es, die schwankende Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen auszugleichen. Eine Machbarkeitsstudie zeigt nun für drei Schweizer Kantone auf, wie ein Verbund von Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen kurzfristige Engpässe überbrücken und Gebäude mit Strom und Wärme versorgen kann. mehr lesen 
Vor rund hundert Jahren begann die Industrialisierung der Landwirtschaft - heute erleben wir den Beginn ihrer Digitalisierung. Damit die Big-Data-Welle den Bauer nicht vom Acker schwemmt, sondern ihn optimal ... mehr lesen
Vor rund hundert Jahren begann die Industrialisierung der Landwirtschaft - heute erleben wir den Beginn ihrer Digitalisierung.
Wie werden Wasserkraftwerke wieder rentabel?
Die Schweizer Wasserkraft darbt. Die Ursache dafür sind letztlich Verzerrungen im europäischen Strommarkt. Nun diskutiert die Politik Subventionen für die Grosswasserkraft. Allfällige Rettungsaktionen sollten ... mehr lesen  
Climate change has been communicated as a global concern affecting all of mankind; but this message doesn't seem to be getting through. If indeed the human brain responds better to experience than to analysis, then climate change must be told as a local and personal story - just as the Klimagarten 2085 exhibition is doing. mehr lesen  

Fakten und Meinungen zu Nachhaltigkeit

Der Zukunftsblog der ETH Zürich nimmt aktuelle Themen der Nachhaltigkeit auf. Er bietet eine Informations- und Meinungsplattform, auf der sich Expertinnen und Experten der ETH zu den Themenschwerpunkten Klimawandel, Energie, Zukunftsstädte, Welternährung und Natürliche Ressourcen äussern. Prominente Gäste aus Forschung, Politik und Gesellschaft tragen mit eigenen Beiträgen zur Diskussion bei.

Lesen Sie weitere Beiträge und diskutieren Sie mit auf: www.ethz.ch/zukunftsblog

Viele Start-ups in der Schweiz haben sich dem Umweltschutz verschrieben.
Green Investment Start-ups für die Nachhaltigkeit aus der Schweiz Kaum ein anderes Land in Europa ist beim ...
 
Stellenmarkt.ch
Kreditrechner
Wunschkredit in CHF
wetter.ch
Heute Do Fr
Zürich 1°C 8°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich wechselnd bewölkt
Basel 2°C 8°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt wolkig, aber kaum Regen
St. Gallen 1°C 5°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig Schneeregenschauer wolkig, aber kaum Regen
Bern 0°C 8°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich wolkig, aber kaum Regen
Luzern 2°C 9°C bedeckt, wenig Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen wechselnd bewölkt
Genf 2°C 10°C wechselnd bewölktleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich wechselnd bewölkt, Regen
Lugano 6°C 17°C freundlichleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig recht sonnig trüb und nass
mehr Wetter von über 8 Millionen Orten