Leichtathletik: Verliert die US-Sprinterin ihre Goldmedaillen?

publiziert: Sonntag, 31. Aug 2003 / 16:50 Uhr

Die Leichtathletik-WM in Paris wurden durch einen brisanten Dopingfall erschüttert. Sprint-Doppelweltmeisterin Kelli White (USA) ist positiv auf verbotene Stimulanzien getestet worden. Die betreffende Substanz steht allerdings nicht auf den Dopinglisten.

Zweimal konnte die US-Amerikanerin Kelli White jubeln. Jetzt sind beide Goldmedaillen wegen Doping gefährdet.
Zweimal konnte die US-Amerikanerin Kelli White jubeln. Jetzt sind beide Goldmedaillen wegen Doping gefährdet.
White wird möglicherweise ihre beiden Goldmedaillen zurück geben müssen. Bei der einzigen Athletin, die in Paris zwei Mal Gold gewonnen hat, wurde im Urin die Substanz Modafinil festgestellt. Dies brachte die französische Sportzeitung L´Equipe an die Öffentlichkeit. Der Präsident der Medizinischen Kommission des Leichtathletik-Weltbverbandes IAAF, Arne Ljungqvist, bestätigte den Dopingfall in Paris. Für Sanktionen oder Konsequenzen sei es noch zu früh, sagte Ljungqvist. Zuerst müssten die Untersuchungen abgeschlossen und die rechtliche Lage geprüft werden.

Den Gewinn einer möglichen dritten Goldmedaille für Kelli White verhinderte der US-Verband, indem er seine Starsprinterin nicht für den 4x100-m-Staffelfinal aufstellte. Dadurch wollten die Amerikaner das Risiko vermeiden, dass ihre Staffel später disqualifiziert würde. Vermutlich hätte das US-Team mit White Gold statt Silber gewonnen.

Zur Substanz Modafinil sagte der Schweizer Delegationsarzt Dr. Andreas Gösele: "Modafinil ist nicht der Name des Medikamentes, sondern ein Inhaltsstoff zur Steigerung motorischer Aktivitäten." Entsprechende Medikamente werden auch bei Tieren eingesetzt sowie "bei Patienten im Trägheitszustand", so Gösele. Sie generieren eine starke Präsenz, wurden in Kriegen verwendet oder bei Rallye-Fahrern, um Müdigkeit und Schlafbedürfnis zu verdrängen.

Der Test, bei dem die A-Probe positiv ausgefallen ist, wurde im Anschluss an den 100-m-Sieg der 26-jährigen Kalifornierin vorgenommen. Obwohl die Stimulanz nicht auf der Dopingliste der IAAF stehe, sei sie explizit getestet worden, erklärte der IAAF-Sprecher Nick Davies. Vor einigen Jahren war Modafinil bereits auf der schwarzen Liste. Auf Bestreben der französischen Doping-Agentur CPLD soll es für das Olympiajahr 2004 wieder ausdrücklich verboten werden.

White: "Schlafkrankheit in der Familie"

Kelli White gab eine Erklärung ab, wonach sie "wegen einer Krankheit in der Familie" (Narkolepsie = Schlafkrankeit) dieses Medikament benötige. An einer Medienkonferenz erklärte sie, sie sei sehr müde, sie schlafe nachts nicht, dafür manchmal am Tag, und sie habe Probleme mit dem Gedächtnis. Ihr Arzt in San Francisco habe ihr seit einigen Monaten Provigil verschrieben (das amerikanische Medikament mit der Substanz Modafinil).

Ljungqvist erklärte, White hätte eine offizielle Bewilligung für die Verwendung des Medikamentes bei der IAAF beantragen müssen. Dazu White: "Ich nahm das Medikament nicht regelmässig und wusste nicht, dass es eine verbotene Substanz enthält." Sie sei bei anderen Veranstaltungen auch schon getestet worden, aber wegen der Verwendung von Provigil sei weder in den USA, in Oslo oder in London etwas beanstandet worden. "Ich habe nichts Schlechtes getan und bin zuversichtlich, dass sich die Affäre für mich zum Guten wendet."

Brisant an der Geschichte ist auch, dass Kelli White vom 1. Januar bis zum 30. Juni dieses Jahres auf französischem Territorium gesperrt war. Sie hatte das in Frankreich verbotene (aber auf internationalen Dopinglisten damals noch fehlende) Kortikoid Triamcinolon (Cortison) verwendet. Triamcinolon wird medizinisch zur Bekämpfung von Asthma verwendet.

Gemäss Definition der Welt-Antidoping-Agentur WADA sind auch "verwandte Substanzen" von verbotenen Mitteln nicht erlaubt. Als Konsequenzen drohen der Freundin des deutschen Speerwerfers Boris Henry die Aberkennung ihrer Goldmedaillen über 100 und 200 m sowie eine Sperre. Beim erstmaligen Missbrauch von Stimulanzien werden von der IAAF normalerweise Verwarnungen ausgesprochen. Wurde die positive Probe nach einem Wettkampf genommen, so erfolgt die Disqualifikation.

Die Meinungen von Experten über die Affäre decken sich. Gösele erklärte: "Ein ganz heikler Fall, aber für mich ist das eigentlich Doping." IAAF-Vizepräsident Helmut Digel (De) sagte: "Wenn es zur Medikamentengruppe gehört, muss das einzelne Mittel nicht auf der Liste stehen. Aber zunächst müssen die offiziellen Laborergebnisse vorliegen und die Athletin angehört werden."

Parallelen lassen sich zu den Fällen der deutschen Langstreckler Stephane Franke und Damian Kallabis ziehen. Beide gaben nach den Europameisterschaften 1998 die Anwendung des Blutplasma-Expanders HES zu. Das Mittel wurde jedoch erst ein Jahr später ausdrücklich verboten. Franke (Bronze über 10 000 m) und der von ihm trainierte Kallabis (Gold über 3000 m Steeple) konnten ihre Medaillen behalten. Anders im Skilanglauf. Die FIS sperrte mehrere Mitglieder des finnischen Teams bei den WM 2001 in Lahti wegen des Einsatzes von HES, ohne dass dieses Mittel auf der Dopingliste stand.

(von Peter A. Frei, Paris/Si)

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