Lücke zwischen Emissions- und Klimazielen

publiziert: Donnerstag, 2. Dez 2010 / 08:33 Uhr
Joeri Rogelj ist Doktorand in Klimaphysik an der ETH Zürich. Er ist einer der Hauptautoren des UNEP-Berichts und wird auf der UN-Klimakonferenz in Cancún einen Teil des Berichts vorstellen.
Joeri Rogelj ist Doktorand in Klimaphysik an der ETH Zürich. Er ist einer der Hauptautoren des UNEP-Berichts und wird auf der UN-Klimakonferenz in Cancún einen Teil des Berichts vorstellen.

Heute ist es soweit: Sechs Monate an Analysen, Diskussionen und intensiver intellektueller Arbeit werden in 30 Minuten dem Publikum der Klimakonferenz in Cancún vorgestellt. «The Emission Gap Report» (siehe Links) ist der jüngste Bericht aus dem United Nations Environment Program (UNEP). Als einer der Hauptautoren des Berichts bekomme auch ich heute Abend 10 Schwitzminuten am Pult, um einen Teil der Studienergebnisse vorzustellen.

1 Meldung im Zusammenhang
Weiterführende Links zur Meldung:

Emission Gap Report
«The Emission Gap Report» ist der jüngste Bericht aus dem United Nations Environment Program (UNEP).
unep.org

2°C-Ziel
Blog-Beitrag zum 2°C-Ziel. Autor ist Prof. Reto Knutti.
klimablog.ethz.ch

Mehr als 80 Länder haben ihre freiwilligen Emissionsziele für 2020 im Copenhagen Accord einschreiben lassen. Das 2°C-Ziel ist im zweiten Paragraph des Copenhagen Accords festgelegt und wird wie der Accord von inzwischen mehr als 140 Ländern unterstützt. (mehr zum 2°C-Ziel unter weiterführende Links). Auch die Möglichkeit, das Ziel nach einem Review auf 1.5°C zu verschärfen, ist im Accord eingebaut.

Wie zum 2°C-Ziel?

Doch welche Treibhausgasemissionen in 2020 sind vereinbar mit dem 2°C-Ziel? Und wie nah bringen uns die derzeitigen Länderziele aus dem Copenhagen Accord an dieses Ziel? Eine interdisziplinäre Gruppe von 30 Wissenschaftlern aus 25 verschiedenen Instituten der Welt hat sich diesen und weiteren Fragen gewidmet und ein halbes Jahr lang alle verfügbaren Studien analysiert. Die Ergebnisse sind im UNEP-Bericht festgehalten.

Handeln unter Unsicherheit

Eine grosse Herausforderung waren für uns Wissenschaftler die Unsicherheiten, sowohl im Bereich der Klimawissenschaften als auch im Bereich der nationalen und internationalen Klima- oder Umweltpolitik. Die Reaktion des Klimasystems ist nie 100 Prozent genau vorhersagbar. Gleichzeitig ist es unsicher, welchen Effekt nationale und internationale umweltpolitische Entscheidungen in der nahen und weiten Zukunft haben werden. Verschiedene Studien interpretieren diese Effekte unterschiedlich und erhalten deshalb unterschiedliche Resultate. Eine einfache Antwort ist deswegen nicht zu erwarten. Es ist wichtig, die Unsicherheiten in die Untersuchungen einzubeziehen und die unterschiedlichen Ergebnisse deutlich zu kommunizieren.

Emissionsreduktionen: zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Die Ergebnisse der Studie sind bemerkenswert aber nicht unerwartet. Der UNEP-Bericht zeigt klar und deutlich: Die derzeitig vorgeschlagenen Emissionsreduktionen für 2020 sind nicht vereinbar mit dem Ziel, die globale Erwärmung unter 2°C oder langfristig unter 1.5°C zu halten. Trotz der vielen Unsicherheiten und unterschiedlichen Interpretationen der zukünftigen Umsetzung der Klimapolitik zeigt die aktuelle Forschung, dass Länder ihre nationalen Emissionsziele für das Jahr 2020 erhöhen sollten, um das Fundament für eine starke Abnahme der Treibhausgasemissionen nach 2020 zu legen.

Der Vergleich zwischen den freiwilligen Emissionsreduktionszielen bis 2020 mit den Berechnungen aus wissenschaftlichen und sozioökonomischen Studien ergibt nämlich eine Lücke von 9 Gigatonnen CO₂-Äquivalenten. Das heisst: Der globale Treibhausgasausstoss in 2020 wäre bei den momentan geplanten Emissionsreduktionen ungefähr 20% höher als die 44 Gigatonnen CO₂-Äquivalente, die vereinbar sind mit dem 2°C-Ziel. Ausser, die weiteren Emissionsreduktionen nach 2020 würden drastisch sein.

Die Lücke könnte von 9 auf 5 Gigatonnen CO₂-Äquivalente reduziert werden mit einer optimistischeren Interpretation der Emissionsziele der Länder. Notwendig wären zudem striktere Regeln zur Emissionsbuchhaltung im Bereich der Landnutzung, der sogenannten «land use, land-use change and forestry» (LULUCF) und zu den überschüssigen Emissionskrediten von Kyoto. Diese Regeln sind derzeitig noch immer Teil der Verhandlungen der UN-Klimakonferenz. Es ist unwahrscheinlich, dass schon in Cancún definitiv darüber entschieden wird.

Zum 1.5°C-Ziel finden sich im UNEP-Bericht nur vorläufige Resultate. Der Grund dafür ist, dass diesbezüglich nur sehr wenige Studien mit sozioökonimischen Modellen zur Verfügung stehen. Und dies obwohl auch das 1.5°C-Ziel von mehr als 100 Staaten unterstützt wird, denn bereits bei dieser Temperaturerhöhung sind starke Folgen zu erwarten, zum Beispiel für Korallenriffe, bezüglich des Trinkwasserzugangs und extremer Wetterereignisse.

Vertrauen wieder herstellen

Da zurzeit im Klimabereich keines der bedeutenden Länder eine globale Vorreiterrolle spielt, wird Cancún sicherlich nicht das alles entscheidende Treffen sein. Ein Schritt in Richtung einer langfristigen Lösung zum Klimaproblem im offiziellen Rahmen der UNFCCC-Klimakonvention wäre aber wichtig. Dabei müssen die Bedenken der schwächeren und am stärksten betroffenen Länder ernst genommen werden, so dass das Vertrauen zwischen den Staaten neu aufgebaut werden kann.

Ich hoffe, dass unsere UNEP-Präsentation von heute dieses Verständnis verstärken wird.

(Joeri Rogelj/ETH-Zukunftsblog)

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