Leichtathletik: Spannende Entscheidungen zum Abschluss der WM:

Die dramatischsten Entscheidungen fielen in den Finals über 800 m und 5000 m. Der erst 18-jährige Kenianer Eliud Kipchoge stahl den beiden 5000-m-Favoriten, dem 10 000-m-Weltmeister Kenenisa Bekele (Äth) und dem 1500-m-Gewinner, Hicham El Guerrouj (Mar), die Show.

Er kämpfte die beiden in 12:52,79 nieder. El Guerrouj erhielt mit 4/100 Rückstand Silber, Bekele Bronze. Eliud Kipchoge hatte dieses Jahr in Avenches den Cross-Junioren-WM-Titel gewonnen -- als Bekele bei den Aktiven zweimal Gold holte. Kipchoge lief im Juni in Oslo Junioren-Weltrekord, konnte aber 2002 an den Junioren-WM wegen eines Malaria-Anfalls nicht starten.

Said-Guerni rang Borsakowski nieder

Der Sieger des B-Laufes bei Weltklasse Zürich ist neuer Weltmeister über 800 m. Der 26-jährige Algerier Djabir Said-Guerni, 1999 WM-Dritter und 2000 Olympiadritter, setzte sich im Spurt eines langsamen, taktischen Rennens gegen den Russen Juri Borsakowski (22) knapp durch.

Said-Guerni kämpfte in den vergangenen Jahren mit Verletzungen, wurde vor 2 Wochen in Zürich noch in den B-Lauf geschickt, kam aber gerade für die WM rechtzeitig in Topform. Er ist mit der algerischen Olympiafechterin Wassila Rédouane verheiratet.

Seinen Titel widmete er "den 5 Millionen Algeriern in Frankreich". Borsakowski, der 2001 und 2002 bei WM und EM auf die 800 m verzichtet hatte, gewann nach seinem Hallen-WM-Titel 2001 die erste Freiluft-WM-Medaille.

Ohne den ausgeschiedenen Titelverteidiger André Bucher ging Weltrekordler und Europameister Wilson Kipketer (Dä) in Führung. 24,56 für 200 und 52,46 für 400 m bedeuteten, dass es zu einem harten Spurt kommen würde.

Mit einem Kick zog Borsakowski, wie meist von hinten kommend, bei 600 m den Endspurt an und legte ein paar Meter zwischen sich und die Konkurrenz.

Doch auf der Zielgeraden kam Said-Guerni immer mehr auf. Mit 1:44,81 lag er im Ziel schliesslich um 3/100 vorne. Bronze ging an den jungen Saisondominatoren und Sieger von Zürich, Mbulaeni Mulaudzi (SA), vor Kipketer, der gekommen war, "um zu gewinnen".

Cloete vor Bergqvist

Das brisante Hochsprung-Duell zwischen Titelverteidigerin Hestrie Cloete (SA) und Europameisterin Kajsa Bergqvist (Sd) endete auf 2,00.

Nur Cloete überquerte noch die 2,02, 2,04 und die 2,06, womit sie die Jahres-Weltbestleistung Bergqvists egalisierte. Die Schwedin musste sich hinter der Russin Marina Kuptsowa (ebenfalls 2,00) mit Bronze begnügen.

Ayhan überspurtet

Von der Spitze aus wollte die Jahres-Weltbeste Süreyya Ayhan den 1500-m-Titel gewinnen, doch am Schluss wurde sie von der Russin Tatjana Tomaschowa in 3:58,52 noch überholt. Immerhin eroberte Europameisterin Ayhan die erste türkische Medaille in der WM-Geschichte.

WM-Rekord und erstes Kenia-Gold

Die Marathonläufe in den Strassen von Paris endeten mit afrikanischen Erfolgen durch den Marokkaner Jaouad Gharib und die Kenianerin Catherine Ndereba. Gharib stieg nach 2:08:31 in seinem erst zweiten Marathon gleich zuoberst aufs Podest. Er sorgte erstmals für eine WM-Siegeszeit unter 2:10 Stunden. Der Spanier Julio Rey musste Gharib erst auf der Stadionrunde ziehen lassen.

Die 31-jährige Catherine Ndereba gewann am Schlusstag das erste WM-Gold (vor Kipchoge) für die Kenianer in 2:23:55. Sie verwies gleich ein ganzes japanisches Trio. Ndereba war 2001 in Chicago mit 2:18:47 Weltbestzeit gelaufen. Sie siegte unter anderem vier Mal in Boston und zwei Mal in Chicago.

Stadion kochte wegen Barber und Staffel

Am Samstag hatten die aus Sierra Leone stammende Eunice Barber und die Sprintstaffel der Frauen im kochenden Stade de France innert weniger Minuten die ersten beiden Goldmedaillen für das Gastgeberland gewonnen.

Die 28-jährige Siebenkämpferin Barber flog im letzten Versuch des Weitsprungs auf 6,99 m und damit an der bis dahin führenden russischen Favoritin Tatjana Kotowa vorbei.

Nach ihrer Silbermedaille im Siebenkampf hinter der jungen Schwedin Carolina Klüft holte nun Barber doch noch Gold, das erste für Frankreich seit 1999. Damals hatte Barber im Siebenkampf gewonnen.

Wenige Minuten nach Barbers Triumph erfüllte das Quartett Patricia Girard, Muriel Hurtis, Sylviane Felix und Christine Arron einen weiteren Wunschtraum der Fans.

Arron, die über 100 m wie Hurtis über 200 m zur grossen Enttäuschung ohne Medaille geblieben war, rang auf der Schlussstrecke die 100-m-Silbergewinnerin Torri Edwards (USA) hauchdünn nieder.

Die Französinnen siegten damit in der Jahres-Weltbestzeit von 41,78. Nicht dabei im französischen Team war Sprint-Doppelweltmeisterin Kelli White wegen ihrer Dopingaffäre.

Dibaba jüngste Weltmeisterin

Die äthiopische Junioren-Weltrekordlerin Tirunesh Dibaba ist nicht nur die jüngste Weltmeisterin von Paris, sondern mit 18 Jahren und 86 Tagen die jüngste Einzel-Weltmeisterin überhaupt.

Mit einem brillanten Endspurt schwang sie in 14:51,72 vor Marta Dominguez (Sp) obenaus. Die Cousine von 10 000-m-Olympiasiegerin und Ex-Weltmeisterin Derartu Tulu hat in Avenches auch den Juniorinnen-WM-Titel im Cross gewonnen.

4. Titel für Johnson nach Kampf

Der 32-jährige Allen Johnson musste im 110-m-Hürden-Final hart kämpfen, bis er seinen 4. WM-Titel nach 1995, 1997 und 2001 im Trockenen hatte. Mit 13,12 wurde er in der drittbesten Zeit der Saison gestoppt und lag damit 8/100 vor seinem Landsmann Terrence Trammell.

Ein amerikanisches Triple verhinderte der 20-jährige Chinese Xiang Liu, der letztes Jahr in Lausanne Junioren-Weltrekord gelaufen war, in 13,23, vor Larry Wade.

Makarow und Manjani mit dem Speer

Im Speerwerfen holten der letztjährige EM-Zweite Sergej Makarow (Russ) und die griechische Favoritin Mirela Manjani die Titel. Makarow realisierte den Siegeswurf auf 85,44 im ersten Versuch. Der Freund von Sprint-Weltmeisterin Kelli White, der Deutsche Boris Henry, gewann mit 84,74 Bronze. Nur Vierter wurde der dreifache Weltmeister Jan Zelezny.

Bei den Frauen reichte es Weltrekordlerin Osleidys Menendez (Kuba) mit 62,19 nur zu Rang 5. Mirela Manjani (27), u.a. Europameisterin 2002, setzte sich mit mehr als 3 m Vorsprung und Jahres-Weltbestleistung von 66,52 durch.

Drei Staffeln für die USA

Mit dem "B-Team" ohne Greene und Drummond über 4x100 m sowie in beiden 4x400-m-Wettbewerben holten die favorisierten Amerikaner die erwarteten drei Goldmedaillen. Die Viertelmeiler-Frauenequipe lief in 3:22,63 Jahres-Weltbestzeit.

Resultate

Finals

Männer

800 m: 1. Djabir Said-Guerni (Alg) 1:44,81. 2. Juri Borsakowski (Russ) 1:44,84. 3. Mbulaeni Mulaudzi (SA) 1:44,90. 4. Wilson Kipketer (Dä) 1:45,23. 5. Andrea Longo (It) 1:45,43. 6. Justus Koech (Ken) 1:45,63. 7. Hezekiel Sepeng (SA) 1:45,74. 8. Osmar Barbosa dos Santos (Br) 1:46,28.

5000 m: 1. Eliud Kipchoge (Ken) 12:52,79. 2. Hicham El Guerrouj (Mar) 12:52,83. 3. Kenenisa Bekele (Aeth) 12:53,12. 4. John Kibowen (Ken) 12:54,07. 5. Abraham Chebii (Ken) 12:57,74. 6. Gebre-egziabher Gebremariam (Aeth) 12:58,08. 7. Richard Limo (Ken) 13:01,13. 8. Zersenay Tadesse (Eritrea) 13:05,57. -- Ferner: 13. Christian Belz (Sz) 13:26,02.

4x100 m: 1. USA (Capel/Williams/Patton/Johnson) 38,06. 2. Grossbritannien (Malcolm/Campbell/Devonish/Chambers) 38,08. 3. Brasilien (De Lima/Ribeiro/Da Silva/Souza) 38,26. 4. Holland 38,87. 5. Nigeria 38,89. 6. Polen 38,96. 7. Japan 39,05. -- Nicht beendet: Jamaika.

4x400 m: 1. USA (Harrison/Washington/Brew/Young) 2:58,88. 2. Frankreich (Djhone/Keita/Diagana/Raquil) 2:58,96. 3. Jamaica (Simpson/McFarlane/Clarke/Blackwood) 2:59,60. 4. Bahamas 3:00,53. 5. Grossbritannien 3:01,00. 6. Spanien 3:02,50. 7. Griechenland 3:02,56. 8. Japan 3:03,15.

Speer: 1. Sergej Makarow (Russ) 85,44. 2. Andrus Värnik (Est) 85,17. 3. Boris Henry (De) 84,74. 4. Jan Zelezny (Tsch) 84,09. 5. Aki Parviainen (Fi) 83,05. 6. Christian Nicolay (De) 81,77. 7. Miroslav Guzdek (Tsch) 81,40. 8. Peter Blank (De) 80,34.

Frauen

1500 m: 1. Tatjana Tomaschowa (Russ) 3:58,52. 2. Sureyya Ayhan (Tür) 3:59,04. 3. Hayley Tullett (Gb) 3:59,95. 4. Jekaterina Rosenberg (Russ) 4:00,59. 5. Jackline Maranga (Ken) 4:01,64. 6. Naomi Mugo (Ken) 4:02,33. 7. Daniela Yordanova (Bul) 4:02,34. 8. Jelena Sadoroschnaja (Russ) 4:02,46.

4x400 m: 1. USA (Barber/Washington/Miles/Richards) 3:22,63 (JWB). 2. Russland (Zykina/Petschonkina/Kapatschinskaja/Nazarowa) 3:22,91. 3. Jamaica (Richards/Beckford/Smith/Fenton) 3:22,92. 4. Deutschland 3:26,25. 5. Polen 3:26,64. 6. Grossbritannien 3:26,67. 7. Kamerun 3:27,08. -- Senegal disqualifiziert.

Hoch: 1. Hestrie Cloete (SA) 2,06 (JWB). 2. Marina Kuptsowa (Russ) 2,00. 3. Kajsa Bergqvist (Sd) 2,00. 4. Venelina Veneva (Bul) 1,98. 5. Wita Palamar (Russ) 1,95. 6. Anna Tschitscherowa (Russ) 1,95. 7. Blanka Vlasic (Kro) 1,95. 8. Juana Rosario Arrendel (Dom) 1,95.

Marathon: 1. Catherine Ndereba (Ken) 2:23:55. 2. Mizuki Noguchi (Jap) 2:24:14. 3. Masako Chiba (Jap) 2:25:09. 4. Naoko Sakamoto (Jap) 2:25:25. 5. Bong-Sil Ham (NKor) 2:25:31. 6. Elfenesh Alemu (Aeth) 2:26:29. 7. Joyce Chepchumba (Ken) 2:26:33. 8. Olivera Jevtic (Ser) 2:26:49. -- Mannschaften: 1. Japan 7:14:48. 2. Aethiopien 7:24:56. 3. Russland 7:31:04.

(Peter A. Frei, Paris/Si)