Menschen sollen die Würde der Pflanze berücksichtigen

Die Würde der Kreatur ist in der Verfassung verankert. Die EKAH hat in ihrem Bericht über einen würdevollen Umgang mit Pflanzen Vorschläge für die Konkretisierung dieses Verfassungsbegriffs vorgelegt.

Konsequenzen für Wirtschaft und Wissenschaft

«Die Würde der Kreatur ist ein Rechtsbegriff, der weitreichende wirtschaftliche und wissenschaftliche Interessen tangiert», sagte Markus Schefer, Mitglied der EKAH, vor den Medien. Gerade im Bereich der genetischen Veränderung oder der Gentechnologie und auch der Patentierung von Pflanzen sei diese Diskussion wichtig.

Die aus Philosophen, Ethikern, Biologen und Medizinern bestehende Kommission kommt in ihrem Bericht einstimmig zum Schluss, dass der Mensch mit Pflanzen nicht völlig beliebig umgehen darf. Alle weiteren Schlussfolgerungen fällte die EKAH nicht einstimmig, sondern aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses.

So auch die vorgeschlagene Sichtweise zur genetischen Veränderung von Pflanzen. Diese tangiere die Würde der Pflanze nur dann nicht, wenn die Eigenständigkeit der Pflanze gewahrt bleibe, sagte Biologin und EKAH-Mitglied Florianne Köchlin. Das bedeute, dass die Fortpflanzungsfähigkeit der Pflanze nicht zerstört werden dürfe.

Zudem soll laut EKAH bei der genetischen Veränderung von Pflanzen dafür gesorgt werden, dass die natürlichen, nicht vom Menschen bewirkten Beziehungsgefüge erhalten und gesichert bleiben. Ein wichtiges Kriterium sei aber immer der Sinn, welcher hinter einem Eingriff stecke.

«Sinnlose Würdeverletzung»

Ein Beispiel dazu sind kernlose Tomaten, Trauben oder Orangen. Diese Veränderung des Erbgutes der Pflanze habe zwar Konsequenzen für die Pflanze, die Beeinträchtigung der Pflanzenwürde könne in diesem Fall aber begründet werden, erklärte EKAH-Präsident Klaus Peter Rippe. Ganz anders sei hingegen eine sinnlose Würdeverletzung wie etwa das Köpfen von Blumen am Wegrand zu beurteilen.

Die vollständige Instrumentalisierung von Pflanzen sei rechtfertigungspflichtig, schreibt die EKAH im Bericht. Die Kommissionsmehrheit plädiert für einen verhältnismässigen und vorsorglichen Umgang mit Pflanzen. Das Patentieren einer Pflanzenart soll aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden.

Werkzeug zum Weiterdenken

Die im Bericht erfassten Ergebnisse seien noch keine verbindlichen Regelungen, sondern ein Werkzeug, «um auf besserem Niveau über die Würde der Pflanzen nachdenken zu können», sagte Rippe.

«Das Bild der Pflanze wird momentan auf den Kopf gestellt», sagte Koechlin. Jürg Stöcklin vom Botanischen Institut der Universität Basel führte aus, bislang habe man Pflanzen als passive Automaten gesehen, moderne Konzepte der Biologie zeigten aber, dass Pflanzen ihre Umwelt wahrnähmen, auf Licht, Berührungen oder Stress reagierten.

Die schweizerische Bundesverfassung kennt drei Schutzkonzepte für Pflanzen: den Schutz der Biodiversität, den Schutz der Art und die Verpflichtung, im Umgang mit Pflanzen der Würde der Kreatur Rechnung zu tragen. Die EKAH wurde 1998 vom Bundesrat eingesetzt und beauftragt, Vorschläge zur Umsetzung des unbestimmten Begriffes der Würde aus ethischer Sicht zu diskutieren und zu unterbreiten.

(fest/sda)