«Last.fm hat Copyrights nie mit Füssen getreten»

publiziert: Samstag, 8. Mrz 2008 / 08:44 Uhr

London - Das Online-Netzwerk Last.fm hat sich weltweit als einzigartige Plattform zum Thema Musik etabliert. Das Portal bietet - basierend auf dem Grundsatz «Hören, teilen, entdecken» - einen umfangreichen Pool an Musikservices. Strukturiert als soziales Netzwerk fungiert Last.fm für seine Nutzer als eine Art Webradio mit persönlichen Musikcharts.

Martin Stiksel: «2008 ist für uns ein Schlüsseljahr.»
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Seit der Gründung im Jahr 2002 ist die Plattform inzwischen auf eine Nutzergemeinde von mehr als 20 Mio. Mitglieder angewachsen. Nach einer zunächst schleppenden Entwicklung schlug Last.fm nach einem Relaunch im Jahr 2005 den jetzigen Erfolgskurs ein.

Im vergangenen Sommer ging die Plattform für geschätzte 320 Mio. Dollar in den Besitz des US-Konzerns CBS über. Vor wenigen Wochen erst startete Last.fm einen kostenlosen On-Demand-Musikdienst.

Der österreichischen Mitbegründer Martin Stiksel über aktuelle Entwicklungen, das Verhältnis zur Musikindustrie und Zukunftspläne von Last.fm.

Last.fm definiert sich zu einem beachtlichen Teil über seine Nutzer und was diese an Musik und Informationen mit einbringen. Was schwebte Ihnen damals bei der Gründung der Plattform vor?

Stiksel: Unsere Ausgangsposition war: Wir wollten mehr Musik für uns entdecken, aber wir wollten nicht viel dafür tun. Am Anfang stand eigentlich nur die Idee. Wir haben dann die Infrastruktur in Eigenregie aufgebaut und den Rest den Usern überlassen. Diese haben die Seite erst wirklich mit Inhalten ausgefüllt. Die Entwicklung ist zunächst schleppend verlaufen. Die kritische Masse von einer Mio. Usern erreichten wir erst 2005. Damals haben wir dann auch die Webseite neu gelauncht. Seitdem befindet sich Last.fm bis heute in stabilem Wachstum.

Wie entwickelt sich die Plattform aktuell, welche Zielgruppen fühlen sich von Last.fm angesprochen?

Stiksel: Wir erkennen im Wesentlichen drei Hauptgruppen. Zunächst gibt es jene, die vor allem den Aspekt des Social Networkings schätzen - also die Vernetzung mit anderen. Das sind jene, die neugierig sind, was andere hören, aber auch wissen wollen, was sie selbst die Woche über an Musik konsumiert haben. Die zweite Gruppe kommt in erster Linie, um den riesigen Musikkatalog zu durchstöbern und neue Künstler zu erkunden. Die dritte Gruppe sind Leute, die einfach nur Musik hören wollen. Viele Nutzer verfolgen aber alle drei Zugänge und vermischen diese Aktivitäten miteinander. In punkto Alter ist die Nutzergemeinde ebenso vielfältig, wobei die Jüngeren eher auf den Aspekt des Social Networking stehen. Ältere kommen oft nur zum Musikhören.

Last.fm ist als Projekt an sich bislang recht eigenständig. Gibt es aus Ihrer Sicht direkte Konkurrenten bzw. gegen wen muss sich die Plattform behaupten?

Stiksel: Einen wirklich direkten Konkurrenten haben wir eigentlich nicht. Wir sehen uns nach wie vor als die vollständigste Plattform in Bezug auf Musik, die es derzeit gibt. Diese Fülle von Musikservices bietet sonst niemand an. Das war auch der Grund, warum wir die Plattform Last.fm genannt haben - wir dachten, dass dies die letzte Musikstation sein wird, die man braucht. Hier wird alles, was Musik betrifft, an einem Platz zusammengefasst. Prinzipiell konkurrieren wir aber schon mit Webseiten wie Facebook oder Myspace. Das hat den einfachen Grund, dass so viele Leute so viel Zeit auf diesen Portalen verbringen. Jeder, der im Internet operiert, konkurriert irgendwie mit diesen Plattformen, weil sie derart massiv sind.

Kürzlich hat Last.fm einen kostenlosen On-Demand-Musikdienst gestartet. Sieht sich die Plattform als alternatives Modell zur klassischen Musikindustrie?

Stiksel: Die Plattenfirmen arbeiten gerne mit uns zusammen. Der Grund dafür ist, dass wir ihre Musik promoten - bei den richtigen Leuten. Während jedes Label nur die Möglichkeit hat, die aktuellsten zwei bis drei Platten zu bewerben, ist bei Last.fm alles im Umlauf - auch ältere Sachen. Dadurch wird der gesamte Backkatalog automatisch mit beworben. Wir sehen uns nicht als Ablöse des gängigen Downloadmodells, sondern als Alternative. Denn viele Leute sind damit zufrieden, auf Musik zugreifen zu können, wann immer sie möchten, müssen diese aber nicht unbedingt besitzen. Wir bieten im Gegensatz zum ursprünglichen Modell, das von Besitz ausgeht, schlichtweg Zugang.

Welche Haltung nehmen Sie beim Thema Copyrights ein?

Stiksel: Die internationale Musiklizenzierung ist natürlich sehr komplex. Wir hatten aber immer einen guten Draht zur Musikindustrie, da wir das Copyright immer sehr respektiert und es nie mit Füssen getreten haben. Wir haben zuerst die Partnerschaften mit den Labels abgewartet, bevor wir Musikstreams ins Netz stellten. Das hat uns guten Willen bei der Musikindustrie eingebracht. Daher waren auch die Abschlüsse von Kooperationen relativ leicht.

Grundsätzlich ist der Zugang zu Last.fm gratis. Wie finanziert sich das Portal und welche Rolle spielt Werbung?

Stiksel: Die Finanzierung erfolgt hauptsächlich über Werbung auf der Webseite. Wir kennen den Musikgeschmack der Nutzer und können diese Information natürlich mit einfliessen lassen. Jede Marke ist auch irgendwie mit Musik verbunden. Wir bieten unseren Werbekunden die Gelegenheit, Menschen gezielt und direkt anzusprechen. Das Ganze läuft über klassische Banner- bzw. Displaywerbung. Akustische Werbung oder ähnliches gibt es nicht. Zu unseren grössten Werbern zählen natürlich Majorlabels und Musikfirmen, aber auch Internetkonzerne wie zum Beispiel Microsoft.

Inwiefern achtet Last.fm darauf, die Werbeschaltungen nach Nutzerbedürfnissen abzustimmen, also die Mitglieder nicht damit zu verschrecken?

Stiksel: Wir respektieren unsere Nutzer und wollen keine grossen Barrieren aufbauen. Premium-Kunden, die ein bisschen Geld für Last.fm bezahlen, bekommen zudem überhaupt keine Werbung zu Gesicht. Ansonsten versuchen wir einfach die richtigen Leute mit der richtigen Werbung zu erreichen.

Im vergangenen Jahr wurde Last.fm für eine beachtliche Summe an den US-Konzern CBS verkauft. Hat es seit der Übernahme spürbare Veränderungen gegeben?

Stiksel: Das Grossartige war, dass wir uns Sachen vornehmen konnten, die wir sonst auf die lange Bank geschoben haben. Die Übernahme gab uns die Möglichkeit, uns zurückzulehnen und zu überlegen: Was können wir in Zukunft noch alles machen, nachdem unser Fortbestand nun gesichert ist. Wir werden jetzt viel ernster genommen als in der Start-up-Phase. Wir werden von unseren Geschäftspartnern, von den Plattenfirmen besser akzeptiert. Die Freiheit, Ideen umzusetzen, besteht nach wie vor. CBS sieht, wie wir die Plattform führen und solange wir uns positiv und mit Wachstum entwickeln, gibt es keinen Grund, dass hier jemand eingreifen müsste. Natürlich wird die Latte immer höher gelegt. Das resultiert aber daraus, dass die Plattform wächst und wir mit einer viel grösseren Masse an Leuten konfrontiert sind. Mit so vielen Usern sind wir bei Veränderungen nicht mehr ganz so flexibel wie früher.

Last.fm hat in den vergangenen Monaten für viele Neuigkeiten gesorgt. Welche Erwartungen und Pläne haben Sie für die Zukunft, welche Ziele werden für das laufende Jahr verfolgt?

Stiksel: 2008 ist für uns auf jeden Fall ein Schlüsseljahr. Wir haben mit dem On-Demand-Service stark angefangen. Nun drängt einiges in Richtung Produktentwicklung. Da haben wir auch schon viel in Planung und teilweise in der Durchführung. Das betrifft zum Beispiel die Entlohnung von Künstlern, die ihre Musik bei uns anbieten. Ausserdem werden wir unsere Abonnements in Richtung On-Demand-Dienst ausbauen. Und auch der Bereich Musikvideos soll in den kommenden Monaten deutlich gestärkt werden. Nicht zuletzt geht es aber nach wie vor um unsere alte Mission: So viel Musik wie möglich und andere musikrelevante Inhalte für die Plattform heranzuschaffen.

(rr/pte)

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