Mary Pierce hat den Frauentitel von Roland Garros 33 Jahre nach Françoise Durr erstmals wieder nach Frankreich geholt.
Mit diesem Erfolg spielte sich Pierce auch endgültig in die Herzen der französischen Zuschauer, die sie jahrelang verschmäht hatten. Speziell im letzten Jahr war sie mit einem gellenden Pfeifkonzert verabschiedet worden, nachdem sie gegen die damals ungesetzte Martinez in der zweiten Runde ausgeschieden war und während der Partie nicht weniger als vier Mal den Masseur auf den Platz gerufen hatte. Zudem kostete ihr auch ihr oft zickiges Benehmen viele Fans. Ihre Launen hatten unter anderem den damaligen Fedcup-Captain Yannick Noah bewogen, sie vor der Erstrunden-Partie 1998 nicht mehr aufzubieten. Seither hat sie für ihr Land nicht mehr gespielt.
Auch vor der diesjährigen “Quinzaine” hatten Insider kaum auf Pierce gewettet. In Rom scheiterte sie deutlich gegen Amélie Mauresmo, in Madrid sogar an der “völlig unbekannten” Italienerin Germana di Natale. Nach dem Ausscheiden von Mauresmo und Cédric Pioline avancierte sie dann aber zur nationalen Hoffnungsträgerin und erfüllte die Aufgabe mit Siegen gegen Monica Seles (Nummer 3), Martina Hingis (1) und Martinez (5) bravourös. “Ich werde diesen Tag nie mehr vergessen, für mich ist ein Traum in Erfüllung gegangen”, meinte die bewegte Pierce, die ihre Erfolge auch auf den Glauben an Gott zurückführt.
Martinez zu passiv
Der Sieg von Pierce im ersten Frauenfinal seit Melbourne 1978, in dem keine der vier Erstgesetzten vertreten war, ist hoch verdient. Die Französin spielte wesentlich aggressiver, servierte ausgezeichnet und rückte wenn immer möglich ans Netz vor. Zudem zwang sie die wie üblich mehrere Meter hinter der Grundlinie stehende Martinez mit kurzen Bällen aus dem Court hinaus immer wieder zu viel Laufarbeit. Insgesamt erspielte sich Pierce 16 Breakchancen, Martinez nur deren 5. Den entscheidenden Service- Durchbruch schaffte Pierce zum 6:5 im zweiten Satz. Den ersten Satz hatte sie klar dominiert, bei eigenem Aufschlag gab sie nur drei Punkte ab.
Die Wimbledon-Siegerin von 1994 verpasste es durch ihre über weite Strecken viel zu passive Spielweise, Pierce' physische Reserven ernsthaft zu testen, die nach den zwei Dreisätzern gegen Seles und Hingis nicht mehr gross waren. “Mary hat wesentlich offensiver gespielt und deshalb verdient gewonnen”, meinte Martinez, die auf ihrer bevorzugten Unterlage beim wichtigsten Turnier vorher erst dreimal die Halbfinals erreicht hatte. Sie kann sich damit trösten, dass sie im neusten Ranking auf Platz 4 springt; Pierce wird sogar Dritte.
(ba/sda)