An einer Aussprache vom 15. März habe sich der Verwaltungsrat
(VR) für eine sofortige Neubesetzung der Konzernspitze entschieden,
teilte die SAir am Freitag mit. Einstimmig sei das Gremium zum
Schluss gekommen, dass ohne Verzug eine Kontinuität in der Führung
sichergestellt und über die nächsten Jahre erhalten werden müsse.
Der 55-jährige Nestlé-Finanzchef und Privatpilot Corti, der erst
seit April 2000 dem SAir-Verwaltungsrat angehört, soll ab sofort
Eric Honegger als Verwaltungsratspräsident ablösen. Als Delegierter
des Verwaltungsrates übernimmt Corti zugleich die operative
Verantwortung beim angeschlagenen Flugkonzern.
Honegger verlässt den Verwaltungsrat
Der ehemalige Zürcher Regierungsrat Honegger, der vor einem Jahr
von Hannes Götz das SAir-Präsidium angetreten hatte und seit der
Absetzung von Philippe Bruggisser vom 23. Januar auch das Amt des
Konzernchefs ausübte, zieht sich damit früher als geplant zurück.
Er scheidet auf den 25. April ganz aus dem SAir-Verwaltungsrat aus.
Corti orientierte am Nachmittag das SAir-Kader und die
Angestelltenverbände. Gemäss SAir-Angaben äusserte er sich aber
nicht zur neuen Strategie. Am 2. April werde er umfassend
informieren.
Neue Strukturen
In der Sendung «Arena» von Schweizer Fernsehen DRS sprach sich
Corti für neue Konzernstrukuren aus. Innerhalb des Konzerns gebe zu
viele Ebenen. Eine Vereinfachung tue not, es müsse radikal
aufgeräumt werden.
Corti machte klar, dass er nicht vor einschneidenden Massnahmen
zurückschrecken werde. Diese dürften nötig sein, um die SAirGroup
aus der Krise zu führen. «Eines ist sonnenklar: Es muss sich etwas
ändern», sagte er.
Der seit Tagen als Wunschkandidat für die SAir-Spitze gehandelte
Corti erhält viel Vorschusslorbeeren: Er geniesse als
Finanzfachmann einen exzellenten Ruf und dürfte Ordnung in die SAir-
Finanzen bringen, erklärten Analysten. Damit könne er die
Glaubwürdigkeit des Unternehmens vorerst wieder herstellen.
«Hayek der Luftfahrt»
Corti sei «der richtige Mann am richtigen Ort», hiess es beim
Wirtschaftsdachverband economiesuisse. Nach Ansicht des Lausanner
IMD-Professors Stéphane Garelli besitzt Corti das ideale Profil, um
die SAir wieder flott zu machen. «Corti könnte der Hayek der
Schweizer Luftfahrtindustrie werden», sagte Garelli.
Längerfristig setzen Branchenkenner aber Fragezeichen zum
Doppelamt von VR-Präsident und Konzernchef. Corti gelte als guter
Analytiker und Motivator, sei aber kein Spezialist des Airline-
Geschäfts und habe insbesondere keine Exekutiv-Erfahrung auf
oberster Unternehmensebene.
Personal zuversichtlich
Die SAir-Angestellten zeigten sich optimistisch: «Da wir zu
Corti erst wenig Kontakt hatten, haben wir weder Grund zum Jubel
noch zu Vorbehalten», sagte Aeropers-Geschäftsführer Reto Nause.
Trotzdem sei er für die Zukunft zuversichtlich. Der Weg zu einem
Neustart sei offen.
Die Gewerkschaft VPOD und der Schweizerische Kaufmänische
Verband (SKV) fordern eine rasche, klare Stellungnahme zur neuen
SAir-Strategie. Daniel Vischer, Prädident der VPOD-Sektion
Luftfahrt, warnte vor einem Verkauf ertragreicher Sparten wie Gate
Gourmet.
Sonderprüfung zeichnet sich ab
Für die SP Schweiz ist mit dem Rücktritt Eric Honeggers als SAir-
Verwaltungsratspräsident eine erste Forderung der Partei erfüllt.
Das reiche jedoch nicht. Der Verwaltungsrat könne sich nicht aus
der Verantwortung für den finanziellen Schaden stehlen.
Verantwortlichkeitsklagen gegen Verwaltungsrat, Geschäftsleitung
und Revisionstelle seien zu prüfen. Ferner sei eine Sonderprüfung
nach Obligationenrecht zu beantragen.
Eine solche Sonderprüfung strebt die Schutzgemeinschaft der SAir-
Aktionäre an der Generalversammlung vom 25. April an. Im übrigen
begrüssten die Kleinaktionäre die Ernennung Cortis zum SAir-Chef,
wie der Winterthurer Rechtsanwalt Hans-Jacob Heitz als deren
Vertreter festhielt.
Noch offen ist die Nachfolge von Moritz Suter, des am 7. März
überraschend zurückgetretenen Chefs des SAir-Fluggeschäftes. In
Belgien verdichten sich unterdessen Gerüchte, dass Sabena-Chef
Christoph Müller neuer Leiter von SAirLines wird.
Höhenflug an der Börse
Auch die Börse reagierte positiv. Die Aktien der SAir stiegen in
einem schwächeren Gesamtmarkt bis kurz vor Handelsschluss um 14,50
Fr. oder 8,1 Prozent auf 194 Franken. Am frühen Morgen hatten sie
zeitweise mit 10 Prozent im Plus gelegen.
(kil/sda)